Wenn man sich am Remake eines gestandenen Horrorklassikers versucht kann man in der Regel nur verlieren. Neuaufpolierungen kommen beim Mainstream-Publikum zwar gut an, meistens fallen sie bei Hardcore-Fans der Originale und bei Kritikern aber gnadenlos durch. Remakes wie „Dawn of The Dead“, „The Hills Have Eyes“ und „The Texas Chainsaw Massacre“ überzeugten trotz einer gewissen Seelenlosigkeit mit hohem Unterhaltungswert und machten mir allesamt auf unterschiedlichem Niveau Spaß. Mit „Halloween“ kommt nun ein weiteres unerhört kurzweiliges Remake, welches in der aufpolierten Version aber neben der stylischen Optik mit bisher ungeahnter dramaturgischer Eigenständigkeit aufwarten kann. Symbolisch für den neu eingeschlagenen Weg steht die ehemals rein weiße Maske Myers’, die nach Jahren der Vergessenheit verdreckt ist – ebenso ungewaschen und roh wie eben jene Maske wirkt auch das „Halloween“-Flair im Jahr 2007.
Rob Zombie zeichnet den Charakter von Myers wesentlich tiefer, Schmährufe aufgrund der Entmystifizierung des unsagbar bösen, undurchsichtigen Killers sind da schon vorprogrammiert. Als Carpenter-Purist kann man sich an unzähligen Details aufhängen, doch bei aller Liebe zum Original: Drehbuchautor und Regisseur Zombie macht das einzig richtige, er geht eigene Wege. Myers entstammt nicht wie im Original aus einer gutbürgerlichen, typischen Vorortfamilie sondern wächst unter wesentlich schlechteren Bedingungen auf. Familie Myers gehört zur White Trash Schicht, wohnt in einer Baracke. Der Vater ist tot, während die Mutter mit einem Ekel zusammen ist, seine große Schwester interessiert sich nicht für den kleinen Michael und in der Schule wird er gehänselt. Die hier geschaffene psychologische Grundlage bedient sich wenig subtil bei den üblichen Serienkillerklischees, inklusive der Tötung junger Tiere. Über die schablonenhafte Psychologisierung sollte man hinweg sehen, schließlich handelt es sich um einen Horrorfilm und nicht um eine seriöse Charakterstudie.
Das Michael Myers seine dunkle Aura behält verdankt er mehreren Aspekten: Seiner hünenhaften, grobschlächtigen Person als Erwachsener, doch auch in Kinderjahren umgibt den Mörder schon eine düstere Ausstrahlung. Wenngleich er als Kind noch relativ unbeschwert wirkt und offen mit Dr. Loomis redet, so verschlimmert sich sein Zustand zunehmend durch die Gefangenschaft in der Psychiatrie. Offenbar ist es unmöglich die fortschreitende Verzweiflung des Kindes abzuwenden, was in Michaels berühmten, dämonischen Schweigen endet. Das Motiv der Maskierung zur Verschleierung seines Selbst kommt durch Michaels einzige Leidenschaft zur Geltung, er fertigt über die Jahre hunderte verschiedene Masken an und will nicht ohne eine solche unter Menschen. Etwas plump gerät die Fluchtmöglichkeit aus der Psychiatrie, die eine selbstzweckhaft anmutende Vergewaltigung einer Insassin durch zwei Wärter beinhaltet.
Schauspielerisch bewegt sich alles in einem soliden Bereich, während die flach gezeichneten Teeniedarsteller nicht wirklich beweisen können überzeugt Malcolm McDowell als Dr. Loomis und tritt würdevoll in die Fußstapfen des verstorbenen Donald Pleasence. Als junger Michael schafft es Tyler Mane trotz Metal-Matte und Kiss-T-Shirt sowohl kindliche Naivität zu vermitteln als auch abgrundtiefe Bosheit, was in den sehr harten Mordszenen grauenhafte Entladung findet. Seine Leistung ist weit überdurchschnittlich, besonders in Bezug auf das mit schlechten Kinderdarstellern geplagte Horrorgenre. Nette Gastrollen übernehmen unter anderem Danny Trejo (als einzig sympathischer Psychiatrie-Aufseher) und Udo Kier, wie so oft als unterkühlter Egomane, nur auf den eigenen Vorteil bedacht. Doch ohnehin ist „Halloween“ wie auch viele andere Genrefilme kein Film der in erster Linie von seinen Schauspielern zehrt sondern auf Unterhaltung und Effektivität setzt.
