Fast auf den Punkt genau zehn Jahre nach der Rückgabe Hongkongs an China scheint sich die einstmals britische Kronkolonie von den Ängsten der Zukunft, dem nicht unbegründeten Mißvertrauen in die neuen Schirmherren, dem Ausbruch der asiatischen Finanzkrise und der Abwanderung der Industriebetriebe zumindest soweit erholt oder vielleicht auch dran gewöhnt haben, dass die Jubiläumsfeiertage im Juli 2007 angemessen ehrenhaft begangen wurden. Das Schreckgespenst der veränderten politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lage stellte sich zwar nicht gleich als Fata Morgana heraus, aber die Anpassung an die veränderte Situation verlief nach Startschwierigkeiten besser als erwartet. Der Weg nach vorn ist mit einem Rückblick sowie speziell auf die Filmindustrie gesehen auch einem Comeback verbunden.
Die Besinnung auf die eigenen Stärken und die Retrospektive auf die Traditionen. Eine erhoffte und begrüßenswerte Trendwende. Wie ein lang ersehnter Segensspruch, der weniger den Innovationsprozess fördert, sondern vielmehr alte Geschichten im neuen Gewand darreicht und Konkurrenz als belebendes Geschäft betrachtet.
Auf dem Actionsektor machte nach Sha Po Lang, Dragon Squad und Fatal Contact diesjährig der angepeilte Sommerblockbuster Invisible Target den Anfang. Kurz gefolgt von Flash Point, der trotz gegensätzlicher Methodik schnell ein enges Stechen um die Gunst eröffnete.
Invisible Target, anfangs noch mit dem übersetzten Arbeitstitel "Work Made For Fire" behindert, war von der Entwicklung an besonders Regisseur Benny Chan zu verdanken. Chan ist ein kommerzieller Filmemacher der alten Schule, seit 1990 im Geschäft, viele Entwicklungen und Hindernisse aktiv durchgestanden. Seit jeher für speziell die internationale Verkaufsstätte erkundeten Großproduktionen zuständig, war seine Tätigkeit notgedrungen auch immer von dem gerade anwesenden finanziellen Volumen abhängig; nach anfänglichen Erfolgen mit Big Bullet, Who Am I ?, Gen X Cops musste er eine angestrebte persönliche Richtung hin zu düsteren, dramatischen und intimeren Thrillerdramen nach dem Misserfolg von Heroic Duo und Divergence wieder aufgeben. Zwei erneute, wieder iterative Massenmarktprojekte mit dem bestätigten Zuschauermagneten Jackie Chan [ New Police Story, Rob-B-Hood ] stellten die Reputation hinsichtlich Routine und Professionalismus ebenso wieder her wie sie die Weichen für das hiesige Projekt eröffneten:
Bei einem brutalen Überfall auf einen Geldtransporter am hellichten Tag wird die Verlobte des Polizisten Chen Jin [ Nicholas Tse ] getötet. Ein halbes Jahr später taucht die Ronin-Gang, eine Gruppe von vier Söldnern unter Führung von Tian Yang-sheng [ Jacky Wu Jing ] und Tian Yang-yi [ Andy On ] nach einem Abstecher in Thailand, Vietnam und Kambodscha wieder in der Sonderverwaltungszone auf; um einige Mitglieder dezimiert suchen sie den damaligen Bombenlieferanten Little Tiger [ Philip Ng ] und den Supervisor des Transportes He Yung-qiang [ Sam Lee ] auf, um über diese an den Auftraggeber des Coups heranzukommen. Währenddessen werden Chen Jin, sowie Sergeant Fang Yi-wai [ Shawn Yu ] und die Politesse Wei Ching-hao [ Jaycee Chan ] aus unterschiedlichen Gründen in den wieder aufgerollten Fall gezogen. Sehr zum Unwillen von Superintendent Luo [ Mark Cheng ].
Zwar gibt es auch einige Frauen in der Besetzung, bekommen diese aber weder einen eigenen Namen noch eine Relevanz für die Handlung ab. Ähnlich wie Hard Boiled, zu dem man sogar manche kleinere Reminisenzen erkennen vermag, ohne jetzt automatisch einen niederschmetternden Vergleich heraufzubeschwören, ist der vorliegende Film vor allem ein Werk der Männer. Dabei geht es wie selbstverständlich um die richtige Pose, das potente Alphatier-Verhalten, das maskulin wuchtige Auftreten mitsamt seinen Gesten und Gebärden. Machismus als Mittel zur Selbstbehauptung. Immer auf Augenhöhe mit Freund und Feind, immer währende Duellkonstellationen, stetig in Bereitschaft, permanent in Bewegung. Getreu diesem dominanten Leitmotiv verengt sich die Plotphysis fern räudiger Alltäglichkeit einzig auf die Quintessenz von Emotion, Elan, Enthusiasmus und Ekstase. Den Drang nach vorn, mit dem Kopf voran durch die Schwierigkeiten, ohne Rücksicht auf Verluste. Eine Kette von Veränderungen, aber nur bezüglich der Position und der Situation und nicht der innerstrukturellen Wandelprozesse.
