Auf der Reise ''Into The Wild''.
(Dieser Beitrag enthält Spoiler und ist stellenweise möglw. etwas ausufernd)
Nach einiger Verdauung ist das Gemüt bereit seine Worte über dieses Werk zu verlieren.
Vorweg möchte ich sagen, dass ich immer schon von der Perfomance und der Schauspielerei von Sean Penn sehr angetan war. Nicht selten kommt es vor, dass Schauspieler sich auch in der Position des Regisseurs wiederfinden. Bei einigen funktioniert es, bei einigen nicht. Sean Penn's Werk sprudelt vor Philosophie und Gefühl. Es sprudelt eine große Faszination und Identifikation darin, die jeden Menschen überzeugen kann, die jeden Menschen ansprechen kann und die jeder Mensch verstehen kann. Dabei bleiben die Dialoge immer philosophisch angehaucht und regen sehr zum nachdenken an.
Eingeleitet wird das Werk mit einigen eingeblendeten Dialogen, die die Handlung erahnen lässt aber dennoch nicht zu viel verrät und somit auch stark das Interesse ankurbelt. Im ganzen Film finden wir Naturpanoramen, die ähnlich wie in ''The Revenant'' eine erstaunliche Wucht erzeugen. Das Besondere an der Kameraarbeit liegt ganz klar in der Verwendung von Vogelperspektive und Zoom. Oft werden Ereignisse verdeutlicht und untermalt in dem die Kamera fast schon ruckartig heranzoomt, oft gleich im Gesicht von ''Alexander Supertramp''. Natur und Handlung wechseln sich dabei ausgewogen ab und ermöglichen ab und an, bei der Betrachtung wunderschöner Klippen, Flüsse oder schlicht eines riesigen Waldes, eine kleine Pause. Hier bekommt man kurz Zeit zum Nachdenken, bevor es zum nächsten Ort der Reise gehen soll.
Der Film nimmt sich vieler wichtiger Mittel an, so zum Beispiel das einfließen lassen von literarischen Größen in die Handlung. Daher kommt auch der oft schon philosophische Eindruck zu Stande, der in den Monologen von ''Alexander'' geführt werden. Gerade in diesen appelliert Penn an die Humanität, die Anonymität und die Freiheit, nach der sich jeder von uns sehnt, ob bewusst oder unbewusst und mittlerweile sogar verdrängt. Sie stecken voller Weisheit, junger Naivität, Hoffnung und Vertrauen in sich selbst. Wie viele Regeln gibt es? Für wen tun wir, was wir tun...Tag für Tag?
Das Leben steckt nicht voller Gewissheit...es besteht mehr aus Zufall, Schicksal, Glück, Freude und Zweifel, Ungewissheit, Trauer und Schmerz.
Woran wächst man? Woran scheitert man? Gibt es Gerechtigkeit?
Wo sie anfängt, wo sie endet und wo sie an der Grenze zur Ungerechtigkeit schwebt ist nicht immer ganz klar.
Viele Fragen stellt der Film, ohne zu nah auf sie eingehen zu müssen oder sie gar zu rechtfertigen oder zu erklären. Er beschreibt viel mehr die für uns auf dem Bildschirm sichtbare und außerdem auch innerliche Reise des ''Christopher McCandless'', der sich auf die Suche nach Glück und Freiheit begibt. Das Gefühl von Freiheit liegt in der Flucht.
Diese unternimmt er, weil er in seiner Familie, ausgenommen seiner Schwester, keinen Rückhalt finden kann. Eine tragische Vergangenheit liegt hinter ihm. Und sollten wir uns einmal klar ins Gedächtnis rufen, wie wichtig Familie, wie wichtig Freundschaft ist und wie wichtig das alles zum Leben ist und zur Lebensqualität beiträgt?
Eine Familie soll aus Zusammenhalt, Rückhalt und Vertrauen bestehen.
Sie soll dich und das Gewicht deiner Sorgen und Ängste halten. Das Gewicht deines Kummers und das Gewicht deiner Schmerzen.
Sie soll helfen alles zu verarbeiten und aus den schlechten Dingen, den Ängsten und dem Kummer etwas schönes erschaffen. Das gleiche gilt für eine Freundschaft. In einer Freundschaft soll man lachen, Dinge erleben, Überwindungen meistern und das Leben genießen. Man soll aber auch weinen können und sich nicht verstecken, wenn das Leben gerade eine Facette deines Selbstbewusstseins untergräbt. Wenn etwas gerade einen Teil deiner Freude oder deines Glückes in dir raubt. Lachen ist einfach und schön. Weinen ist schwer und respektvoll. Es erfordert mehr Kraft und Stärke. Eine Freundschaft und eine Familie zeichnet sich also durch die Fähigkeit aus, deine Facetten und Kräfte aufrecht zu erhalten, dein Glück nicht nur für kleine Momente zu genießen, aber auch, deinen Stolz zu überwinden, weinen zu können, wenn du es gerade am meisten brauchst und so Stärke zeigen kannst und all deine Sorgen wie mit einem Umhang aufgefangen werden, der das Gewicht deiner Sorgen und deines Kummers tragen kann.
