Review

Nach Jahren der Versprechungen und etlichen Gerüchten, nach über 400 Episoden und einem beispiellosen Triumphzug der Serie, nun ist es endlich soweit. Wer wie ich mit den Simpsons aufwuchs und schon Kindheitserinnerungen mit dieser lebenden Zeichentricklegende verbindet, kann verstehen welch unvergleichliche Last auf den Machern des ersten Kinofilms lastete. Und wie leichtfertig diese monumentale Aufgabe gemeistert wurde beweist schon die Anfangsszene, in der die Familie Simpson im Kino sitzt und sich Itchy und Scratchy als aufwendigere Filmversion im Kino ansehen, und Homer sich an den gesamten Kinosaal wendet. Genial, wie uns Homer belehrt: schwachsinnig, sich etwas kostenpflichtig im Kino anzusehen, was man seit Jahren umsonst im Fernsehen sieht. Der Auftakt für ein nie da gewesenes Spektakel gelben Wahnsinns, bis zum Anschlag vollgestopft mit cleveren Verweisen auf die eigene Vergangenheit, die aktuelle politische Stimmung und natürlich fehlen auch nicht die altbewährten Anspielungen auf erfolgreiche Kinofilme. Viele Köche (elf Autoren schrieben das Drehbuch) verderben nun mal nicht immer den Brei.

Eine große Herausforderung war vor allem die narrative Ebene um den Film nicht wie eine verlängerte Folge (wie z.B. bei „South Park – The Movie“) oder mehrere aneinander gereihte Folgen (wie z.B. bei „Stewie Griffin – The Untold Story“) wirkt und diese schwere Aufgabe hat das große Autorenteam bestens gemeistert. Ohne jemals mit den Traditionen der Serie zu brechen entfaltet sich eine umfangreiche Handlung, die zu keinem Zeitpunkt auf eine episodische Montage setzt sondern sich strikt auf die zentralen Aspekte konzentriert. Nur wenig Subplots verwässern das spannend konstruierte Story-Gerüst, wobei sich der Film auf die alten Werte der Simpsons besinnt. Oftmals sind die neueren Episoden mit einer konfusen Handlung versehen, nicht selten driften sie in völlig andere Storylines ab und bieten immer absurdere Plottwists. Mit den früheren, dramaturgisch stets wahnsinnig dichten und stimmigen Klassikern innerhalb der Serie hat der neue Stil nicht mehr allzu viel zu tun. Genau diesen Fehler begeht David Silverman nicht, inszeniert gekonnt auch die leisen Töne: zum Beispiel erinnert die rührende Szene in der Marge das alte Hochzeitsvideo überspielt sehr an die perfekte Mischung aus kitschiger Sentimentalität und genialem Gag-Timing in der zweiten und dritten Staffel (man denke nur an Kultepisoden wie „Die Kontaktanzeige“ oder „Wie alles begann“).

Diese Rückbesinnung bezieht sich glücklicherweise auch auf die Gestaltung der einzelnen Charaktere, wobei die Familie Simpson eindeutig im Vordergrund steht. Beinahe jedes andere bekannte Gesicht taucht zwar hier und da mal auf, im Endeffekt bleibt aber jede Nebenfigur eben am Rand, teilweise huschen Charaktere nur mal kurz durchs Bild oder sind nur im Hintergrund zu entdecken. So vermeidet man geschickt eine Überladung, der Fokus liegt auf der Familie und das erweist sich als kluger Schachzug. Schließlich ist in der Serie noch Zeit die mannigfaltigen Nebenfiguren ausführlich vorzustellen, was im Prinzip ja schon mit jeder Figur geschehen ist. Auch die neue Figur, Lisas irischer Schwarm, bleibt in seiner Präsenz reduziert, passt aber wunderbar rein in das Simpsons-Universum. Schade, dass Arnold Schwarzenegger beim Namen genannt wird und nicht als sein Simpsons-Ich Rainier Woolfcastle, doch das nur am Rande. Schwarzeneggers Persiflierung ist gelungen, gehört aber nicht zu den Höhepunkten im Gag- Repertoire. Stattdessen bekommt Homer wieder mehr Individualität und Charakter verliehen, während er in den vergangenen Staffeln immer mehr verdummte und stellenweise zum gehirnlosen Zombie verkam. Hier ist er wieder ganz der sorglose, naive Faulenzer wie eh und je doch ohne seine Debilität zu übertreiben. Außerdem treibt er es mal wieder zu weit und verletzt die Gefühle seiner Frau, was seine aufrichtige Liebe zur Familie weckt. Hier kommt ein toller, selbstreferenzieller Twist zum Einsatz, in Form einer Epiphanie Homers. Diese religiös anmutende Erscheinung wird ausgelöst durch ein altes Inuit-Ritual, in welches Homer von einer alten Frau eingewiesen wird. Wie immer ändert Homer seine Meinung gerade noch rechtzeitig um wieder gut zu machen, was er zuvor verbockte.

