Review

Zu dem Spielfilmdebüt der bisherigen Videoclip-Regisseurin Susie Au, die bevorzugt die zerbrechliche Musik der Soundartisten Anthony Wong Yiu-ming oder Faye Wong in ähnlich unhomogene Montagen umgesetzt hat, fällt Einem leider nicht allzu viel ein. Vielleicht eine Bestätigung von Vorbehalten, die das Werk im voraus mit gewissen Zweifeln hinsichtlich der Aussagekraft bzw. des Fehlens davon begleitet haben. Natürlich kam kein gewöhnlicher Film im Sinne einer festen Genrezugehörigkeit dabei heraus, keine zuordbare Schublade, die allein mit mechanischem Handwerk nach soliden, ja konventionellen Anweisungen gefertigt wurde. Sondern eben etwas vermeintlich ganz Besonderes. Es wäre gern ein kommerzieller Kunstfilm. Ein Popmärchen mit höchst handzahmen Martial Arts Choreographien. Eine Kleinmädchenphantasie, die sicherlich in den Vorstellungen der Regisseurin, vielleicht auch in ihren geheimsten Träumen mit viel Gefühl und Verlangen, emotionaler Wirkung und hoher Halbwertszeit die elementarsten Wünsche im Leben ansprechen und greifbar machen möchte. Nur wie es bei Träumen so ist: Man kann sie schlecht teilen und fast noch schlechter in Worte fassen. Das Aufnahmegerät dafür existiert noch nicht; weder zum Speichern noch zum Vervielfältigen und Verbreiten. Und fremde Worte und beschreibende Bilder allein haben als äußere Hilfsmittel selten die Faszination, die der [Wach]Träumende in seiner ureigenen Phantasie damit verbunden hat.

Regisseurin und Autorin Au fällt naiv auf diesen Trugschluss herein. Sie möchte den Zuschauer etwas erzählen, was wie die schönsten und bewegendsten Filme von der Suche und Finden der Liebe und der Erlangung der Freiheit handelt, versteckt diese Weisheit hinter einem selbstsüchtig-sehnsüchtigen Wulst von repetierenden Grafik- und Musikcollagen und leeren Worthülsen und verliert sich in die Einfältigkeit. Eilig, vollgestopft und undankbar. "Whatever will be will be" und "Be there or be square" als die vielleicht noch bahnbrechendsten Dialogfetzen; zumindest sind das die Sätze, die sich am ehesten und nachhaltigsten einprägen und so das Unbewusste zu oft in die Trivialität ausgrenzen.
An der Geschichte selber liegt es dabei nicht. Warum auch, sind doch alle Geschichten gleich. Es liegt daran, dass man lange nichts daraus macht:

Der Undergroundboxer [ Daniel Wu ] wird vom Gangsterboss Cat [ Jeff Zhang ] als Problemlöser eingesetzt. D hat aber höhere Ziele, vor allem will er nach Harbin im Nordosten Chinas; einen Schwerindustriestandort russischer Architektur mit acht Monaten Winter. Und er will 5 Millionen Dollar. Das Geld beschafft ihm MingMing [ Zhou Xun ], die den Betrag von Cat klaut und ihm dabei gleich eine mysteriöse Box entwendet. Dieser entsendet seinen Schergen Mousey [ Ricky Chan Bo-yuan ], der allerdings von Nana [ ebenfalls Zhou Xun ] und ihrer Zufallsbekanntschaft Tu [ Tony Yang ] verwirrt wird. Alle begeben sich nach Shanghai, was eine Kaskade von Reaktionen in Gang setzt, aber nur selten poetische Stärke erreicht.

Die pittoreske Hauptstadt bildet nach einem kurzen Gesprengsel im prologstellenden Hong Kong den geographischen Rahmen. Zeitlich ist die orange-schwarze Vernissage weniger sensibel angesiedelt; schon im Neuen Jahrtausend, allerdings einem nicht allzu festgelegten Spektrum, indem sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft überschneiden. Vielleicht schreibt man 2046. Ein urbaner Märchenort, der die Ritter auf dem weissen Pferd und die Prinzessinnen bloss in moderner Kluft beherbigt und ansonsten die Gut-gegen-Böse Struktur indirekt von den Gebrüdern Grimm, den wuxia-Novellen und dem Kantonesischen Kino der 60er Jahre gleichermassen aufnimmt und blendend die Flucht aus der Wirklichkeit illustriert. Wer nach Logik fragt, hat den Sinn nicht verstanden. Trotzdem ist der Film in seiner Künstlichkeit zuweilen zu weltfremd. Zu gezwungen, zu blumenreich, auch zu impertinent. Neuling Au vertraut weder ihren Gefühlen noch den eigenen Bildern und reiht sie rastlos wie im Takt des Herzens aneinander, um nur selten dessen schonungslos-aufwühlenden Rhythmus erreichen zu können. Kein heisskaltes Flimmern erfasst den Zuschauer, wenn sich die Figuren auf den ersten Blick verlieben und sofort das Haar und Bett zerwühlen. Kein Schmerz senkt sich auf die Brust, beisst sich unbarmherzig seinen Weg vom Oberkörper in den Magen hinein, wenn man merkt, dass der Geliebte die Gefühle nicht erwidert und jede Hoffnung schlagartig aufgibt.

