Review

Die schönste Kinoüberraschung dieses Jahres

Ich gebe es zu, ich war mehr als skeptisch. Was vor fünf Jahren eine dauerhafte Euphorie und ein eingemeißeltes Lächeln in mein Gesicht gezaubert hätte, wich in diesem Jahr der Sorge einer großen Enttäuschung: Die Ankündigung eines Kinofilmes der beliebten Zeichentrickfamilie „Die Simpsons“. Schuld an dieser etwas ängstlichen Erwartungshaltung waren die zunehmend schlechter werdenden Staffeln, die uns der „Simpsons“-Schöpfer Matt Groening da präsentierte. Zwar wurde der Zeichenstil immer sauberer, aber die Geschichten immer absurder, inhaltsloser und belangloser. Ein Phänomen, das man meiner Meinung nach ziemlich gut am Geisteszustand Homer Simpsons festmachen kann. In den ersten Staffeln noch ein leicht beschränkter, aber nichtsdestotrotz liebender Familienvater, degenerierte er vor allem in den letzten Staffeln zu einem Hampelmann, der die Familie und den Zuschauer durch völlig sinn-, hirn- und letztlich auch humorlose Aktionen an den Rand des Wahnsinns trieb. Mit Homer degenerierten auch die Folgen Stück für Stück, so dass ich als langjähriger und glühender Verehrer dieser Serie gar keine Lust mehr auf die neuen Folgen hatte und mich lieber mit den alten Epsioden auf DVD vergnügte. Dann also die Ankündigung eines Kinofilmes... Zwar war mir schnell klar, diesem Schauspiel in einem Lichtspieltheater beiwohnen zu wollen, doch die Befürchtung war groß, dass ich nach 90 Minuten unzusammenhängendem Blödsinn vielleicht der Simpsons vollends überdrüssig werde. Wenn die Autoren es schon nicht schafften gute 20 Minuten mit einer guten und interessanten Story zu füllen, wie wollten sie es dann schaffen dies über 90 Minuten zu leisten?

Nun zur schönsten Kinoüberraschung dieses Jahres (zumindest für mich): sie schafften es tatsächlich. Der Zauber war sofort da. Schon die Fox-Fanfare am Anfang des Filmes stand im Zeichen des gelben Wahnsinns. Doch im Gegensatz zu den wahnsinnig schlechten und ideenlosen Folgen der letzten Staffeln regiert hier der „gute Wahnsinn“. Natürlich ist die Story fernab jeglicher Realität (und das ist auch gut so), aber sie weiß von der ersten bis zur letzten Minute zu fesseln. Die Gag-Dichte ist unglaublich hoch. Beinahe jede der witzigen Figuren aus dem Springfield-Universum bekommt ihren Auftritt. Diese zauberhaften und witzigen Momente werden fesselnd miteinander verbunden. Und auch Homer macht im Verlaufe des Filmes eine Wandlung durch: Am Anfang des Filmes schwante mir bei aller Euphorie über den temporeichen Start noch Böses, knuddelte unser glatzköpfiger Atomkraftwerkmitarbeiter noch relativ sinnfrei mit einem Schwein, verbuchte er dann mit der jetzt schon legendären „Spider-Schwein“-Szene einen enormen Lacher und zeigte dann auch noch im Finale längst verloren geglaubte Qualitäten: Er rettet nicht nur Springfield, sondern auch seine Ehe und seine gesamte Familie. Denn, was die Macher wohl in den letzten Seasons vergessen hatten: „Die Simpsons“ sind im tiefsten Herzen eine Familienserie. Und so erkennt Homer den Wert seiner Liebsten und verhält sich endlich wieder so, wie es sich für einen (wenn auch etwas einfach gestrickten) Familienvater gehört. Spätestens in der Szene, in der sich Homer die traurige Videobotschaft seiner Frau anschaut und danach die Bilder von seiner Hochzeit sichtbar werden, die sich vorher auf dem Band befanden war es um mich geschehen. Endlich gewannen die Charaktere wieder emotionale Tiefe, die ich so bitter vermisst hatte, während der letzten Folgen.

