Review

"Mit dem Fernsehen haben wir das stabilste System aller Zeiten ermöglicht. Die Leute sind weg von der Straße, sie kommen auf keine dummen Gedanken mehr."

Neben "LIVE!" die zweite aktuelle Themenverfilmung über die Masse der Soaps, Reality-Gameshows und Niveaulosigkeit im Fernsehen. "Free Rainer" stellt zudem die Erstellung und Auswertung der TV-Quoten in Deutschland in den Vordergrund.

Der rücksichtslose und erfolgreiche Fernsehproduzent Rainer (Moritz Bleibtreu) lebt mit seiner hübschen Freundin Anna (Simone Hanselmann) in Saus und Braus in den Kreisen der High Society. Seine Produktionen befinden sich auf niedrigstem Niveau, was von den Zuschauern gerne hingenommen wird. Er kokst, trinkt, benimmt sich wie ein Rüpel... zumindest bis zu dem Tag an dem er durch Pegah (Elsa Sophie Gambard) in einen Autounfall verwickelt und schwer verletzt wird. Denn dieser Autounfall geschah aus Rache für den Tod von Pegah's Großvaters, der sich durch eine Verleumdung in Rainers kreirter Show "Report 24" mutmaslich selbst erhängt hat. Der Versuch mehr Shows und Nachrichten mit informativen und aufklärendem Inhalt dem Massenpublikum zu unterbreiten, schlägt durch katastrophale Quoten fehl. Da er selbst nicht mehr länger bereit ist sein altes Niveau bei zu behalten stellt er sich gegen den Medienapparat und greift mit Pegah und Phillip (Milan Peschel) die Quote selbst an.

Absolut stark und rasant beginnt der Film mit der Vorstellung seiner titelgebenden Figur Rainer. Unterlegt zum Song "Anger" von Downset flucht und rast er über stark befahrene Straßen ohne dabei Verkehrsregeln zu beachten.
Nach der Integration anderer Charaktere flacht das Tempo aber sehr schnell ab, erzählt sich im mittleren Teil schleppend und langwierig und zieht erst im letzten Drittel wieder etwas nach, welches in einem recht vorhersehbaren Finale mündet.

Das Thema der medialen Verdummung ist filmtechnisch recht neu und kommt entsprechend unverbraucht daher. Umso ernüchternder ist der gewöhnliche, standardisierte Ablauf sowie die lineara Erzählstruktur, die wenig Platz für Spielraum lässt.
Priorisiert lebt "Free Rainer" durch seine teils recht skurrilen Figuren die aber weitestgehend blass bleiben. Subplots um diese Charaktere werden sofort im Keim erstickt. Gerade hier wurden viele Möglichkeiten komplexere Figuren und deren Verstrickung zueinander zu generieren verspielt.
Zudem gesellen sich ein paar Logik- / Anschlussfehler, wie beispielsweise ein zerknitterter Zeitungsausschnitt der eine Szene später plötzlich wie glatt gebügelt ist.

Die eigentliche Message, dass auf alle geachtet werden sollte, egal ob auf Mehr- oder Minderheiten, geht am Ende verloren. Denn Rainer bzw. seine Gruppe von Außenseitern stellt als "Minderheit" das TV-Programm für alle um, dabei wollen einige sicherlich das Verdummungsprogramm weiter sehen, auch wenn die Hypothese, dass die Zuschauer zum Schluss selbst gewählt haben im Raum steht.

Die Schauspieler sind zweckmäßig mehr aber auch nicht. Moritz Bleibtreu, Elsa Sophie Gambard und Milan Peschel sind die Zugpferde und einzigen Handlungsträger, wovon man insbesondere ersteren in weit besser entwickelten Rollen gesehen hat.

"Free Rainer" stellt einige Fakten vor, die dem Verbraucher weitestgehend unbekannt sein sollten. Beispielsweise die "Quotenbox" oder GfK-Meter. Dieses Gerät steht in ausgewählten Haushalten und steuert indirekt, durch die Einschaltquoten, was wir hierzulande sehen wollen. Man muss dazu erwähnen, dass nur einige tausend dieser Boxen bei, wie schon erwähnt, ausgewählten Verbrauchern stehen. Darunter befinden sich keine Ausländer. Zudem werden Zweitfernsehgeräte, die meist bei Jugendlichen stehen, nicht berücksichtigt. Denn auch wenn verschiedene Familienmitglieder sich getrennt an dem ausgewählten "Familienfernseher" anmelden können, werden die meisten Jugendlichen ihre Privatsphäre im eigenen Zimmer und vor ihrem eigenen Fernseher vorziehen. Nun stellt sich die Frage wie zuverlässig eine solche Quote ist, die weder flächendeckend noch nach Interessen, Altersgruppen oder Nationalität integriert und gefiltert wird. Und wer bestimmt überhaupt wo solch eine Box steht?
Die GfK (Gesellschaft für Konsumforschung) verteilt GfK-Meter aufgrund von marktforschungsgerechten, telefonischen Umfragen. Inwiefern diese Umfragen verschiedene Interessengruppen abdeckt, verbleibt im dunklen. Schön ist auch zu wissen, dass in dem Ort Haßloch in der Pfalz ein durchschnittlicher Wert für die Wirkung von Fernsehwerbung untersucht und die Neueinführung von Produkten simuliert wird. Falls also jemand bei Neueinführung von Konsumentengütern mitwirken möchte, empfehle ich dort einkaufen zu gehen.

Trotz guter Idee und wichtiger Botschaft bleibt ein schwacher Film übrig. Zu wenig Satire, zu geringfügige gesellschaftliche Kritik und eine langwierige, unspektakuläre Erzählweise trüben den Eindruck und lassen mehr Langeweile als informative Unterhaltung zurück. Das Thema selbst lohnt aber zum späteren erneuten aufrollen.

4 / 10

Details
Ähnliche Filme