Glücklicherweise verzichtet Zombie in seiner Inszenierung auf gängige Videoclipästhetik und hebt sich mit seinen eindringlichen Bildern weit ab von der Masse der typischen Werbefilmer, die leider in der Regel mit solchen Projekten betraut werden. Das Rob selbst ein großer Fan des Horrorfilms ist zeigten schon seine vorigen Regiearbeiten „House of 1000 Corpses“ und besonders der großartige „TDR“ und nur deshalb funktionieren seine Plotvariationen so ausgezeichnet. Die kantige Ungeschliffenheit mit der er eine Geschichte erzählt kommt dem ausgelutschten Franchise wie gerufen und hat nicht viel gemein mit dem glatten Stil eines Marcus Nispel oder auch Darren Lynn Bouseman („Saw 2-4“). Seine Neuinterpretation entfaltet eine völlig eigene Suggestivkraft, die sich im Schlussdrittel aber auch einige Anleihen beim Original erlaubt und mehrere Szenen Revue passieren lässt. Während Michaels Mordserie wackelt die Kamera teilweise heftig, schnelle Schnittfolgen wechseln sich ab mit moderaten, langsam aufgebauten Sequenzen. Was den Gewaltpegel angeht, so setzt Zombie für Halloween-Verhältnisse neue Maßstäbe, paart seinen bevorzugt terrorisierenden Stil kongenial mit der gnadenlosen Spannungsschraube des traditionellen Slasher-Movies.
Bei aller konsequenten Härte scheut sich das Remake nicht, echte Emotionen zu entfalten und auch der Hauptfigur Michael eine Seele zuzugestehen. Schon immer blieb unklar was den Hass auf seine eigene Familie entfachte, die von Carpenter rar gesäten Andeutungen werden aber im Prinzip übernommen und ausführlich gezeigt. Seine liebende Mutter (Sheri Moon Zombie) zerbricht an ihrem gewalttätigen Sohn und Selbstvorwürfen, lässt nach ihrem Selbstmord nur ein unschuldiges Baby zurück. Der Selbstmord der Mutter findet offscreen statt und entfaltet durch diese Zurückhaltung sowie durch Sheri Moons gute Darstellung emotionale Tiefe. Laurie Strode wird zum Nebencharakter degradiert, eine der charakteristischsten Neuerungen: Michael ist die Hauptperson, nicht Laurie. Erfreulich mutig beugt sich dieser Tatsache auch der erzählerische Aufbau, der viel Raum lässt für die Kinderjahre und sich erst spät zum schnellen Speed-Slasher der neuen Generation entwickelt.
Spoiler
Tragisch ist auch der für die Kinoversion leider verworfene Schluss: Michael verschont seine Schwester, wollte ihr anscheinend auch nichts zu tun, giert nach emotionaler Bindung und Liebe, ist aber abgestumpft durch die eigenen inneren Dämonen und die Jahre der Einsamkeit. Dennoch wird er erschossen und stirbt seinen bisher besten Tod, für einen billigen Schlussgag war Rob Zombie nicht zu haben. Sein Film verklingt leise und mit großem Respekt vor Carpenters unsterblichem Klassiker.
Spoiler
Fazit: Rob Zombie ist möglicherweise die Rettung des modernen Horrorfilms, was seine überzeugende Interpretation des Carpenter-Klassikers beweist. Wie gesagt werden sich Puristen garantiert an dem Film stoßen, letztendlich sollte man sich aber selbst als eingefleischter Fan einem neuen Ansatz gegenüber öffnen denn Zombie hat sich wirklich Mühe gegeben und kein oberflächliches Remake von der Stange abgeliefert.
Dafür 09 / 10
An der musikalischen Untermalung hat sich Rob Zombie übrigens nicht beteiligt, seine Erfahrung in diesem Metier macht sich trotzdem bemerkbar, hervorragend gewählte Klassiker wie „Love Hurts“ ergänzen die Originalmusik von Tyler Bates und das nur leicht veränderte klassische Titelthema.