Wer zum ersten mal Jackie Chan in "Die Schlange im Schatten des Adlers" erleben durfte, wird mir beistimmen, daß der Film immer noch einem ungeschlagenen Champion in der Geschichte des Kung-Fu-Films gleichkommt. Jedoch wird einen bald die nüchterne Realität mit einem Handkantenschlag ins Genick treffen: es gibt keinen zweiten traditionellen Kung-Fu-Streifen, der das Konzept mit 30% Handlung / 70% Martial-Arts derart rigoros und kurzweilig umgesetzt hat. Entweder man akzeptiert diese Tatsache, oder man stirbt als gebrochener alter Mann auf der ewigen Suche nach einem vergleichbaren Film. Oder man lege sich einfach die DVD von "Dance of the drunk Mantis" zu.
In der Tat hat sich fast der gesamte Cast von "Snake in the Eagle's Shadow" wieder vor der Kamera zusammengefunden, Jackie Chan ist zwar abgesprungen aber Yuen Woo-Ping im Regiestuhl und Corey Yuen als Martial-Arts Choreograph setzen nicht minder schlechte Prämissen für einen guten Film.
Die Hintergrundgeschichte ist ein derart windschief gebautes Haus aus Streichhölzern, daß eine Gottesanbeterin es mit einem bloßen Flügelschlag zum Einsturz bringen könnte. Mehr noch ist die Story nicht als zweitrangig gegenüber der Action einzuordnen, nein, die Action selbst ist der Plot:
Der böse, weißhaarige und stets fies lachende Rubber Legs (Jang Lee Hwang) möchte den gutmütigen Säufer Sam the Seed (Sie Tien Yuen) herausfordern, um zu beweisen, daß seine nördliche Variante des "Drunken-Fist"-Stils der des südlichen Stils überlegen ist, welche von Sam the Seed selbst entwickelt wurde.
Dieser Handlungsrahmen wird in der ersten Minute wackelig zusammengeschraubt, dannach gibts gehörig was auf die Mütze, Kung-Fu-Stil vs. Kung-Fu-Stil in endlosen, großartig choreographierten Kämpfen. Gelegentlich bemerkte ich, daß die Tritte und Hiebe der Kämpfenden absichtlich ins Leere trafen, aber da dies lediglich ein- oder zweimal auftrat, konnte ich mich doch ganz auf die Tugenden des Films konzentrieren, beispielsweise eine ausgedehnte Trainings-Sequenz, welche in dem Genre sicher obligatorisch ist, aber sehr intensiv und unterhaltsam inszeniert wurde: während Jackie Chan in "Snake in the Eagle's Shadow" rohe Eier von Pfahlaufbauten pflückte, reißt hier Shun-Yee Yuen mit bloßen Händen Nägel aus Holzbalken.
Shun-Yee Yuen spielt Foggy, den etwas zurückgebliebenen Sohn von Sam, der unbedingt Kung-Fu lernen möchte und zunächst ein läuterndes Martyrium aus körperlichen Anstrengungen und diversen Demütigungen durchläuft. Für einen Helden hätte man keinen langweiligeren Schauspieler finden könnte, der kindliche Charme eines Jackie Chans geht ihm ebenfalls ab. Aber er kann gut kämpfen und die Wucht seiner Tritte und Hiebe kompensiert fehlendes Charisma zumindest teilweise.
Der vorherrschende Kampfstil besteht aus verschiedenen Varianten des Drunken-Boxing: auch Rubber Legs hat seine fiese Lache nicht von ungefähr, er war nämlich so gewitzt, "Drunken Fist" mit dem "Mantis"-Stil zu kombinieren und so eine umso tödlichere Kampfkunst zu kreieren.
Der Höhepunkt des Films ist sicher der furiose Trink-Contest zwischen Rubber Legs und Sam the Seed, wenn sich beide unter dem Tisch mit Fuß-Techniken attackieren, während man über Tisch mit schnittigen Halte-Griffen um das Recht des ersten Schlucks kämpft.
Sie Tien Yuen spielt einmal mehr den charismatischen Säufer, komplett mit roter Nase und stets gefüllter Amphore im Gepäck. Hat man Foggy schnell wieder vergessen, wird einem die spaßige und liebevolle Performance von Sam the Seed sicher noch lange in Erinnerung bleiben. Daß sein Kung-Fu zum spektakulärsten in der No-Wire-Kategorie der 70er fällt, darf man dabei nicht übersehen. Ebenfalls einen Blick Wert ist Linda Lin als Sams Ehefrau (für mich war die ältere Lady ein neues Gesicht), die ebenfalls ein paar flüssige und elegante Bein-Techniken im Repertoire hat. Eines der besten Duelle des Films trägt sie kurz vor Schluß mit Corey Yuen persönlich aus, erstmalig auch unter Einsatz scharfer Waffen: Schwert vs. chinesische Lanze.
Die vorherrschende Athmosphäre des Films ist leicht verdaulich, keine verbitterten Rache-Attentate, einfach nur ein verspieltes "Who's Best" (mit Option auf die eine oder andere Leiche). Freunde des geflegten, kindisch-asiatischen Humors kommen auf ihre Kosten, wenn zwei dreiste Dorftrottel ihre selbstentwickelten Kampfstile "Chicken Fist" und "Duck Fist" zum Besten geben. Und irgendwo, ganz klein, verbirgt sich sogar ein Handlungs-Strang in dem Film, der aber lediglich existiert um all die ausgedehnten Kampfszenen notdürftig zusammenzutackern.
"Dance of the drunk Mantis" ist sicher ein Glanzpunkt des traditionellen Martial-Arts-Kinos. Dem Vergleich mit dem Quasi-Vorgänger hält er trotzdem nicht stand, da ist Jackie Chan einfach der charismatischere Zero-To-Hero, doch bei den Kampfszenen punktet "Dance of the Drunk Mantis" mit einer wesentlich vielseitigeren und einfallsreicheren Action-Choreographie. Vor allem gibt es weitaus mehr Tritte und Bein-Arbeit zu bewundern, welche ich immer noch als interessanter erachte, denn endlose Schlag-Block-Kombinationen.
Wer von einem Film eine gute Handlung mit überraschenden Wendepunkten, eine schillernde Optik, schöne Gesichter, teure Settings, ausgefeilte Kamera-Arbeit erwartet. . . bitte weitergehen. Jeder Harcore-Kung-Fu-Geek sollte sich jedoch dringend genötigt fühlen, einen näheren Blick zu riskieren:
Hier habt ihr, was ihr solange gesucht habt.
(Obgleich "Drunken Boxing" propagiert wird, sollte man den Film auf nüchternen Magen konsumieren, denn die grammatikalisch schlechten Untertitel der Mei-Ah-DVD erfordern zumindest ein Minimum an Konzentration. Und gegen Ende häufen sich Störungen und blaustichiges Geflacker auf dem Material des Bildmasters, keineswegs eine Folge von übermäßigem Alkoholgenuß.)