Review
von Leimbacher-Mario
Das schwarze Gold spült die Seele fort
"There Will Be Blood" ist ein episches Werk, dass sich kaum kategorisieren oder beschreiben lässt. Sicher ein Erlebnis von fast schon biblischen Zügen, vor allem auf der großen Leinwand. Lange Zeit drückte ich mich vor einer Sichtung - weil ich wohl geahnt habe, was für ein heftiger Tobak dieses Neo-Western-Drama über Öl, Macht & Wahnsinn sein würde. Ich bin beeindruckt, ja. Aber ich bin nicht begeistert, wie ich es z.B. von Andersons "Magnolia" oder "Boogie Nights" war. Dabei war ich fast sicher, dass ich mich dem allgemeinen Tenor & Hype anschließen würde - aber so richtig gefesselt & umgehauen hat mich der wuchtige Thriller selten!
Ich ziehe den Hut vor der Größe, dem tieferen Sinn & den Leistungen der Schauspieler, vor Andersons Intellekt & den epischen Bildern, der bedrohlich-archaichen Stimmung & einer meisterhaften Genre-Verschmelzung - und trotzdem hatte ich in den 157 Minuten viel zu oft mit müden Augen & lethargischem Tempo zu kämpfen. Aber ich zog es die halbe Nacht durch - ich gab weder Staunen noch Hoffnung auf. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werde ich ihn nochmal gucken (müssen) - zu groß seine Tragweite & sprachlose Kraft, was alles etwas an Kubrick erinnert hat, dessen Filme ich eigentlich durch die Bank verehre. Aber ob dann ein anderes Ergebnis raus kommt, steht nicht fest...
Die musikalische Untermalung ist dramatisch & erfrischend anders, pulstreibend. Daniel Day Lewis' Spiel gigantisch, ebenso das des jungen Paul Dano als besessener Jungpfarrer & Gegenspieler. Aber was bringen solche Superlative, inklusive anti-amerikanischer & anti-kapitalistischer Deutungsmöglichkeiten, wenn einen die Geschichte nur selten fesselt oder emotional einbindet, viel zu stark auf Abstand hält? Vielleicht bin ich nicht clever genug, vielleicht schau ich zu sehr mit dem Herzen - aber genauso groß wie das Staunen vor einem möglichen Meisterwerk, war die über allem schwebende Langeweile. Das tut mir leid für Anderson & alle, die in dem Film den größten seit der Jahrtausendwende sehen - aber es ist meine persönliche Wahrheit, momentane Meinung. Ob das am gemächlichen Tempo, an der nicht abgeschlossenen Geschichte, wenig Dialogen oder keiner Identifikationsfigur lag, I don't know. Wahrscheinlich von allem etwas. Aber schon allein weil man über den Film & seinen indirekten Zeitkontext eine Masterthesis schreiben könnte, bleibt er sehenswert. Man darf nur keine große Unterhaltung erwarten, muss Kopfkino lieben...
Fazit: voller versteckter Deutungsmöglichkeiten, ein absolutes Kritikerfestmahl. Mir persönlich fehlten aber oft Emotion & Tempo - obwohl ich einen Film auch gerne mal mit dem Kopf gucke. Hier sagte mein Herz & Sinn für Unterhaltung aber eher: leider nein!