Nachdem er lange Zeit in der staubigen Prärie ein fast vergessenes Dasein fristete, wurde er endlich wieder entdeckt. Die Rede ist dabei nicht von Chuck Norris - der ohnehin angesichts seiner eher zweifelhaften Filmkarriere ein großartiges Comeback verdient hätte - sondern vom Genre des Westerns. Nachdem mich dieses Kinojahr „Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford" als pessimistischer Spätwestern, der mit den Mythen des Wilden Westens aufräumt, schon positiv überraschte, folgt nun mit „Todeszug nach Yuma" nach einer Kurzgeschichte von Krimi-Autor Elmore Leonard (u.a. „Jackie Brown" und „Schnappt Shorty" gehen auf seine Kappe) ein weiterer, wenig glanzvoller Beitrag zu Heldentum, Ruhm und Ehre.
Regisseur James Mangold, Inszenateur solch großartiger Dramen wie „Durchgeknallt" (1999) oder „Cop Land" (1997), in welchem er sogar Sylvester „Blaues Licht" Stallone vernünftiges Schauspiel abringen konnte, nahm sich der Vorlage an. Schusswechsel (also Action) gibt es dabei - wie von Mangold gewohnt - wenig, obwohl man die Story um eine Gefangenenüberführung auch als schießwütiges Actionspektakel hätte inszenieren können. Ihm geht es um Charakterzeichnung und die Dramatik der Geschehnisse. Und damit tut er angesichts der Verpflichtung von den Schauspielergrößen Russell Crowe als Bad Guy und Christian Bale als Good Guy gut daran.
Der Outlaw Ben Wade (Russell Crowe) hat mit seiner Bande schon etliche Geldtransporte ausgeraubt und Morde begangen, weswegen er einer der berüchtigtsten Kriminellen des Wilden Westens ist. Als er einen weiteren Geldtransport der Eisenbahngesellschaft ausraubt, wird er alsbald festgenommen und soll ins Städtchen Contention gebracht werden, wo jeden Tag ein Zug mit Häftlingen zum Gefängnis nach Yuma verkehrt. Der beinahe bankrotte und gescheiterte Farmer Dan Evans (Christian Bale), der im Bürgerkrieg sein Bein verlor, eskortiert den gefährlichen Treck einer Handvoll Leute für die Tilgung seiner Schulden. Doch Wades Bande um den dämonischen Charlie Prince (Ben Foster) ist ihnen schon auf der Spur...
Auffällig an „Todeszug nach Yuma" sind seine vielen Nah- und Großaufnahmen. Die Figuren werden zumeist durch die Großaufnahme ihres Gesichts eingeführt, dann zunächst stereotyp zwischen „Gut" und „Böse" eingeordnet, um schließlich in ihren Motiven psychologisch durchdrungen zu werden. Wade entpuppt sich als sarkastischer Charmeur, den das Leben Härte gelehrt hat, während Evans, sein „Aufpasser" verbittert ist über sein Leben und endlich einmal der Held sein will, den er hätte im Krieg abgeben sollen. Mangold nimmt sich viel Zeit für diese Charakterisierung der Figuren sowie für den Aufbau eines Spannungsbogens, der davon lebt, dass sich die kleine Gruppe allgegenwärtig in Gefahr befindet: Entweder durch Indianer oder Wades mordlüsterne und nach Rache gierende Bande.
ACHTUNG: SPOILER
Auch spart Mangold in seinem ruhig erzählten, aber nie langweiligen Film nicht mit Referenzen an die „großen" Vertreter des Genres. Wenn Evans im Städtchen Contention ziemlich allein auf die Ankunft des Zuges wartet, während draußen die Bande nur darauf wartet, ihn zu erschießen, fühlt man sich unweigerlich an „12 Uhr mittags" erinnert: Der verlassene Held im Angesicht der Bedrohung. Doch in „Todestritt nach Yuma" ist es nicht das Warten auf die Gangster, die mit dem Zug die Stadt erreichen, sondern die spiegelbildliche Anordnung des Wartens auf den Zug, während die Gangster schon anwesend sind. Es folgt bei dieser Konstellation der actionreichste Teil des Films, als sich Wade und Evans zum Bahnhof begeben - immer verfolgt vom angeworbenen wütenden Mob und Wades Bande. Erst an dieser Stelle entwickeln beide Männer eine tiefe Sympathie füreinander, da sich ihre tiefsten Geheimnisse offenbaren. Psychologisch gesehen der stärkste Teil des Films.
SPOILER ENDE
Fazit: Ungleich „Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford" demontiert dieser Film nicht seine Helden, sondern räumt nur mit den Klischees und Stereotypen vom rechtschaffenen, stromlinienförmigen Good Guy und dämonisch überhöhten Bad Guy auf, die besonders in den 60er Jahren nahezu zelebriert wurden. „Todeszug nach Yuma" überzeugt durch seine ruhige Inszenierung, starke Darstellerleistungen, mitreißende Actionszenen (wenn auch nur wenige) und latent-suggestive Spannungselemente. Einzig die mangelnde Choreografie der Shoot Outs fällt im Vergleich zu anderen Genre-Filmen etwas negativ auf. Auf jeden Fall ein geglückter Beitrag zum Westerngenre.