Review

Und täglich grüßt der Tod 

Bereits mein zweiter Film am Fantasy Film Fest 2007 war eine überaus positive Überraschung, ein Highlight und ganz nebenbei eine Weltpremiere.  

Die Rede ist von Dario Pianas „The deaths of Ian Stone“.  

Da mich die Grundidee des britischen Films – einen Menschen Tag für Tag zu töten und ihn jeweils an einem anderen Ort bzw. in einem anderen Leben wieder auftauchen zu lassen, nur um ihn erneut grausam um die Ecke zu bringen- schon im Vorfeld interessiert und begeistert hat, bin ich zugegebenermaßen nicht ohne eine gewisse (oft trügerische und gefährliche) Erwartungshaltung ins Kino gepilgert.
Im Normalfall bemühe ich mich nämlich, seit einigen Jahren, dem Gros der Filme, die auf meinem geschulten Radar auftauchen, mit ausgeprägter Gleichgültigkeit entgegenzusehen, um nicht wie so oft, auf Grund eines sensationellen Trailers oder überschwänglicher Kritiken einen zumindest passablen Film zu erwarten und doch aufs bitterste Enttäuscht zu werden.  

Aus eben diesem Grund hatte es “The deaths of Ian Stone“ von Natur aus schwerer mich zu begeistern, als andere, ähnlich gestrickte, Horrorproduktionen, in die ich keinerlei Hoffnungen setze. 

Trotz dieser, nicht ungefährlichen, Erwatungshaltung konnte mich die britische Produktion, die mir wie eine Mischung aus dem Indiehorrorstreifen „Reeker“, der düsteren Zukunftsvision „Dark City“ und der hintergründigen Komödie „Und täglich grüßt das Murmeltier“ vorkam, auf der ganzen Linie überzeugen.  

Ian Stone (Mike Vogel, „Poseidon“, „Texas Chainsaw Massacre“ - Remake) lebt den Traum eines jeden Jugendlichen. Er ist ein erfolgreicher Eishockeyspieler, ist bei allen beliebt, hat eine bildhübsche Freundin (Christina Cole, Minirolle in „Casino Royal“) und führt ein behagliches Leben. Doch heute scheint alles schief zu laufen. Er verliert ein Eishockeyspiel auf Grund eines lächerlichen Fehlers der Spieluhr, wird von seinen Mitspielern bedroht und fühlt sich, auch nach dem Spiel, beobachtet, fehl am Platz und unwohl. Zu allem Überfluss entdeckt er, auf dem Heimweg von seiner Freundin Jenny, eine reglose Gestalt, auf den Schienen eines Bahnübergangs. Als er sich der bewegungslosen Person nähert, überschlagen sich die Ereignisse und Ian erwacht, nach einer (normalerweise) tödlichen Begegnung mit einem Zug, auf seinem Schreibtisch, in einem anonymen Bürogebäude. Jenny ist plötzlich seine Arbeitskollegin und er wohnt mit einer Frau namens Medea (Jaime Murray, „Botched“) zusammen, die er offensichtlich nicht wirklich kennt.
Hat Ian diesen Vorfall wirklich erlebt oder hat er nur geträumt bzw. sich alles eingebildet?
Was folgt sind Paranoia, wirre Erinnerungen, vielfältige Abgänge und ein stetiger Lebensqualitätsabstieg mit jeder neuen Wiederauferstehung.  

Dario Piana ist ein (international) noch weitgehend unbeschriebenes Blatt und sein einziger, mir bekannter (und auf imdb.com gelisteter) Film - „They only come out at night“ - ist ein italienischer Thriller, der immerhin schon knapp 20 Jahre am Buckel hat. Trotzdem merkt man dem Regisseur keinerlei Unsicherheiten an, sondern kann sich (ganz im Gegenteil) des Gefühls nicht erwähren, dass Piana zumindest schon 50 Filme dieses Genres und Formats gestemmt haben müsste, um solch einen qualitativ überragenden Film auf Zelluloid bannen zu können.
Vor allem gegen Ende des Horrorstreifens beweist er Talent, als er Ian Stone noch einmal - in einer sensationell gefilmten und geschnittenen Sequenz - alle vorherigen Orte/Welten/Plätze/Leben besuchen lässt.  

