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Let’s dance to Joy Division

Feiern wir die Ironie, indem wir zu Joy Division tanzen, jenem dark wavigen Post Punk, zu dem sich schwer tanzen lässt. Zum einen ist es der Schwermut, der allgegenwärtig in den Texten sitzt, der auch Ian Curtis einen Begriff gibt, der das uns erreichende Gefühl zu umschreiben vermag, das man spürt, wenn sie in Schwingungen geraten, diese seine Stimmbänder. Zum anderen ist es das Schicksal dieses Songschreibers und Leadsängers, das sich nicht von Joy Division und ihrem Sound trennen lässt. Curtis’ Freitod ist die letzte Konsequenz seines melancholischen Tiefsinns. Und so greift alles ineinander über, Musik und Leben, untrennbar verbunden. Der verzweifelte Künstler verleiht seinen Zweifeln in der Kunst Ausdruck. Anton Corbijns Film verhält sich an diesem Punkt nicht immer ganz glücklich, da den Gesangparts etwas die Eigenschaft eines inszenatorischen Wegbegleiters und konstanten Lückenfüllers anhaftet. Die Musik aber ist mehr als nur Musik für einen Poeten wie Curtis und daher auch ein Seelenspiegel. Der gebürtige Photograph Corbijn schafft es nicht, "Love will tear us apart" einfach für sich sprechen zu lassen. Der Song wird wundervoll eingespielt und endet doch in der Überlagerung von Wühlgeräuschen durch Deborah Curtis, die aufgelöst nach Beweisen für die Affäre ihres Mannes sucht. Da ist die Magie des Stücks irgendwie dahin. Ganz anders dagegen gelingt etwa die Präsentation von "Isolation", den Sam Riley ganz sinnbildlich in der Schalldichte des Tonstudios interpretiert. Überhaupt singt, spielt und post Riley wie von einem anderen Stern - eine unglaubliche Aura bedrückten Zerwürfnisses, deren Authentizität wohl nur Zeitzeugen in Frage zu stellen vermögen.

Die Pose ist ein wichtiges Stilmittel des photographierenden Regisseurs. Ein jedes seiner ikonographischen Schwarz-Weiß-Bilder könnte ein Postermotiv abgeben. Das ist gar nicht weiter schlimm, denn diese Motive verstreuter Gedankentiefe hängt man sich gerne ins Zimmer. Sieht man von einem kreideweißen "Hate" auf Sam Rileys einmal durch die Straßen ziehenden Jackenrücken ab, springen die Posituren nicht übermäßig ins Auge. Es sind eher nebenbei laufende Anordnungen. Offenkundig ist jedoch, dass hier jeder Winkel zwischen Kippe und Kinn genau bemessen, dass Natürlichkeit säuberlich choreographiert und arrangiert, keinem Zufall überlassen ist, dass hinter dem Minimalismus einer unscheinbaren Geste feine Justierung steckt. Dafür ist Anton Corbijn einfach zu sehr Photograph. Er weiß den Curtis-Mythos genau zu stilisieren. Und er versteht es überdies, sich vom Menschen als Hauptgegenstand zu lösen und seine Umwelt als Hintergrund einzubeziehen, die Persönlichkeit nach ihrem Milieu abzulichten und das Milieu nach seiner Persönlichkeit. So fügen sich die seltsam abgeschiedenen und trübseligen End-Siebziger-Städteimpressionen von Manchester und Macclesfield nahtlos in das Curtis-Portrait ein.

Ein Biopic ist daher selten wortwörtlicher zu nehmen gewesen. Bei aller Bebilderung aber vergisst Corbijn keinesfalls auch etwas zu erzählen. Ihm gelingt es, Curtis nachzuspüren, sich seiner Unnahbarkeit anzunähern, zuungunsten - und das verschafft ihm die Gunst - eines mit Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll hausierenden Fotoalbums. Im Mittelpunkt seiner Betrachtung stehen die Beziehung von Curtis zu seiner Ehefrau Debbie und die Affäre mit der in der belgischen Botschaft arbeitenden Annik Honoré. Die ewige Zerrissenheit zwischen seiner schon in jungem Alter Angetrauten und seiner Geliebten, das Spannungsverhältnis zwischen den ehelichen und väterlichen Pflichten, die Curtis beengen, und dem befreienden Zusammensein mit Annik, das mit dem Gefühl spürbarer Entpflichtung und Entlastung einhergeht - damit tendiert "Control" sichtlich zu einem Selbstmordmotiv, beansprucht allerdings dabei zu keiner Zeit, die Gedankenwelt des an sich immer zuspitzenderer Epilepsie gelitten habenden Curtis’ entschlüsselt zu haben. Ob Privatleben oder Körper, der Titel zelebriert schon die ganze Ironie: Da ist etwas aus dem Ruder gelaufen. Kontrolle verloren.

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