Review

Vielleicht das Beste vorweg: Regisseur und Action-Spezialist Benny Chan liefert uns nach New Police Story auch mit Invisible Target einen soliden Action-Thriller, der den geneigten Zuschauer nicht enttäuschen wird. Dennoch läuft hier so manche gut gemeinte Idee aus dem Ruder und dem Werk hätte mehr Geradlinigkeit deutlich gut getan. Insbesondere die Fülle der gleichberechtigten Hauptcharaktere bringt Story und Spannung gehörig ins Wanken, fehlt doch letztlich die große Identifikationsfigur.

Mit Detectiv Chan Chun, Inspektor Fong Yik Wei und Streifenpolizist Wai King Ho werden gleich drei junge Wilde in den Kampf gegen die skrupellose Söldnertruppe um Superbösewicht Tien Yeng Seng geschickt. Einig in ihrer Mission, unterscheiden sich doch gänzlich ihre Motive: Chan sinnt nach Rache für seine bei einer Bombenexplosion getötete Verlobte, Fang will seine Schmach beim ersten Aufeinandertreffen mit Tien Yeng vergessen machen und Wai King die Unschuld seines Bruders, der als Polizist die Seiten gewechselt haben soll, beweisen. Tien Yengs Bande will hingegen Vergeltung nachdem sie von ihrem Kontaktmann innerhalb der Polizei nach ihrem letzten großen Coup verraten und um die Beute geprellt wurden. Zuviel des Guten! Letztlich schafft es keiner der Subplots, sich in den Vordergrund zu drängen und die Zuschauer mitfiebern zu lassen. Anstelle einer spannenden Geschichte wird uns viel Stückwerk geboten und gerade im Mittelteil, in welchem Chan die Action etwas herunterfährt, tun sich prompt deutliche Längen auf.

Ähnlich wie bei Christopher Cains Versuch, das Westerngenre mit Young Guns Ende der 80er neu zu beleben, setzt der Cast auch bei Invisible Target auf populäre aber unverbrauchte Gesichter diverser Jungstars der neusten Schauspielergeneration. Doch das, was schon 1988 bei Young Guns mit Kiefer Sutherland, Emilio Estevez und Charlie Sheen (u.a.) bestenfalls bedingt funktionierte, geht auch bei Chans Streich mehr oder weniger in die Hose. Nicholas Tse, Shawn Yue und Jackie-Chan-Sprössling Jaycee Chan mögen besonders meist junge Teile der fernöstlichen Damenwelt aufgrund ihrer bloßen Präsenz beglücken, bleiben ansonsten jedoch über die Dauer von stolzen 120 Spielminuten darstellerisch blass. Dass dies wohl auch dem komplexen Skript geschuldet sein mag, ist für den Zuschauer nur ein schwacher Trost.
Auf der Gegenseite mimt Kampfsport-Ass Wu Jing aka Jacky Wu den Oberschurken Tien Yeng. Doch der Begriff „mimt" wird hier glatt inflationär gebraucht, zeigt Wu Jings Gesicht - wie schon öfters auf der Leinwand zu beobachten - kaum eine Regung. Schauspielerisch kaum vorhanden, besticht er wie gewohnt durch fulminante Material Arts! Ihm hätte hier eine Rolle wie schon in Kill Zone SPL mit einem Minimum an Text gut getan. Als Anführer einer Söldnertruppe bleibt seine Figur zu uncharismatisch und oberflächlich. Meines Erachtens ist jene Szene, in welcher er über seine Rache für seine „Brüder" aus Waisenhaustagen sinniert, gar ein kleiner Tiefpunk im Film. In den Action-Szenen stielt er jedoch sogar den drei Heldenfiguren die Show. Schließlich macht dem Material-Arts-Meister in Sachen Fights keiner etwas vor und Wu Jing hätte diesbezüglich auch hierzulande ein bisschen mehr Beachtung neben Thailands Tony Jaa (Ong-bak) verdient. Etwas interessanter fällt da schon die Figur Tien Yengs rechter Hand Tien Yeng-yee aus, die sich schließlich als Mörder von Wai Kings Bruder outet und von Andy On gespielt wird.
Inwieweit die deutsche Synchronisation dazu nachteilig beiträgt, dass eigentlich alle Charaktere farblos bleiben, vermag ich nicht zu beurteilen, weshalb ich mich mit weiterer negativer Kritik zurückhalte. Ansonsten würde ich auch die deutsche Sprachfassung als durchaus gelungen bezeichnen. Die Zieten, in denen Filme aus Asien stets überaus billig und schlecht aufbereitet wurden, liegen zum Glück längst hinter uns.

