Review

Medienkritik braucht immer zwei Seiten: Zum einen die
mediale Oberfläche, zum andern das was dahinter steckt. Die Befreiung Rainers
ist sein Ausbruch aus der Oberfläche der Fernsehwelt. Am Anfang ist Rainer ein
oberflächlicher vollgekokster Yuppie, der als Fernsehregisseur Formate wie „Deutschland
sucht das Superbaby“ (eine Art Superstar Sendung inklusive Eugenik) produziert.


Als Rainer Opfer eines Attentats wird, beginnt sein
Läuterungsprozess. Er versucht nun nach und nach, von der medialen Oberfläche
wegzukommen. Sein erster Versuch ist ein Formatwechsel, von Unterhaltung zur
Aufklärung, von der Oberfläche zum Inhalt. Dieser scheitert natürlich und Rainer
wird entlassen. Doch Rainer lässt die Frage nicht los, was hinter der medialen
Oberfläche steckt, sein nächstes und auch letztes Argument ist die scheinbar
allmächtige Quote.



Er glaubt zunächst, dass die Quote manipuliert sei, doch er
findet mit der Unterstützung seiner Hartz4-Jünger leider heraus, dass dies
nicht der Fall ist. Das Fernsehvolk ist doch dümmer als Rainer gedacht hat.

Die zentrale medienkritische These des ist so abgedroschen
wie banal, wie kennen sie aus den 60er Jahren: Fernsehen macht dumm. Die These
folgt dem Identifikationsprinzip. Die Fernsehzuschauer sind rein passive
Konsumenten, die alles schlucken und alles glauben, was man ihnen vorsetzt.
Dumme Fernsehinhalte erzeugen eben auch dumme Menschen, so die unorginelle
Aussage Weingartners. Im Film werden andere medientheoretische Thesen überhaupt
nicht in Betracht gezogen, dass Zuschauer etwa eine ironische Distanz, gezielte
Auswahl oder Ignoranz dem Fernsehtrash gegenüber einnehmen kann. Für den Regisseur
gibt es einzig und allein die Verdummungsthese. Wie dieses Problem, die
Verdummung der Zuschauer, nun gelöst wird, zeigt gerade Weingartners Naivität.



Da die Quote nicht manipuliert ist, muss sie nun manipuliert
werden. Die Truppe um Rainer beginnt nun damit, die Einschaltquoten zu ändern.
Das scheinbar aufklärerische Motto lautet: Von Verdummung zur Bildung, von „Deutschland
sucht das Superbaby“ zu Fassbinder und Arte. Die Läuterung Rainers, vom
vollgekoksten Yuppie der „Verdummungsfernsehen“ produziert, zum „normalen“
nüchterne Bürger der nun Bildung favorisiert, wird nun auch der Fernsehnation
aufgezwungen. Weingartner folgt dem Prinzip der Verallgemeinerung „Free Rainer“
bedeutet in der Konsequenz „Free Deutschland“. Und Tatsache, der „neue deutsche
Frühling“ setzt ein, und die Wetterlage ändert sich nicht einmal mehr, als
Rainers Fernsehguerilla nicht mehr in der Lage ist die Quoten technisch zu
manipulieren.

Doch welche Aussage bleibt übrig? „Nur die Quote zählt“. Was
heisst das? Rainers Truppe manipuliert die Quote, und stärkt damit bestimmten Fernsehgeschmack,
was nichts anderes bedeutet, dass das Publikum genauso unmündig wie zuvor
bleibt, sie schlucken genauso unreflektiert das „neue gute“ Fernsehprogramm,
wie sie vorher den Trash geschluckt hatten. Die Fernsehnation bleibt im Grunde genauso
dumm und fernsehgläubig, jetzt aber auf bildungsbürgerlichem Niveau.



Lange Rede kurzer Sinn: Weingartner reproduziert eine
naiv-romanstische Medienkritik der 60er Jahre, und unterbietet damit sein
früheres Werk „Die Fetten Jahre sind vorbei“, indem wenigstens noch eine kritische Auseinandersetzung
mit der - typisch deutschen - romantischen
Gesellschaftskritik stattfindet.
3/10

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