Ordentliche Umsetzung einer Idee, aus der man weit mehr hätte machen können...
Ex-Cop mit traumatischer Vergangenheit jagt Psychokiller - nun gut, das haben wir irgendwo schon mal gehört. Dass es sich beim Killer allerdings um ein gezüchtetes Computerprogramm mit dem "Besten" von ungefähr 200 Psychopathen im Körper eines sich durch Glas regenerierenden Androiden handelt, klingt bereits interessanter.
Es ist immer wieder lustig anzusehen, wie man sich die Zukunft vor gar nicht allzu viel Zeit vorstellte. Genauso wird man sich wohl auch in Zukunft über heutige Sci-Fi-Filme amüsieren. Nun, zumindest im Bereich der CGI-Effekte ist man heutzutage auf einem immerhin so weit entwickelten Level, dass es hier wenig zum Belächeln gibt. 1995 sah es in diesem Bereich noch anders aus. Die visual effects, besonders wichtig für einen Film wie diesen, der zudem noch häufig in der "virtual reality" spielt, muten in ihrer unbeholfenen Klobigkeit, den mickrigen Polygonen und kaum entwickelten Oberflächentexturen zunächst unglaubwürdig an. Allerdings werden sie in "Virtuosity" noch längst nicht so inflationär eingesetzt wie in heutigen Zeiten. Stattdessen beschränken sich diese Effekte auf die virtuelle Welt und den Killerandroiden, der auf den lieblichen Namen Sid 6.7 hört. Ihre Funktion als Stilmittel zur Unterscheidung von irreal und wirklich ist eine geradezu wohltuende Abwechslung zu den heutigen Versuchen, mit ihrer Hilfe möglichst viel möglichst echt darzustellen.
Kommen wir zur eigentlichen Hauptperson, die den guten Denzel Washington in seiner zwar solide gespielten, aber doch etwas farblos angelegten Rolle an die Wand spielt: Sid, gelungen verkörpert von dem noch recht jungen Russell Crowe. Er sorgt mithilfe des sich um seine Rolle kreisenden Drehbuchs für einige originelle Höhepunkte in der sonst gewöhnlichen Geschichte - eigentlich zwingend bei einem gut gelaunten Psychoprogramm, das gerade einen Körper bekommen hat und sich in der realen Welt mit echtem Blut und echten Schreien austoben kann. So nimmt er denn in einem Club selbige auf, indem er seine Geiseln missbraucht und komponiert daraus eine Kakophonie, die ihm allerdings merklich zusagt. Crowe hat es mit dieser Rolle gut erwischt: Er darf sich hier in bösem Overacting austoben, braucht nicht auf schwierig darzustellende Regungen wie Trauer zu achten, sondern spielt mit großer Hingabe das sadistische Kind in einem Porzellanladen, das gerade festgestellt hat, dass es keinen gibt, der es bestrafen könnte (nun ja,fast niemanden).
Höhepunkt ist klar seine Show "Death TV", die er kurzerhand aus einem überfallenen Fernsehstudio sendet. Die Geiseln dürfen der Reihe nach sterben; Sid kündigt an, sich in der Wahl der Todesarten nach dem Publikum zu richten. Denn er ist so selbstverliebt wie abhängig von jeder Aufmerksamkeit, die ihm geschenkt wird. So steigert er sich in eine Selbstglorifizierung hinein und fängt die Zuschauer mit ihrer Sensationsgeilheit, um sich zusätzlich daran zu ergötzen. Es ist leicht zu ersehen, was aus diesem Thema hätte gemacht werden können - doch ähnlich wie auch "Passwort Swordfish" ist "Virtuosity" zu sehr im platten Actiongenre verhafte, um solche kontroversen Punkte weiterzuverfolgen (was hätten das Drehbuch und Crowe aus den zahlreichen psychopathischen Persönlichkeiten, die in Sid versammelt sind, machen können... Man kann wohl nicht alles haben).
Stattdessen gibt es Schießereien, Stunts und Verfolgungsjagden und davon reichlich. Auch an spritziger Gewalt wird nicht gespart, wobei das grellblaue Androidenblut sowie der generell recht aufgeräumte Stil des Films (wir befinden uns schließlich in der Zukunft! Sowas wie Dreck ist da eher selten...) viel von dessen ursprünglicher Härte nehmen. Alles wird reduziert auf ein buntes Spektakel mit Effekten hier und Dramatik dort. Durch die routinierte Ausführung, solide Optik und die Schauspieler (Washington wie auch Crowe haben schließlich Präsenz) rettet sich der Film aus den drohenden B-Niederungen. Und obwohl die spitzen Kanten, die immer wieder schön fies aus dem Gesamtkonzept ragen, noch deutlich schärfer hätten geschliffen werden können, bewahren sie den nicht ganz so virtuosen "Virtuosity" vor dem Einheitsbrei. Stattdessen haben wir es mit einem durchweg unterhaltsamen und stellenweise originellen Film zu tun, der durchaus einen Blick verdient hat.