Das Wesentliche an Literaturverfilmungen, die auf wahren Fällen basieren, ist immer die Herangehensweise des Regisseurs.
Im Fall des jungen Komplettaussteigers Christopher McCandless, der als Alexander Supertramp zwei Jahre lang Anfang der 90er Jahre mit möglichst wenig Geld und ohne Ausweise oder sonstige Identität durch die Vereinigten Staaten zog, hat sich Sean Penn mit viel Liebe und Hingabe zu den vermuteten Motiven des Betreffenden der Sache gewidmet.
Mit größtmöglicher Bewunderung für den zivilisationsverbitterten Exstudenten zeichnet Penn dessen Weg von der Graduierung über seinen Zickzackkurs durch den Westen bis schlußendlich nach Alaska nach.
McCandless, angwidert von den Lebenslügen und seiner familiären Situation brach alle Brücken hinter sich ab und lebte pur das Leben an sich, suchte alle möglichen Orte auf, fuhr den Colorado River bis Mexiko hinunter und suchte schließlich doch nur die Erfüllung und sein wahres Selbst in der absoluten Abgeschiedenheit und Einsamkeit der kalten Wildnis.
Fast zweieinhalb Stunden wendet Penn für diese Übung auf und allein die Breite, mit der er die Ereignislosigkeit dieses Weges schildert, mit der er sich lediglich in liebevollen Naturbildern schwelgend, für diesen querköpfigen Charakter einsetzt, zeigt schon, wieviel Herzblut in dieser Produktion gelandet ist.
Und so bekommt man dann auch geradezu atemberaubende Bilder von der Mächtigkeit der Natur und der verschwindenden Größe des Einzelnen zu sehen.
Aber solche Filme leben auch von der Wirkung, von der Hintergrundgeschichte, von der allgemeinen Nachvollziehbarkeit. Penn ist in der Regel jedoch nur daran interessiert, Verständnis für McCandless zu erwecken, die Reise zu einem Weg der Selbstfindung zu machen. Unterteilt in mehrere Kapitel, muß der Aussteiger in einigen Lektionen lernen, was es heißt Mensch außerhalb der Gesellschaft zu sein – dürftige Kleinjobs für das nötige Geld anzunehmen und durch die Menschen auf seinem Weg dazu zu lernen.
Obwohl die Begegnungen mit einem einem weiteren Flüchtling, einem alternden Hippie-Pärchen und ihren Problemen, einem schönen jungen Mädchen, das ihm ähnlich ist und einem alternden Mann, der diametral entgegen gesetzt das andere Spektrum besitzt (nämlich ein selbstgewähltes Exil in sich, nicht räumlich) – stets scheint es so, als wären diese Episoden mehr aus Gründen der Begrifflichkeit gewählt – Emile Hirschs McCandless bleibt nämlich stets stur und selten anders als geradeaus blickend.
Der Mensch wirkt hier nicht zu seinen Ursprüngen zurückkehrend, sondern egozentrisch an sich, McCandless ist lediglich in der Lage, seine Mitmenschen zu streifen und auch wenn er gute Einflüsse allerorten hinterläßt, so zeigt er sich selbst wenig lernfähig.
Schlußendlich erfüllt er sich seine Vision vom Leben jenseits des Zivilisationsekels und ist dieser Herausforderung dann doch nicht gewachsen, die Erfüllung seines Traums wird schließlich zu seinem Schicksal, seinem Gefängnis und löst sein Ende aus. Diese Zerbrechlichkeit des Einzelnen hat Penn gut herausgearbeitet, gerade obwohl er sich oftmals in seinen schweißtreibend schönen Bildern der atemberaubenden, harten Natur verliert.
Immerhin: er wertet nicht, sondern folgt den Tatsachen bis ans bittere Ende, doch die Querverweise auf das schwierige Elternhaus und der zaghafte Off-Kommentar von McCandless Schwester wirken leider beliebig und bringen nicht genug Substanz mit, um mit den jeweiligen Bildern wirklich in Kontakt zu treten.
Aber letztendlich ging es dem Regisseur wohl nur darum, einen speziellen Menschen und seinen Weg nachzubilden, was auch eindrucksvoll gelungen ist.
Das führt dazu, das man aus der Distanz den Aussteigertraum mitträumen kann, jedoch die mögliche dicke Moral nicht mit dem Zeigefinger ausgeliefert bekommt, was an sich recht angenehm ist, wenn sich auch die Spannungskurve bei 140 Minuten Road Trip manches Mal eine Auszeit gönnt.
Nichts für Leute, die solche Geschichten lieber kritisch durchleuchten oder mit ihren eigenen Vorstellungen vom modernen Leben in Einklang bringen – stattdessen kann man drin schwelgen und den Fall so nehmen, wie er geschehen ist – als Einzelfall, nicht als generelle Maxime – bitter, aber logisch; traumhaft, aber individuell. Etwas Geduld muß man haben, aber die Schönheiten der Welt werden niemandem einfach so in de Schoß gelegt.
McCandless mußte das am eigenen Leib erfahren. Beachtlich, stellenweise beeindruckend. (7,5/10)