Aufgrund der Tragik der Geschichte, ohne Familie und Freundschaft, liegt das Hauptaugenmerk auf ''Mr. Supertramps'' Figur und seinem Innenleben . Und so ist es einfach besonders, wenn die Hauptfigur alle Regeln für einen Moment beiseite lässt und tut, was sich gut anfühlt, tut, was sich richtig anfühlt. Es kommt fast schon Neid auf, wenn wir die Dialoge und Taten verfolgen. Aber Warum? Weil wir gerne genauso sein wollen. So mutig, überzeugt und mit dem Hang zur eigenen Jagd auf etwas Freiheit und freien Willen.
Das Schauspiel bleibt dabei stets natürlich. Emile Hirsch spielt seine Rolle hingebungsvoll und verständlich. Wenn er gerade mal wieder etwas auf seiner Reise tut, was verboten ist oder etwas tut, was er sich von Herzen wünscht, so ist das bewundernswert. Man braucht gar nicht viel mitfiebern, als sich mehr für die Person zu freuen. So viele neue Menschen, die er kennenlernt. So viele Orte die er besucht auf seiner Reise der Glückseligkeit.
Auf der Treppe des Lebens gibt es unendlich viel zu entdecken. Unendlich viele Stufen. Zum Beispiel Erfolg und Genugtuung und Liebe und Freiheit.... Oder auch kleine Niederlagen. Ich möchte die meisten dieser Treppen im Laufe meines Lebens gehen. Ich denke, sich immer mit den wenigstens Stufen zufrieden zu geben, ist nicht richtig, wenn man noch so viele mehr gehen kann. Auch wenn ich vielleicht mal ein paar Stufen falle oder auf einer Stufe ausrutsche, ist es mir die Erfahrung doch wert, vielleicht sogar auf der selben Stufe nochmal auszurutschen.
Manche Stufen möchte aber auch ich überspringen. Zum Beispiel jene Stufe, auf der man auf Ungewissheit trifft. Ungewissheit, die einen nervös macht. Die einem vielleicht etwas unmögliches offenbart, dass eigentlich nicht unmöglich ist, es einem aber so erscheint....
Das Geld nicht gleich ''Leben'' ist verdeutlicht Folgendes Zitat sehr gut: '' Geld macht Menschen vorsichtig''. Alexander stellt sich den Herausforderungen, seinen Ängsten und zeigt Mut, denn reine Hilflosigkeit stellt für ihn das Gefühl ''schlichten menschlichen Daseins'' dar, mit dem er sich nicht identifizieren kann. Manchmal wirkt der Film sogar wie eine riesengroße Metapher an den Enthusiasmus, die Innovation, aber auch die Unzufriedenheit, die nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch wahrscheinlich in jedem von uns steckt.
Aber nicht nur schöne Momente sind im Film zu finden, sondern auch die tragischen. Nicht nur wenn es etwa um seine Eltern geht und wir etwas aus seiner Vergangenheit erfahren, sondern auch, wenn Beispielsweise das dritte Kapitel eingeleitet wird. Momente, die kurz aufrütteln und bitter sind.
So ist auch der Auftritt von Vince Vaughn's Figur zwar größtenteils lustig, hinterlässt am Ende aber ein wenig faden Beigeschmack.
Und auch erst nachdem ''Christopher'' lange Zeit verschwunden ist, erkennen die Eltern, was sie angerichtet haben.
Die kleine Liebesgeschichte mit Tracy und der herzhafte Kontakt mit Ron runden den Film als solches unglaublich gut ab....Wenn er den Wunsch äußert ihn gerne zu adoptieren, damit sein Name nicht gänzlich verschwindet, dann ist das ein großartiger Moment.
''Wenn du vergibst, dann liebst du...Und wenn du liebst, dann scheint das Licht Gottes auf dich!'' -Ron-
Wenn man sich nun nochmal persönlich fragt, warum der Film gefällt, wird man wohl zu dem Ergebnis kommen, dass man eben das gleiche ''langweilige'' Leben führt, von dem ''Mr. Supertramp'' so oft erzählt. Und das wir nicht so viel erleben. Ich persönlich kann dem Film also so viel abgewinnen, weil wir nie Geld für einen richtigen Urlaub hatten, ich noch nicht viel gesehen habe und der Film durch eine wunderschöne Reise und wunderschöner Bilder wundervoller Orte besticht. Die Geschichte ist authentisch, sie ist rasant, aber auch traurig, lustig und voller Herz.