Heute ist nicht aller Tage Abend. Das stellen zumindest schon immer mehr Kino-Charaktere fest, die nach dem gelösten Fall schlafen gehen, morgens aufwachen und merken: Hey, ich bin im Sequel!
Harold Crick, tragische Hauptfigur der doppelbödigen Komödie “Schräger als Fiktion”, ist diesbezüglich also inzwischen schon eine Ausnahme - nie war die Überlebenswahrscheinlichkeit eines fiktionalen Charakters nämlich so hoch wie heute. Wer heute erfunden wird und gut ankommt, der darf sich wirklich glücklich schätzen. Was wie ein Spiegel auf unsere Anti-Fett-Anti-Rauchen-Gesundheitsgesellschaft anmutet (Hauptsache: Überleben), ist in Wirklichkeit pures Kommerzdenken. “Rush Hour 4" ist jetzt schon beschlossene Sache, wenn das Publikum nur “Ja” sagt. Man hätte ja auch à la “Matrix” oder “Fluch der Karibik” gerne sofort einen vierten Teil mitgedreht, um Kosten zu sparen, aber man ist wieder ein wenig vorsichtiger geworden im Reiche Hollywood und es ist auch einfach nicht das Vertrauen da, dass der Überraschungserfolg von “Rush Hour” ewig währt.
Keiner war übrigens überraschter über den merkwürdigen Geschmack der Amerikaner als Hauptdarsteller Jackie Chan selbst, der sich über die Franchise nicht unbedingt sehr wohlgesonnen auslässt und damit im Grunde ja auch Recht hat. Gibt es noch Überflüssigeres als “Rush Hour 3"? In diesem Jahr vielleicht nicht mehr. Aber genau das dreht sich zum Vorteil von Brett Ratners Kommerzreihe. Sie ist dermaßen redundant, dass sich durch einen schlechteren Ableger überhaupt nichts zum Negativen verändert. Wiedersehen macht Freude, mehr ist besser als weniger. In diesem Sinne: Willkommen zurück, Jackie und Chris.
Denn Butter bei die (gefillte) Fische: Nachdem Jackie in den USA war und Chris in Hongkong, ist das Yin-Yang schön gleichmäßig ausgefüllt und ein dritter Teil wird unweigerlich zum Anhängsel. Aber ist das lästig, das Anhängsel? Nö, eben nicht! Nach und nach arbeitet sich die Reihe eine totale Unabhängigkeit von den ihr zugrundeliegenden Stories zurecht und mehr und mehr wird “Rush Hour” das “Lethal Weapon light”, ernährt sich ausschließlich von seinen unverzichtbaren Buddies und den vielen Insidern, die sich irgendwann automatisch in jedem Sequel-Kontinuum ergeben. Nur eben ohne den extremen Kultfaktor der Gibson / Glover-Filme, deren dritter Teil (!) übrigens in der Opening Sequence zitiert wird.
Die totale Loslösung von allem, was zu einem vollwertigen Filmerlebnis gehört, nimmt man die ersten Male negativ auf und wie schon “Rush Hour 2" zuvor ist auch “Rush Hour 3" im Grunde wieder ein ganz schlechter Film - verhältnismäßig schwach eingefangene Action, für die sich Jackie wahrscheinlich schämt und Heimweh kriegt, eine dumme Story ohne Sinn und Überraschungen, Witze mit Bart (und zwar nicht Bart Simpson, wohlgemerkt). Aber man nimmt bestimmt die nächste Gelegenheit wahr, den Einsatz in Paris ein zweites Mal zu sehen, ein drittes Mal - und bald fühlt man sich abhängig davon, alle zwei, drei Jahre mal wieder einen Rush Hour-Filmabend mit der kompletten Trilogie zu veranstalten. Die Marotten Chans und Tuckers und die ständigen Insider werden zur Marotte des Zuschauers. Die Tanzeinlagen und der Michael Jackson-Gesang Tuckers, die sexy Gaststars (Roman Polanski spielt einen Polizisten... neeeeein, gemeint ist natürlich das französische Model Noémie Lenoir), der Siegertanz zum Ende, der einst mit “Uh, ah, what is it good for...” begann. All das schaut man sich gerne an, auch wenn es - oder gerade weil es - im Angesicht eines John McClane mit Hacker-Buddy im Hi-Tech-Plot schon ein klein wenig anachronistisch wirkt.
Trotz allem ist Teil 3 der bisherige “Tiefpunkt”, wenn man so will. Alleine die Idee, nach Frankreich zu düsen, dort einen Chinesen und einen Afroamerikaner mit einem französischen Taxifahrer einen Culture Clash Deluxe erfahren zu lassen und auch sonst kein Klischee zu vermeiden, das die Buddy-Komödie hergibt, spricht eher dafür, das Kinoticket bei einem Film zu lösen, der wahlweise nicht unbedingt eine “3" im Titel stehen hat. Jackie Chan ist derweil älter geworden und man merkt, wie der “Oh”-Faktor schon immer weiter zurückgeht. Zwar hat der kleine Mann immer noch wesentlich mehr drauf als hier durch den schwachen Schnitt der Actionszenen gezeigt wird, aber tatsächlich beginnt so langsam gar Chris Tucker, seinem Partner die Show auch im Bereich Action zu stehlen. Bei der Taxifahrt ist es vielleicht nicht er selbst, aber doch zumindest seine Filmfigur, die zwischen Auto und Motorrad hängt. Das spektakuläre Finale auf dem Eiffelturm (wiederum: welch Klischee) gehört dann wieder Jackie und seinen Turnübungen auf den Stahlträgern. Aber die Taxifahrt sah man schon besser in den “Taxi”-Filmen und das Grande Finale aus “Shanghai Knights” kann locker mit dem aus “Rush Hour 3" mithalten, war aber eben schon vorher da.
Darstellerisch ist es hingegen erstmals Tucker, der bevorzugt Sympathien abbekommt. Während man sich bislang immer auf die Seite des Chinesen schlug, dessen “Schweigen ist Gold”-Einstellung grundsympathisch erschien, kommt Tucker nach seiner langen Pause (seit dem zweiten Teil hat er keinen Film mehr gedreht) sehr charismatisch rüber. Empfand man ihn bei seinem letzten Auftritt noch als hyperaktives Nervenbündel, dem beim Anblick einer Frau auf der Stelle die Hose platzte, so haben sich die Verhaltensweisen zwar nicht geändert, aber sein James Carter ist zugänglicher geworden und die Chemie zwischen Chan und Tucker profitiert davon durchaus. Chan selbst spielt dabei allerdings nur bedingt mit; ob es nun das Drehbuch schuld ist oder die fehlende Spiellaune, auf jeden Fall ist Inspektor Lee diesmal unbeteiligter am Geschehen denn je, obwohl die kleine Soo Yung von damals wieder im Fadenkreuz der Bad Guys ist, inzwischen als junge Frau.
Fazit:
Grundsätzlich ist es doch so: Wer freiwillig “Rush Hour 3" besucht, weiß ganz genau, worauf er sich dabei einlässt. Ratners Lego-Landschaft bekommt einen weiteren Baustein verpasst, so einfach ist das. Lees und Carters Aufenthalt tut niemandem weh, er verlängert lediglich das fiktive Leben der beiden Charaktere. Der Film dahinter ist schwach, das ist aber ehrlich gesagt gar nicht mal so wichtig. Im Kino mag das noch nicht so deutlich werden, aber wenn die DVD dann später erst mal rotiert, wird es klarer.
Uh... ah... What Is It Good For? Absolutely Nothing!