Marge, Bart und Lisa haben sich in der fortlaufenden Entwicklung im Vergleich mit Homer kaum verändert und diese Kontinuität behält man im Film stimmig bei. Maggie wird allerdings, im Gegensatz zu vielen Episoden, nicht zur Randfigur degradiert und hat wichtigen Anteil am Verlauf der Story (Bsp: Das Loch im Boden, das von ihr entdeckt wird). Bart liefert mit einer aufwendig gestalteten Skateboard-Fahrt einen frühen Höhepunkt des Films, in dieser Szene wird der visuelle Humor auf die Spitze getrieben in Form von einer kreativen Verdeckung von Barts Geschlechtsteilen, die mit originellen Ideen ins Absurde gesteigert wird nur um diese dann kurz offen zu zeigen! Einfach köstlich, muss man gesehen haben – spätestens zu diesem Zeitpunkt handelt es sich nicht mehr um eine einfache Simpsons-Folge sondern um ganz großes Comedy-Kino.

Der Charakter eines groß budgetierten Kinofilms wird vom voluminösen, feinsinnigen Score adäquat unterstützt. Hans Zimmer komponierte eine musikalische Untermalung, die im starken Kontrast steht zu Danny Elfmans schrägem Titelthema (welches natürlich auch zur Geltung kommt). Seine Melodien unterliegen dem Erzählrhythmus, drängen sich nicht in den Vordergrund, landen trotz gefühlvoller Passagen nicht in pathetischem Klischeebrei. Wie maßgeschneidert umhüllt Oscar-Gewinner Zimmer („König der Löwen“) die tollen Bilder, überzeugt mit einem wesentlich ruhigeren Stil als sein Kollege Alf Clausen, der langjährige Haus- und Hofkomponist in der Serie. Indem man sich einem neuen musikalischen Stil öffnet, grenzt man sich weiter bewusst ab vom herkömmlichen Fernsehstandard. Gleich zu Anfang bieten Green Day („American Idiot“) einen Kurzauftritt und performen das hinlänglich bekannte Titelthema in einer sehr lustigen Rockversion, die vielleicht sogar im Handel erscheinen wird.

Bei aller Liebe zur Beständigkeit und zu den alten Qualitäten der Serie, für einen würdigen Langfilm müssen einige Höhepunkte geboten werden, auch fürs Auge. Anders als diverse Animationsfilme aus den großen Studios setzt man selbstverständlich nicht auf technische Verfeinerungen an allen Ecken. Im klassischen 2-D Stil macht die Optik einen herrlich altmodischen Anstrich und selbst in den spektakulären Massen- und Effektszenen tastet man sich nur ganz vorsichtig heran an die Verwendung modernster Computertechnik. Dank minimalistischem Einsatz von digitalen Effekten und liebevoller Kleinstarbeit entstanden beeindruckende Bildkompositionen, die der Kinoleinwand mehr als gerecht werden. Dazu gesellt sich der kraftvolle Sound, mit diversen Effekten ausgestattet, sodass auch akustisch mit den Blockbustern unseres Jahres konkurriert werden kann.

Zum eigentlichen Humor muss man nicht mehr viel sagen denn er steht ganz und gar in der Tradition der Simpsons, ohne verfälschende Einflüsse neuerer Erfolgsserien wie „Family Guy“. Der Dialogwitz strotzt vor intelligentem, doppelbödigem Wortwitz, dessen intelligente Vielseitigkeit sich wohl erst bei mehrmaligem Ansehen völlig entfalten wird. Im Subtext schwingen so viele versteckte Insider-Bemerkungen mit wie nur irgend möglich, unter strenger Vermeidung bemühter Aufgesetztheit. Wie immer bei den ganz Großen, wirkt auch hier alles ganz leicht und flüssig – David Silverman hat sich selbst übertroffen, doch als alter Veteran innerhalb der Serie ist er mit dem Sujet vertraut, hat keinerlei Schwierigkeiten seine Materie zu handhaben. Politische Satire bietet der Handlungsrahmen jede Menge, nur oberflächlich wurde der scharfe Grundton für ein noch größeres Massenpublikum geglättet. Aber das war allgemein schon immer die größte Stärke der Serie, ein volles Verständnis ist gar nicht vonnöten um sich unterhalten zu lassen und je mehr man sich auf die popkulturellen und politischen Bezüge einlässt, desto mehr gibt es für den Zuschauer auch zu entdecken. Angenehm auch, dass wie immer weder Republikaner (bekommen mit Arnie als dumpfen, willkürlich agierenden Präsidenten ihr fett weg) noch Demokraten (Al Gore’s zweifelhafter Dokumentarfilm „Die unbequeme Wahrheit“ wird köstlich durch den Kakao gezogen) verschont werden und Anhängern beider Parteien Denkanstöße geboten werden, die nicht so aggressiv daher kommen wie zum Beispiel in „South Park“.

Fazit: Tatsächlich, es ist vollbracht. Die gelbste Familie der Welt betritt unter Jubelgeschrei die große Leinwand, schafft es alle Erwartungen zu erfüllen, eventuell sogar zu übertreffen. Fakt ist, hier stimmt wirklich alles, ohne Einschränkungen – nichts weniger als perfekt! Volle Punktzahl und vor allem: Königlich witzig ohne Verunglimpfung von Randgruppen, Fäkalsprache, unnötige Derbheiten und sonstiges Gehabe. Die Simpsons sind die geblieben die sie waren und darüber bin ich sehr froh.

10 / 10

Ein Wort zur deutschen Synchronisation: Keine Frage, das Original ist besser und der Wortwitz in seiner Gänze unübersetzbar. Letztlich gelang die Synchro aber genauso wie jene zur Serie überaus authentisch und trotz diverser Abweichungen rundum gelungen. An Anke Engelke als Marge kann ich mich zwar nicht so recht gewöhnen, aber gut, dass ist ein anderes Thema…

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