Nur wenige Genres sind so oft totgesagt worden wie der Western seit Ende der 70er Jahre, das Sujet schien endgültig ausgeschöpft und die wenigen Filme, die sich noch mit diesem Bereich beschäftigten, waren eher dazu angetan mit den üblichen Genrekonventionen und Verfälschungen der Vergangenheit zu brechen und einiges ins rechte Licht zu rücken.
Etwas mehr Realismus ist Trumpf, wenn man heute an den „wild west“ erinnert und getreu der Tendenz, alte Rezepte neu auf den Markt zu bringen, wurde mit „3:10 to Yuma“ ein Remake eines klassischen und angesehen Originals von James Mangold neu inszeniert.
Waren im Original „Zähl bis drei und bete“ von 1957 Van Heflin und Glenn Ford in den Rollen des armen Farmers in Nöten und des gesetzlosen Gefangenen zu sehen, haben in Mangolds Film Christian Bale und Russell Crowe die Rollen übernommen.
Getreu dem Originaldrehbuch von Halsted Welles muß der durch die Eisenbahn in Bedrängnis geratene Dan Evans nicht nur um seine Existenz, sondern auch um sein Ansehen innerhalb seiner Familie kämpfen, zusätzlich gehandicapt durch ein verlorenes Bein. Notgedrungen übernimmt er die Bewachung des Banditen Ben Wade bis zur Ankunft des Zuges, der den Verbrecher nach Yuma ins Gefängnis bringen soll.
Dabei treffen jedoch zwei gegensätzliche Männer aufeinander: Wade ist seinem Gegenüber in Sachen Charme, Charisma und Rücksichtslosigkeit weit überlegen, Evans wird lediglich von der Not und einem gewissen Ehrgefühl, das im Verlaufe der Handlung noch zunimmt, getrieben, wenigstens dieses Vorhaben im Leben zu beenden und sich in aller Augen zu rehabilitieren.
Daraus ergibt sich eine ideale Spielfläche für zwei talentierte Darsteller und obwohl Bale und Crowe weniger mit- als vielmehr nebeneinander her spielen und über die zahlreichen Nebenfiguren agieren, sagen Blicke mehr als Worte, gerät die Geschichte zu einem Veränderungsprozess für die Figuren.
Während Evans immer hartnäckiger an seinem zunehmend aussichtslosen Vorhaben fest hält, gewinnt Wade langsam so etwas wie Respekt für den Mann, der das hat, was er sich als Mensch nie hat leisten können.
Evans hat Familie, eine Ranch – Wade scheitert sogar an einer schnellen Liebschaft, die er von früher kennt, die sich aber nicht durchringen kann, mit diesem Mann auszusteigen.
Der Gefangenentransport geht episodisch nicht ohne Verluste ab, Wade bringt zwei Begleiter um, widrige Umstände kosten anderen das Leben, bis Evans und sein ältester Sohn übrig bleiben.
Welles‘ Drehbuch war seinerzeit schon ein Abgesang auf den 5 Jahre zuvor gedrehten „High Noon“ von Fred Zinnemann, in denen sich eine mythische Heldenfigur einen Abgang über eine Gruppe gesichtsloser, aber gefährlicher Mörder verschaffte. Brach „High Noon“ schon latent mit dem Heldenbild, will Dan Evans das scheinbar Unmögliche, einfach weil er es für sich muß – und obwohl ihm sein Gefangener hoch überlegen ist in allen Bereichen.
Offensichtlich war aber gerade das letzte Viertel, also praktisch der Showdown, in dem Evans Wade als menschlichen Schutzschild mißbraucht, um allen Widerstand zu überwinden, nicht mehr zeitgemäß für den heutigen Realismus, stattdessen präsentiert das neue Autorenteam als Ergänzung ein relativ zynisches Anti-Ende, das allerdings um so folgerichtiger und realistischer wirkt, zumindest über weite Strecken.
Wie allerdings im Gefecht plötzlich die Schlußeinstellungen der Figuren plötzlich generiert werden, wirkt ein wenig überhastet an den Haaren herbeigezogen, der Showdown trotz aller Deutlichkeit schwankt zwischen Brillianz und Lächerlichkeit.
Schauspielerisch ist das Niveau hoch, obwohl das umgeschriebene Skript Christian Bale leider zu wenig Gelegenheit gibt, die nötige Tiefe auszuspielen – man muß sich oft damit begnügen, das es in ihm brodelt.
Russell Crowe dagegen entledigt sich der Aufgabe des berüchtigten Banditen mit ungeheurem Raubtiercharme, setzt auf Minimalmimik und erreicht damit das Maximum – seine lakonischen Kommentare sind das Tüpfelchen auf dem I in diesem von verschiedenen Interessen getriebenen Drama, das in Western-Umgebung spielt.
Man muß Mangold zugute halten, das er keinen Heldenwestern gedreht hat, wie es heutzutage üblich wäre und damit in den Staaten an der Kinokasse durchkam – der Film spielte, ungewöhnlich für einen Western, seine mittleren Budgetkosten sofort wieder ein – sondern die Klischees immer solide gebrochen hält, eine geschlossene Gesamtleistung war ihm aber (wieder mal) nicht gegönnt. Dennoch ist „3:10 to Yuma“ ein sauberer Qualitätswestern, der von seinen Schauspielern mit den nötigen Glanz ausgezeichnet wird und eins der wenigen Remakes, das sich nicht über die Neuinterpretation schämen muß. (7,5/10)