So ging es nicht nur mir. In der Sitzreihe hinter mir befand sich eine sehr nett klingende Dame, die mir den ganzen Film über durch ihr bezauberndes Lachen aufgefallen war und offenkundig genauso von dem Film gefesselt war, wie ich. In der oben erwähnten Szene, die Homer offensichtlich auch seelisch zu schaffen machte, stöhnte sie bemitleidend auf. Genauso erging es mir und wohl auch dem Rest des Publikums. Genauso funktioniert gelbes Kino und genauso sollte gelbes Fernsehen auch wieder funktionieren. Erinnern wir uns nicht gern an die Familie, die sich mit alltäglichen Problemen herumschlägt und auch mal den Familientherapeuten Dr. Marvin Monroe zur Elektroschock-Therapie aufsucht? Aus der schönsten Kinoüberraschung des Jahres sollte am besten die schönste TV-Überraschung werden, indem man auch on Air alte Tugenden wieder aufleben lässt. Doch so tiefgreifende Gedanken hatte ich bei Betrachten des Filmes gar nicht, ich genoß einfach die Story und die vielen gut platzieren Gags. Es gibt viele Wortwitze, aber vor allem auch enorm viele grafische Gags, die einfach herrlich funktionieren: Ein Beispiel ist dabei die nackte Skateboard-Fahrt von Bart Simpson, in der immer andere „ganz zufällige“ Sichtbarrieren dem Zuschauer die Sicht auf Barts bestes Stück verdeckten, bis in einer kurzen Sequenz Bart komplett verdeckt ist, nur sein bestes Stück eben nicht. Dieses Spiel mit ungeschriebenen Gesetzen innerhalb der Serie (immerhin gab es in den ganzen Jahren nie ein gezeichnetes Geschlechtsteil explizit zu sehen) zeichnet den Film aus. Auch Nicht-Simpsons-Fans können ihren Spaß haben, doch als Freund der Serie gibt soviele Anspielungen auf Charaktere und Lokalitäten der Serie zu sehen, dass man aus dem Lachen nur schwer wieder herauskommt.

Die Synchronisation ist wie auch in der Serie hochklassig. Das traurigste Kapitel dabei ist sicherlich das Fehlen von Elisabeth Volkmann, die Marge und andere Charaktere so unverwechselbar gesprochen hat. Sie ist einfach nicht zu ersetzen, auch nicht durch Anke Engelke, die sich zwar hörbar müht, aber nicht im Entferntesten an die Klasse der Volkmann herankommt, die durch ihren plötzlichen Tod leider nicht mehr an dem Erfolg des Kinofilms partizipieren kann. Dies sollte man Anke Engelke allerdings nicht zum Vorwurf machen. Jeder andere wäre an dieser Aufgabe ebenfalls gescheitert. Es ist ihr und den Fans zu wünschen, dass sie es schafft, eine eigene Linie und eigene Trademarks zu schaffen. Der Rest der Besetzung ist wieder an Bord, genauso wie die Synchronsprecher der Gaststars dieses Filmes, wie z.B. Tom Hanks. Nur der typische Sprecher von „Präsident Schwarzenegger“ stand nicht zur Verfügung, genauso wenig, wie das österreichische Original. Dieses wird wohl wissen warum...

Als Fan der Serie fühlt man sich sofort zuhause. Man freut sich, neues Futter zu sehen, schließlich hat man die meisten Folgen schon oft gesehen und so ist es ein besonderes Erlebnis 90 brandneue Minuten zu verfolgen. Ich werde den Film sicher nicht das letzte Mal gesehen haben und so wird es wohl den meisten gehen. Bei einer derartigen Gagdichte wird es sicher noch das Eine oder Andere zu entdecken geben. Alles in allem war der Besuch des Films ein wunderbarer Abend, bei dem ich eigentlich nur eines bedaure: Die bezaubernde Dame hinter nicht kennengelernt oder zumindest gesehen zu haben. Vielleicht hört man sich ja in einem zweiten Simpsons-Film...

Fazit:

10 / 10

Details
Ähnliche Filme