Dabei ging man vom Start weg auf Nummer Sicher, bediente sich bei der Besetzung an den derzeitig gefragten Darstellern jüngerer Generation und legte das Drehbuch weniger als Selbstfindungsversuch als vielmehr eine Abfolge von ausschweifenden action standouts an. Die logische Folge von Sprengkraft, Druckwelle, Zertrümmerung. Eine konventionelle Publikation, die kein verstörendes oder verbittertes Spiel mit seelischen Abgründen und kulturellen Diversitäten betreibt und stattdessen vielmehr leicht rezipier- und so prinzipiell für die gesamte breite Öffentlichkeit ansprechbar bleibt. So allgemein verständlich gehalten und primär auf die visuellen Attraktionswerte setzend, dass das rein funktionale Spektakel nicht nur vom materiellen Standpunkt seiner Ideensplitter her auch gut Another Police Story hätte heißen können, ohne seinen Namensvettern irgendeine Schande zu bereiten.
Nur wenige Male verliert der Film die sofort aufgenommene Fahrt; jeder Ruhemoment, jede moralisch gut gemeinte, aber eben doch leere Worthülse kann ihm dann rasch das dramaturgische Genick brechen. Abseits des strammen Hochgeschwindigkeitstempos, der ausgeklügelten Settings und der kompakten, vielleicht sogar eher etwas zu leichtfüßig-gedrungenen Story gibt es soviel nämlich nicht zu vermelden. Eigentlich gibt man sich damit zufrieden, die Grundbedürfnisse der Schaulust zu erfüllen; dies aber mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, was neben dem Talent von Chan und seinem Haus-Choreographen Nicky Li auch ein extrem angezogenes Budget von 60 Millionen HK Dollar miteinschließt.
Vom Inhalt her ein angejahrter Polizeifilm, der sich mit einigen bruchstückhaften Informationen und angerissenen Nebenstränge gespickt vollständig dem Hang zur Actionfabel hin begibt, incl. der klaren Verteilung von Gut und Böse und dem beizeitigen Realismusverzicht zugunsten von viel Lärm und Krach. Die Einführung der Personen immer mit einem exakten Opener versehen, der im besonnenen Prinzip der Parallelität die jeweilige [und einzige] Wesenseigenschaft bekannt gibt und sonstige Erläuterungen weitestgehend außer acht lässt.
Die erste Stunde von immerhin knappen 125min – Flash Point kommt nicht mal auf 90 – gelingt diese Abschürfung auf das Wesentliche auch blendend. Nicht nur, dass man gleich mitten hinein und in den Sog mitgerissen wird, der Logik des Übertrumpfens gehorcht, das Verlangen nach Superlativen stillt und so die aufwendigen, reizüberflutenden Einlagen legitimiert und auratisiert. Auch die inszenatorische Handhabung dieses formellen Gigantismuswillens mit destruktivem Fetischcharakter lässt auf den ersten Blick keine weiteren Wünsche über; zumal sich alle Schauspieler auch scheinbar angstfrei-lustvoll immer selbst in die Stuntmaschinerie begeben und somit der Eindruck der Hochstimmung, Leidenschaft und Adrenalineuphorie und die Beachtung der unterhaltenden Ästhetik immer auf direktem Weg der entsprechenden Härte übertragen wird.
Sicherlich, man kann bemängeln, dass bei den weitflächigen Shootouts und auch den leicht preziösen Explosionen mehr Sorgfalt auf Einstellung und Montage hätte gelegt und ein treibender Score verwendet werden können; auch macht es sich zuweilen bemerkbar, dass man desöfters keine wirklich anspannende Erregung aufbaut, sondern sich lieber gleich in die Vollen begibt. Die Substanz hinter all den bizarren Martial Arts Verrenkungen, Verfolgungsjagden, Detonationen, Sprüngen, Stürzen, Glasbrüchen im Fünf-Minuten-Takt hört meist schon mit der zwischen blaunächtig und grünstichig schwelgenden Optik auf, was nach geraumer Zeit zu gewissen Ermüdungserscheinungen führt. Es kommt nicht auf die Verstärkung der inneren Spannung, sondern immer nur auf den jetzigen Moment an; eigentlich arbeitet man schon regelmäßig mit der neugierigen Vorfreude auf die nächste entgleisende Steigerung. Ein urbaner Kriegsschauplatz, der mit kunstvoll ausgearbeiteten Locations aufwarten kann, aber dafür die nervöse Eigentümlichkeit des Semi-Dokumentarischen oder gar Naturalistischen und den emotionalen Gehalt komplett vernachlässigt.