Reichlich Action gibt's in Invisible Target ohne Frage. Neben den Kampfeinlagen zeigt uns Chan Explosionen und heiße Feuergefechte untermalt mit scheppernden SFX. Zwar sieht man den Effekten ihre Herkunft aus dem Computer an, doch visuell bietet uns der Asia-Blockbuster keinen echten Anlass zur Kritik. Schließlich soll es Invisible Target - wie es uns der Klappentext der deutschen DVD-Veröffentlichung verrät - Krachen lassen! Einen großen Anspruch auf Authentizität hegt Chans Werk mit Sicherheit nicht, was bei einem solchen Eventkino auch nicht von Nöten ist und vielleicht sogar kontraproduktiv wäre. So stört auch keinesfalls der offensichtliche Einsatz von Wirework bei den Fights, die schließlich hart und bei den Protagonisten wie erwartet prima durchchoreographiert sind. Dazu gibt's die ersehnten Shootouts, die wir seit John Woo mit dem Hongkong-Kino verbinden. Insbesondere die letzte Viertelstunde hat es actionmäßig in sich, wenn die Söldner das Polizeipräsidium stürmen und scheinbar jeder auf jeden feuert.

Kameraarbeit und Schnitt sind meist überzeugend, einzig eine wenige Schnitte sind für meinen Geschmack deutlich zu schnell ausgefallen. Doch auch hier ist wieder ruck-zuck die - eigentlich schon bekannte - Ursache gefunden. Meine These: Wenn sich unsere drei Helden schließlich mit Horden von Gangstern schlagen oder mit Blei bekriegen, soll das Tempo bei allen Subplots gleichzeitig hochgehalten werden, ohne einer der Figuren weniger Screentime als einer anderen zuzugestehen. Und das geht leider schief! Zumindest bis sich unsere drei Einzelkämpfer endlich gemeinsam zum Showdown mit Tien Yeng einfinden.
Richtig bitter wird es für den Zuschauer jedoch nur, wenn die Action unterbrochen wird und sich das Skript um Dramatik bemüht. Einerseits stören die Längen ungemein, andererseits sind manche Szenen schlichtweg überaus kitschig geraten und in einem solchem Film völlig fehl am Platze. Wenn zum Beispiel Wai King schließlich den Mörder seines Bruders stellt, doch diesen aus Rechtschaffenheit nicht richten will, ist das noch verdaulich. Dass sich dieser Schurke jedoch nach ein bisschen Gequatsche in Anbetracht der anschließend vorrückenden Polizeikräfte alsbald die Kugel gibt, rief bei mir nur noch verdrehte Augen hervor. Auch der Tod einer der drei Hauptfiguren wurde letztlich geradezu melodramatisch in Szene gesetzt, so dass man sich zwischenzeitig doch fragt, welche Zielgruppe die Filmemacher hier im Sinn hatten. Böse Zungen behaupten ohnehin, entsprechende Szenen hätten einzig das Ziel, Jackie Chans Sohnemann Jaycee zu pushen und ihm die Gelegenheit zu geben, sein schauspielerisches Talent unter Beweis zu stellen. Talent und ein fernsehtaugliches Gesicht will ich dem jungen Mann auch nicht absprechen, doch sollte man tatsächlich eine solche Absicht verfolgt haben, hätte man dafür einen hohen Preis bezahlt...

Letztlich bleibt es aber dabei: Benny Chan liefert uns über die meiste Zeit ein schnörkelloses und gelungenes Actionfeuerwerk, das optisch absolut zufriedenstellt, ohne besondere Glanzpunkte zu setzen. Zwar muss sich der im selben Jahr produzierte US-Kracher Stirb langsam 4.0 zurecht keine Sorgen machen, das ihm aus dem fernen Osten der Rang abgelaufen wird, doch wird es manche Fans geben, die dem teils harten Asiaten den Vorzug einräumen. Im Übrigen geht die 18er-Freigabe der FSK unterm Strich in Ordnung. So wird in Invisible Target meist ohne Zögern eine Vielzahl blauer Bohnen verteilt, wenn einige Gauner von Ihresgleichen ohne Mitgefühl exekutiert oder verbissene Schießereien ausgetragen werden.

Bleibt noch das abschließende Urteil: Die Action macht Spaß! Doch der schwache Mittelteil und das konfuse Drehbuch um eine zu große Anzahl von Figuren lassen Invisible Target ganz tief in den Keller purzeln. Dramaturgisch ging der Schuss bei zu langer Laufzeit nach hinten los. Gute Material Arts, ein fulminantes Ende und die gelungene Inszenierung Chans lassen das Werk schließlich aus dem Keller klettern, doch für mehr als knapp die Hälfte reicht's nicht. So erklimmt Invisible Target bei mir mit großer Mühe schließlich nur 6 von 10 Sprossen.

6/10

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