Stattdessen werden autistisch erscheinende, alle optische Varianten ausnutzende Ablenkungsmanöver gestartet, die als schamlose Eigenwerbung den subjektiven Blick auf die Figuren ersetzen und ihnen trotz technischer Betriebsamkeit ihr Bestehen und Dasein nehmen. Umgekehrt proportional zu der maximalistischen Reizüberflutung, der Modeparole und der detailobsessiven Überdefinition des visuellen Feldes sind die seelischen Aktivitäten der Mitspieler, deren viel menschlicher Grundwert fehlt.
Nach wenigen Worten und Taten wird sich vermehrt auf dem Hotelzimmer ausgeruht. Nach jedem Spurt vor den Häschern folgt ein Rückzug in die Stille. Meist allein und abgeschottet wird in den fremden vier Wänden gesonnen und gesponnen, aufs Handy geschaut, gewartet, die Zeit vertrieben. Posierend in einer degenerierten Form des Theaters. Sie werden nicht plastisch, nicht fühlbar, erfahren kein weiteres Leben; zu nichtssagend, unartikuliert, angekränkelt, kalt ihre Darstellung. Unsympthisch, ja gleichgültig.
Gespenster der Leinwand, schwach pulsierend, vielfach fragmentiert beinahe dem Tod nah.

Cat gab einen Befehl und harrt nun auf Rückmeldung. Mousey kuriert eine beizeiten eingefangene Verletzung aus, wobei er nicht vergisst, den restlichen Körper zu stählen. D streift durch die Millionenmetropole, parliert mit seinen unzähligen Mätressen und sucht nach seiner lange verschwundenen Mutter. MingMing und Nana, die unabhängig voneinander in ihn verliebt sind - Jede Frau ist in D verliebt, allerdings können die Beiden nicht teilen - üben sich mühsam in Geduld.
Tu lässt sich herumschubsen.

Tu ist gleichsam der Zuschauer. Er ist Wir. Der Unbeteiligte, der für den Moment in das Geschehen gezogen wurde und ohne Widerrede folgte. Dabei ist er einer falschen Voraussetzung erlegen, hat er sich doch bei etwas Augenscheinlichem geirrt und seinen Fehler und den Glauben in ein uneingelöstes Versprechen erst später entdeckt. Da Tu aber Jemand ist, der sich ohne eigenes Zutun vereinnahmen lässt, korrigiert er weder sich noch den Anderen und lässt sich treiben. Vor allem braucht er eine weibliche Führungsperson [ = die Regisseurin ], die ihn auch schubsen und herumkommandieren, ihn als Ratgeber, Förderer, Helfershelfer und Randerscheinung ausbeuten kann, ohne ein Bitte oder Danke zu benötigen. Tu ist der Gute in der Geschichte, der trotz aller Hilfsbereitschaft und Willen so wenig Profil hat, dass er nur das dumme Schaf darstellt.
Selbst wenn er den Mund aufkriegen würde, würde sich nichts ändern. Der schale Film läuft weiter.
90min lang braucht er die Interpretation des Zuschauers, um Überleben zu können. Au fordert und argumentiert nicht, ist keine leidenschaftliche Verfechterin der eigenen Thesen. Wartet aber mit einem famosen Twist auf, der noch rückwirkend Impression und Aufklärung verleiht. Und sie schafft im MacGuffin Gewand eines irreal-extravaganten Actioners beeindruckende ästhetische Staffelungen, die dem Betrachter abzüglich der hiesigen Pathosformel und der blutarmen Charaktere formidable Erinnerungsbilder für spätere Träume liefern. Den inspirierenden Grundstoff für die eigenen Filme. Musikalische Untermalung: "Love Songs of Jeff Zhang"

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