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Für solche Filme wurde das Label Melodram erfunden: Ende der 60er-Jahre des 18. Jahrhunderts wird der Altonaer Arzt Struensee an den dänischen Hof gerufen, um seine Meinung über den geisteskranken König abzugeben. Struensee (was im Film meistens wie Struuunz ausgesprochen wird) kuriert den Mann auf seine Art: Für den Liebeskummer schaut er, dass die Dame des Königsherzens, Königin Mathilde, an den Hof zurückkehrt, und die lokalen Widersacher und Schmarotzer werden einer nach dem anderen verjagt. König Christian wird schnell wieder gesund und macht seinen neuen besten Freund Struensee zum Minister und Berater. Er ahnt nicht, dass Struensee und Mathilde sich ineinander verliebt haben und ihrer Liebe auch viel Raum geben. Das ganze Königreich lacht, nur der König ist ahnungslos und liebt sowohl seine Frau wie auch seinen Freund aus ganzem Herzen. Eines Tages trägt die Königin ein Kind unter dem Herzen – Von welchem der beiden Männer?

Nun ja, wer sich in dänischer Geschichte auskennt, und wer tut das nicht, der weiß natürlich von wem das Kind ist, und ahnt den Ausgang dieses Dramas schon relativ früh. Dabei ist Struensee eigentlich ein sehr sympathischer welcher. Er trägt die Worte von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit im Mund (was historisch zwar nicht ganz zutreffen dürfte, aber sei’s drum), er hat ein großes Herz für die Nöte der geknechteten Landbevölkerung (was historisch schon besser passt), und er sieht den geistesgestörten König nicht einfach als frisch aus der Klapse entlaufen, sondern er kümmert sich um den Mann und kann den verwirrten Geist tatsächlich wieder auf Kurs bringen. Und ihm beibringen, dass er nicht nur der König der Privilegierten ist, sondern aller Dänen. Auch derjenigen, die in seinem eigenen Folterkeller und in seinem Namen gerade gequält werden.

Dieser Teil der Geschichte ist etwas mühsam erzählt, und bei aller Hochachtung vor der Leistung Horst Buchholz‘ als König Christian: Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass die Manierismen des Herrschers irgendwann ganz furchtbar nerven. Es ist hübsch mitanzusehen, wie das soziale Gewissen Struensees allmählich auf den König übergeht und diesen beeinflusst. Der historische Struensee war in dieser Zeit tatsächlich ein Herrscher ohne Krone, stand er doch hinter dem König, lenkte und leitete diesen in allen Dingen, und brachte Dänemark damit eine Menge prä-demokratischer Segnungen. Struensee war die Macht, Christian das repräsentative Moment. Bis, ja bis Struensee und Königin Mathilde entdecken, dass sie füreinander geschaffen sind. Ein geradezu entsetzlicher Moment, wenn Christian wohlgemut und lachend in Mathildes Gemach kommt, und irgendwann Struensee dort entdeckt. Im Zimmer seiner Königin! Er ahnt was da vor sich gegangen sein könnte, doch Mathilde opfert sich um der Liebe zu Struensee willen und lenkt Christian ab. Ein dichter und intensiver Moment im Film, der das kommende dunkel und schwer vorbereitet. Denn natürlich weiß Christian irgendwann Bescheid, und die allmächtige Königsmutter, die listige Königin Juliane, treibt mit ihren Getreuen ein böses Spiel, um den ungeliebten Struensee ins Verderben zu stoßen. Dieser Teil der Geschichte ist gut erzählt, ist düster, ist schwermütig, und auch wenn Odile Versois als Mathilde so hölzern und ungelenk spielt wie eine alte Linde, so ist die Story an sich hier sehr kraftvoll und kann Versois‘ Unvermögen locker ausgleichen. O.W. Fischer wiederum steht natürlich über jeder Kritik, sein Struensee wechselt die Stimmungen leicht und gekonnt, und es ist einfach eine Freude, dem Mann bei seinem Spiel zuzusehen. Was wäre gewesen, wenn Mathilde von Ruth Leuwerik gespielt worden wäre? Fischer und Leuwerik, eines der Traumpaare der 50er-Jahre, wie hätte der Film durch dieses Paar gewonnen …?

Trotz dieser kleinen Kritikpunkte ist HERRSCHER OHNE KRONE ein schön anzuschauender Film. Man darf halt keinen historischen Actionfilm erwarten, keinen FANFAN und schon gar keine ANGÉLIQUE, und die ganz großen Gefühle sind bei O.W. Fischer nicht und bei Odile Versois noch viel weniger zu erwarten. Es liegt am purzelig aufspielenden Horst Buchholz, das stellenweise etwas statische Drama aufzulockern und dabei gleichzeitig die tragischen Schwerpunkte zu setzen. Aber spätestens, sobald alle drei Schauspieler gleichzeitig zu sehen sind und sich die Bälle zuspielen, ist die Freude über dieses gelungene Melodram auf jeden Fall auf der Seite des Zuschauers.


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