Michael Myers, eine der einflussreichsten Figuren der Horrorgeschichte? Zu nennen in einem Atemzug mit Nosferatu, Graf Dracula oder Frankenstein? Aber klar doch, denn eine so beängstigende, weil fast gar nicht charakterisierte Figur gab es bis zu ihrer Entstehung noch nicht. Natürlich gab es Leatherface, den kranken Irren aus dem Kettensägenmassaker in Texas, wobei im Wort Texas bereits der Schlüssel zum erheblichen Unterschied der beiden Figuren liegt. Leatherface ist Teil einer Hinterwäldlerfamilie aus Texas, wohingegen der Original Myers aus ganz normalem Umfeld direkt aus der uns vertrauten Nachbarschaft stammt, direkt aus unserer Mitte. Leatherface' Familie und ihre Taten lassen wenigstens noch wage Vermutungen hinsichtlich ihrer Motive zu. Sie sind Ausgestoßene, nicht anerkannt von der Gesellschaft, geschweige denn integriert in sie (weil sie in ihrem abgelegenem Wohngebiet nie eine Chance dazu hatten) und wollen irgendwie ihren Frust hinsichtlich dieses Faktes kompensieren, indem sie auf arme Touristen losgehen. Sie lassen sich aufgrund ihrer erklärbaren Handlungen im Bezug auf die Wirkung, die sie auf uns Zuschauer haben, ganz gut mit dem Wort "fassbar" zusammenfassen. Michael Myers hat allerdings keinen psychologisch untermauerbaren Grund, warum er im Alter von 6 (!) Jahren seine ältere Schwester ermordet und dann 15 Jahre später nach einem langen wortlosen Aufenthalt in einer geschlossenen Anstalt wieder in seiner Heimatstadt Haddonfield auftaucht, um seine andere, mittlerweile 17 Jahre alte, Schwester zu ermorden. Aufgrund des fehlenden Motives kann man Myers somit als "unfassbar" bezeichnen. Die Bezeichnung "Schwarzer Mann" ist somit für Myers ziemlich treffend, da eben dieser schwarz und im Dunkel der Nacht verborgen auf uns lauert, und in unseren Gedanken in unsere Häuser kommt, um nachts in unseren Schlafzimmern auf uns zu lauern. Er verkörpert das Dunkle in unserer Seele, das uns immer wieder in tiefe Furcht versetzt. Genau das hat John Carpenter's Horrorfilm so beunruhigend gemacht und hat ihm neben der unheimlich intensiven Spannung den letzten Schliff verpasst. Neben der Spannung und dem Reiz des Unfassbaren barg "Halloween" allerdings noch einen anderen äußerst beängstigenden Aspekt in sich: dieser Myers verfolgte seine Opfer nämlich von der Straße, auf der man ungeschützt vor Kälte und Gefahren war, hinein in die wärmenden schützenden Häuser, selbst in den dunklen Kleiderschrank, und nahm ihnen ihre letzten Zufluchtsorte. Einer der besten Horrorfilme aller Zeiten wurde durch all diese Faktoren geformt. Hätte Rob Zombie dies erkannt, hätte es eventuell auch mit der Neuverfilmung etwas werden können.
In seiner Neuinterpretation der Geschichte um den mordenden Mann mit der ausdruckslosen Maske, kommt Michael natürlich aus einer abgefuckten White Trash-Familie, deren männliches Oberhaupt ein abstoßendes Ekel ist, das den ganzen Tag nichts Besseres zu tun hat, als Michael und den Rest der Familie zu beschimpfen und zu demütigen. Michaels Mutter ist natürlich eine Stripperin, die im Grunde versucht damit so gut, wie's geht über die Runden zu kommen. Seine große Schwester genießt einen Ruf als Schulschlampe und Michael selbst baut seinen Frust über all das natürlich mit Tierquälerei ab. Damit wäre eigentlich schon alles gesagt, denn was jetzt noch kommt ist nur noch belanglos und traurig. Zombie zeigt, wie der kleine Michael seinen (Stief)vater tötet, den Freund von seiner großen Schwester und seine große Schwester gleich mit (nur seine kleine Schwester Laurie verschont er), daraufhin in die Psychiatrie kommt, eine Krankenschwester tötet, 15 Jahre später ausbricht, dabei wieder eine Menge Leute tötet und nach Haddonfield kommt, um seine vor 15 Jahren verschonte kleine Schwester umzubringen und dabei wieder eine Menge Leute tötet, um am Ende selbst getötet zu werden. Die Monotonie, die sich in diesem letzten Satz erkennen lässt, zieht sich auch durch den ganzen Film, da eigentlich immer das Gleiche geschieht, nur eben immer etwas anders. Das ist auf Dauer langweilig und wenn Michael ein Opfer unter Wasser drückt, wieder raufholt, wieder unter Wasser drückt, wieder herauf holt, wieder unter Wasser drückt, wieder herauf holt, ihn auf den Boden wirft und als Krönung einen Fernseher nimmt und diesen direkt auf sein Gesicht schmeißt, beschleicht einen das Gefühl das nicht Michael Myers diese sadistischen Tötungsszenarien auslebt, sondern Rob Zombie selbst. Dieser hält nämlich in jeder Mordszene immer sekundenlang genau auf das in Massen sprudelnde Blut und die Wunden. Keine echte Überraschung, denn schon in "Haus der 1000 Leichen" und "The Devil's Rejects" trug er ein starkes Fable für Gewalt und Blut nach außen, sowie auch für das Böse an sich. In seiner Neuverfilmung fixiert er sich hauptsächlich auf Michael und nicht auf Laurie, wie es im Original war. Er endmystifiziert Myers mit all den hobbypsychologischen Ansätzen und dem ständigen Beobachten des Killers. Im Original bekam der Zuschauer Myers erst spät zu Gesicht, was seinen mysteriösen Touch noch verstärkte.
Als recht interessant kann man die Erörterung von Michael Myers Motiven durchaus erachten, Zombie zieht diesen Ansatz jedoch nicht konsequent genug durch, um das Remake zu einer sinnvollen Ergänzung zum Original zu machen, wenn es schon keine zeitgemäße Neuverfilmung sein kann. Schockmomente und Blutlarchen gibt es viele, sodass der Slasherfan und der Gorehound gar nicht mal so unbefriedigt davon kommt. Jedoch hätte Zombie sich lieber nicht "Halloween" zu Befriedigung seine Gewaltaffinität aussuchen sollen, denn die Figur des Michael Myers so zu verunstalten, ist der Vorlage schlicht und ergreifend nicht würdig.