Die drei Hauptdarsteller Mike Vogel, Jaime Murray und Christina Cole bewegen sich eher im unteren Bekanntheitsgrad und können bis auf Vogel auf keinerlei größere Rollen zurückblicken.
Murrays Traumkörper habe ich interessanterweise aber am Festival noch in einem zweiten Film, dem Funsplatter „Botched“ (der ebenfalls zu den Topfilmen des diesjährigen FFFs zählt) beobachten können bzw. dürfen.
Vogel ist zurzeit einer der aufstrebenden Hollywoodjungstars und wird seinen Starstatus sicherlich mit dem mysteriösen, noch namenlosen, Endzeitspektakel von J.J. Abrahms mit dem Arbeitstitel „1-18-08“ festigen können.
Christina Cole hat nach einigen TV Auftritten und einem Gastauftritt als Rezeptionistin in „Casino Royal“ immerhin bei „The deaths of Ian Stone“ bereits eine tragende Rolle übernehmen können und man darf auf ihre nächsten Projekte gespannt sein. 

Was mich sonst noch beeindruckt hat:
·          Die kreative Handlung wird optisch fulminant umgesetzt und es gibt wohl nur wenige Filme, die es in dieser Beziehung mit „The deaths of Ian Stone“ aufnehmen können.
·          Die Effekte, für die sich Stan Winston – der auch ausführender Produzent des Films ist - und seine legendäre Effektschmiede (Kostüme für „Star Wars“, Make-up für „Terminator 2“) verantwortlich zeigen, sind State of the Art und für eine Produktion dieser Größenordnung mehr als nur beeindruckend.
·          Die verschiedenen Orte an denen Ian Stone im Laufe der Handlung erwacht, sind ideal an die jeweilige Filmstimmung angepasst und virtuos in die verschiedenen Sequenzen integriert.
·          Die Todesszenen sind nicht nur kreativ, blutig und schwarzhumorig sondern auch realistisch und perfekt inszeniert.
·          Die vorherrschenden Farben sind überwiegend grau und düster, was aber gut zur Stimmung des Films passt. 
·          Die allumfassende Bildqualität übersteigt das generelle B-Movieniveau um Welten.
·          Und die Kameraarbeit ist vorbildhaft und nie zu hektisch.  

Im Grunde passt der Film wie die Faust aufs Auge zu den vielen britischen Produktionen, die in letzter Zeit in rauen Mengen zu uns und nach Amerika schwappen. „Severance“, „Shaun of the dead“, „Wilderness“, „Hot Fuzz“ und „The Descent“ wären wohl die bekanntesten und repräsentativsten Beispiele unter ihnen.  

Somit ist der Film auch stilistisch typisch (neu-)britisch.
Er ist einerseits frech, innovativ, blutig und gibt neuen Gesichtern eine Chance, ist aber andererseits auch sehr von Hollywood beeinflusst und mit etlichen leichten Flüssigkeitsmängeln und einem wenig innovativen Finale gesegnet. 

Die Auflösung der Geschichte präsentiert sich nämlich optisch genial, aber leider etwas zu überhastet und unoriginell und steht somit im Gegensatz zur Qualität des restlichen Films. Am Ende von“ The deaths of Ian Stone“ bietet Dario Piana zu viele Einstellungen mit den mysteriösen Wesen -  die irgendwie wie eine Mischung aus dem Tod aus „Reeker“ und dem Werwolfvampirhybrid Michael aus „Underworld“ aussehen – und verlässt sich nicht auf den zuvor super aufgebauten Mystery plot.
Hier wäre meiner Meinung nach weniger mehr gewesen

Eine Aufwertung erfährt der Film aber auf Grund der tollen Leistung von Mike Vogel, der wahnsinnig gut umgesetzten Idee und der Schärfe von Murray. 

Fazit:
Was soll ich groß sagen.  

Der Film hat mich durch seine angenehme Länge, die wahnsinnig interessante und innovative Idee, die super Effekte, die blutige und gleichermaßen spannende Umsetzung und das intensive Spiel der tollen Darsteller auf der ganzen Linie überzeugt.

Man bekommt wenig Zeit Luft zu holen, aber atmen ist so und so was für Weicheier

Nachsatz:
„The deaths of Ian Stone“ war sicherlich der beste Beitrag meines ersten Tages am FFF und, gemessen an dem andauernden Applaus am Ende, auch ein wirklicher Publikumsliebling.

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