„Wer ist Gott?“ – „Das ist so ein Kerl, der uns verlassen hat.“
Zehn Jahre nach seinem Spielfilmdebüt „Fotos“ drehte der spanische Regisseur Elio Quiroga mit „The Cold Hour“ seinen zweiten Film in Spielfilmlänge, einen Endzeit-Horrorfilm, zu dem er auch das Drehbuch verfasste. Eine Gruppe von neun Menschen unterschiedlichen Alters und Geschlechts lebt nach einem verheerenden Krieg von der Außenwelt abgeschnitten in einem unterirdischen, bunkerähnlichen Gebäudekomplex. Die Bewohner können ihren Zufluchtsort nicht verlassen, da gleich zwei unterschiedliche, gefährliche Wesen nach ihrem Leben trachten: Von einem hochgradig ansteckenden Virus infizierte, zombieähnliche Kriegsopfer sowie mysteriöse, immateriell erscheinende Wesen, die von Wärme angezogen werden, weshalb man immer wieder Strom und Heizung drosselt und dadurch die titelgebende „kalte Stunde“ erzeugt. Doch als die Nahrungs- und Medizinvorräte zu Neige gehen, muss man den Komplex verlassen – und sieht sich prompt den lauernden Gefahren ausgesetzt. Verlustreiche Gefechte nehmen ihren Lauf…
In den jüngeren vergangenen Jahrzehnten haben die Spanier immer wieder unter Beweis gestellt, dass sie etwas von atmosphärischer Genrekost verstehen und in eben diese Kerbe schlägt auch der zunächst einmal eher unauffällige Beitrag Quirogas. Mit einem vergleichsweise geringen Budget wagte sich dieser an einen klaustrophobischen Endzeit-Thriller, der seine Protagonisten zunächst völliger Isolation und schließlich tödlichem Kreaturenhorror aussetzt. Der lebensfeindlich wirkende Bunkerkomplex ist fast die gesamte Spielzeit über der Ort des Geschehens und dürfte maßgeblich dazu beigetragen haben, mit dem Budget zu haushalten. Überdeckt mit einem giftigen Grünfilter gewinnt der Film eine fremdartige, surreale Note, die dadurch verstärkt wird, dass man sich in Bezug auf die chronologische Einordnung der Handlung bedeckt hält. In welchem Jahr der Film spielt, um welchen Krieg es geht und was genau geschehen ist, erfährt der Zuschauer nicht; die futuristische Situation steht im Kontrast zu Uralt-Cartoons und ebenso alt wirkenden Nachrichtensendungen bzw. politischen Propagandasendungen voller Zynismus, die die TV-Geräte empfangen. Das Informationsdefizit des Zuschauers perfekt macht der Umstand, dass „The Cold Hour“ zunächst aus Sicht des kleinen Jungen Jesus (Omar Muñoz, „Beneath Still Waters“) erzählt wird, der seinen Alltag innerhalb der Gruppe per Videokamera dokumentiert.
Doch keine Sorge, „The Cold Hour“ ist nicht der x-te pseudodokumentarische „Found Footage“-Beitrag und schon gar kein „[•REC]“-Plagiat. In sehr ruhigem Erzähltempo versucht Quiroga über weite Strecken zunächst einmal, den Zuschauer mit den Charakteren vertraut zu machen und seine Neugier zu wecken, der nur sehr gemächlich für ihn neue Informationen erhält und stattdessen immer tiefer in die triste, kalte, aussichtslose Stimmung des Films hineingezogen wird. Dabei wird das Publikum lange – beinahe zu lange – auf die Folter gespannt, denn die Kreaturen, von denen soviel die Rede ist, bekommt es erst nach zwei Dritteln der Spielzeit erstmals zu Gesicht. Bis dahin wirkt „The Cold Hour“ bisweilen sehr bemüht in die Länge gezogen, denn bei allem sozialen Mit-, Über- und Gegeneinander mangelt es doch letztlich an einem wirklich interessanten Subplot. Eifersüchteleien brechen sich Bahn, die minderjährige, doch langsam geschlechtsreife Ana (Nadia de Santiago) scheint von einem älteren Bewohner verführt zu werden, doch richtig zwingend oder konsequent wird nichts davon. Erst, als es zur Konfrontation mit den Kreaturen kommt, wird es grafischer, etwas blutig und splatterig, steigt der Actionanteil und dezimiert sich die Gruppe schließlich gegenseitig in Anbetracht des zerrütteten Verhältnisses untereinander und der eskalierenden Extremsituation – wenn auch nicht immer 100%ig nachvollziehbar und zudem in dunklen Gängen nicht in voller Explizität.
Das Finale sodann führt den Pessimismus des Films konsequent zu Ende und hält als Pointe eine Überraschung parat, doch viele Fragen bleiben ungeklärt. Das ist so schlimm aber nicht, denn längst ist der gut geschauspielerte (populärstes Ensemble-Mitglied des ohne bekanntere Namen auskommenden Films dürfte Silke Hornillos Klein in der Rolle der Mari sein) „The Cold Hour“ unangenehm unter die Haut des aufmerksamen Zuschauers gekrochen und hat dort seine Eiseskälte entfacht. Quiroga hat mit Sicherheit John Carpenters „Das Ding aus einer anderen Welt“ gesehen, reicht mit seinen Möglichkeiten natürlich längst nicht an dessen unvergleichliche Atmosphäre heran, begibt sich aber – abgesehen von Carpenters wilden, entfesselten Mutations-Spezialeffekten – in ähnliche Fahrwasser, die „The Cold Hour“ zu einem sehenswerten, kleinen, zunächst recht unscheinbaren Genrefilm machen, der die Fantasie des Zuschauers anregt und die Selbstzerstörung der Menschheit in dystopischer Science-Fiction-Manier thematisiert, geraubte Kindheiten zeigt und wehrlose, unschuldige Opfer eindringlich ins Bewusstsein rückt.