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Detlef Sierck (das Pseudonym "Douglas Sirk" nahm er bekanntlich erst später an, um in den USA als Regisseur Fuß zu fassen) drehte mit "Zu neuen Ufern" einen Film, der als Lustspiel beginnt und nach und nach die trügerische Leichtigkeit und den Selbstbetrug seiner Protagonisten bis zum bitteren Ausgang offenlegt. Zarah Leander beginnt ihre Darbietung als Sängerin und Schauspielerin Gloria Vane mit dem frechen Schlager "Yes Sir", der ebenso wie die zugehörige Szene die vielbeschworene "bürgerliche Doppelmoral" aufs Korn nimmt - sie wird dabei von spießigen Honoratioren beäugt, die lauthals gegen ihr frivoles Auftreten protestieren, aber nach ihrem demonstrativen Verlassen des Saales noch durchs Schlüsselloch lugen, um sich noch einmal zu überzeugen, ob Gloria Vane tatsächlich so wenig anhat. Klar, dass ihr Favorit, der junge und elegante Lord Finsbury (Willy Birgel), der sinnfällig hoch in einer Loge über ihnen thront, diese bigotten Gesellen problemlos bloßstellen kann. Vermutlich war das Motiv der enttarnten Sittenheuchelei schon damals standardisiert und kann als gängiges Element des Lustspiels heute nur noch wenig beeindrucken.

Das bemerkenswerte an der Szene ist aber, dass der Schein des Lustspiels trügt, dass er bewusst aufgebaut wird, um durch den folgenden Verlauf der Handlung ins Gegenteil umgekehrt zu werden. Nicht nur die Moral der protestierenden Spießbürger ist rein vordergründig, sondern auch die über der Volksmasse thronende und erhaben scheinende Haltung des jungen Lords. Leichtlebig macht er Gebrauch von der Naivität seines Freundes, eines reichen Erben, den er wegen dessen wohlgenährter Erscheinung herablassend "Pudding" nennt und wegen des Berufs seines Vaters - der mit Käse handelt - arrogant verspottet. Einen Scheck über 15 Pfund, den "Pudding" ihm wegen finanzieller Probleme ausstellt, fälscht er kurzerhand auf 615 Pfund. Als die Manipulation auffliegt, nimmt Gloria die Schuld auf sich. Die lockere Lebensauffassung, die sie in ihrem Lied zum Ausdruck gebracht hat, war ebenfalls nur Fassade - sie glaubt, in Lord Finsbury den Mann ihres Lebens gefunden zu haben und hofft vielleicht, durch dieses Opfer mit seiner Gegenliebe belohnt zu werden.

Zarah Leander übernimmt hier gleich zwei typisierte, gleichermaßen für sie geeignete und zugeschnittene Frauenrollen - die leichtlebige Künstlerin, die für kleine Skandale sorgt, vereint sich in der Figur von Gloria Vane mit der bedingungslos Liebenden, die bereit ist, für den Geliebten eine regelrechte Passion zu erleiden. Nicht umsonst ist der Film mit Verweisen auf die Leidensgeschichte des Jesus von Nazareth und den zeitweiligen Verrat durch seinen Jünger Petrus angereichert. Der Name "Gloria Vane" lässt an Oscar Wildes Figur Sibyl Vane denken - eine junge Schauspielerin, die vom Romanhelden Dorian Gray erst verehrt und dann brutal verstoßen wird. Während der junge Lord eine Militärkarriere im australischen Sydney macht und von angesehenen jungen Damen umworben wird, muss Gloria, ebenfalls in Sydney, im Zuchthaus unter Sprechverbot Körbe flechten und am Webstuhl sitzen. Nur wer bereit ist, eine Zuchthäuslerin zu heiraten, kann ihre Entlassung bewirken. Lord Finsbury erfährt von dieser Möglichkeit - er setzt sich oberflächlich für Gloria ein, leugnet aber, sie zu kennen. Im Zimmer, in dem dieses Gespräch stattfindet, hängt eine Tafel mit der Aufschrift "Und Petrus verleugnete seinen Herrn aus Angst".

Lord Finsbury ist kein schlechter Mensch, er ist keine Figur, die Hass auf sich zieht. Er ist ein oberflächlicher, unentschlossener Mann, der es in opportunistischer Weise allen recht machen will und der gerade an der vermeintlichen Souveränität und Unanfechtbarkeit scheitert, mit der er sich zu Beginn erfolgreich hervorgetan hat. Auch Gloria muss feststellen, dass ihre anfängliche Pose eine Illusion war. Nachdem sie durch eine scheinbare Heiratseinwilligung freigekommen ist und feststellt, dass ihr Angebeteter anderweitig verlobt ist, kehrt sie auf die Bühne zurück, ohne ihre frivolen Lieder wieder anstimmen zu können. Ihr neues Lied heißt "Ich steh' im Regen und warte auf dich". Das will das Publikum nicht hören, Gloria wird von der Bühne und in die Perspektivlosigkeit getrieben. Und nachdem der junge Lord endlich zu ihr gefunden hat, muss er feststellen, dass Glorias Leiden sie ihm entfremdet haben.

Ohne den eigentlichen Schluss an sich zu verraten, erwähne ich noch, dass das letzte Bild eine Scheinlösung darstellt. Man beachte Glorias weiterhin melancholisch in eine unbestimmbare Richtung weisenden Blick, der Erlösung in einem nicht existierenden Raum sucht. Dieser Raum wurde nicht durch feindliche Machenschaften oder ein unbarmherzig dreinschlagendes Schicksal zerstört, sondern durch menschliche Schwächen und illusionäre gesellschaftliche Rollenspiele. Einen Schuldspruch enthält Siercks Film nicht, und das ist ihm hoch anzurechnen.

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