Glasfaser-Hitler-Terminator ⁹
„Virtuosity“ ist ein turbulenter Technokrimi mit Starbesetzung und Gaga-Ideen, sodass man sich durchaus fragt, warum er dermaßen verschrien und eher umstritten ist. Knastfilm ist er zum Teil auch noch. In Richtung Technikhorror a la „eXistenZ“ oder „Lawnmower Man“ geht er ebenso. Da steckt 'ne Menge drin… Wir folgen in diesem puren 90er-Vehikel einem Sträfling, der in einer Welt der selbstlernenden K.I. und überwältigenden virtuellen Realitäten einen vollkommen verrückten Serienmörder aufhalten soll. Und einer der mehreren Clues bei der Sache: der durchgeknallte Killer und Amokläufer ist kein Mensch, sondern die Fusion der Charakterdaten hunderter berühmter Serienmörder (!) und er stammt aus der virtuellen Welt…
„Virtuosity“ ist ein Pulverfass der Ideen. Manche davon toll, andere dumm. Aber fast immer sehr unterhaltsam. Ähnlich wie ein „Demolition Man“ nimmt er sogar ein paar Technologien vorweg, etwa 3D-Drucke. Zusammengehalten wird das von den beiden großartig aufgelegten Stars - vor allem Crowe löst in seiner Rolle verständlicherweise alle Bremsen. Ein wahrer Derwisch der digitalen Hölle. Eine crazy Idee dermaßen viele Killer zu fusionieren. Aber Washington hält den bonkers Ansatz gut am Boden und allein dieses Zusammenspiel aus Darstellern, Tempo, Ideen, Boshaftigkeit, Technik kann „Virtuosity“ über den Durchschnitt heben. Teils sogar deutlich. Warum er es nicht in die luftigeren Höhen solcher Techno-Actioner schafft, liegt einzig und allein an der Action selbst. Die ist passabel - meist rennt oder fährt Denzel aber einfach schiessend und grimmig guckend Russel hinterher. Übertrieben gesagt. Da hätte man sich bei der Ausgangslage und den nahezu unendlichen Möglichkeiten sicher mehr einfallen lassen können. Aber auch so: vollkommen übergehen sollte man „Virtuosity“ nicht, gerade wenn man auf futuristisch-technisierte Thriller steht. Vor allem wie Details, Designs und auch sowas wie der Roboterarm von Denzels Figur fast beiläufig präsentiert und einfließen gelassen werden, ringt mir Respekt ab. Selbst wenn man wie gesagt aus allen Einzelteilen ein noch kräftigeres Ganzes hätte basteln lassen können. Etwa von einem James Cameron oder einem David Cronenberg, also wesentlich heftigeren Namen.
Fazit: unterschätzter Cyberthriller zwischen „The Matrix“, „Johnny Mnemonic“ und „Strange Days“. Ein oft wunderschön bescheuertes, sehenswertes Duell: Washington vs. Crowe, Cop/Sträfling vs. Massenmörder aus dem Netz. Verrückte Ausgangslage und Idee, die wahrscheinlich nur in den 90s zu Beginn des Internet-Booms umgesetzt werden konnte!