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Nang Nak - Auch Liebe ist nur eine Fessel



Nang Nak stirbt bei der Geburt ihres Kindes. Als Mak, Ehemann und Vater, nichtsahnend aus dem Krieg ins Dorf heimkehrt, beginnt Nang Nak wieder unter den Lebenden zu wandeln. Sie ist zurückgekehrt, um Mak wie zu Lebzeiten zu lieben und zu dienen. Unnachsichtig zerstört sie all jene, die sich zwischen sie und ihren Mann stellen wollen. Doch auch Mak schenkt den Freunden kein Gehör, die behaupten, er würde mit den Geistern leben.
Die Legende Mae Naak Phra Khanong, auf welcher der zweite Spielfilm Nonzee Nimibutrs beruht, ist seit beinahe einem Jahrhundert ein herausragendes Phänomen thailändischer Populärkultur. Unzählige Male wurde sie erzählt, gedichtet, für Oper und Theater adaptiert, für Fernsehen und Kino verfilmt. Es scheint, das thailändische Publikum würde dieser traurigen Geschichte einer unglücklichen Liebe niemals überdrüssig werden. Und längst schon sind um das Phänomen Mae Naak neue Legenden gesponnen. Eine dieser Legenden weiß zu berichten, daß immer wenn ein Filmstudio kurz vor dem Ruin stand und mit letzter finanzieller Kraft ein Remake der Mae Naak produzierte, sich dieses Filmstudio alsbald erholte und wieder schwarze Zahlen schrieb.
Die Geisterfrau Mae Naak hatte schon viele Gesichter. Sie war der Dämon, der neidisch auf das Glück der Lebenden von den Toten wiederkehrte, um den Menschen das Leben schwer zu machen. Sie war die eifersüchtige Furie, die Jagd auf die Frau machte, die ihr Mann nach ihrem Tod geheiratet hatte. Sie war schon vieles, in unzähligen von Adaptionen. Dennoch ist sich Regisseur Nonzee Nimibutr sicher, ganz neue Ansätze aus der alten Legende gewonnen zu haben. Um den Unterschied seiner Version zu den vorangegangenen Interpretationen zugleich offensichtlich zu machen, gab er seiner Hauptfigur auch einen neuen Namen: Nang Nak.
Mit einem neuen Realismus wirbt man auf der Internetseite (www.nangnak.com). Von dem Klischee des langhaarigen, schönen Geistes wollte man sich lösen. „Ich habe auch nie verstanden, warum eigentlich nie jemand auf die Liebesgeschichte gewichtet hat, anstatt auf die Horrorelemente oder ihr eifersüchtiges Wesen“, meinte Nonzee und sollte es doch eigentlich zufrieden sein. So ist er mit seiner Version sicherlich offene Türen eingerannt. 150 Millionen Baht, das Zwölffache seiner Produktionskosten, hat Nang Nak an den thailändischen Kinokassen eingespielt, eine für einen Thai-Film bis dato ungeahnte Summe, doppelt so hoch wie das Einspielergebnis seines Debüts Dang Bireley’s Young Gangsters, dessen Rekord er mit Nang Nak nun selbst eingestellt hatte.
Nicht nur durch seine Orientierung auf die unsterbliche Liebe zwischen Nang Nak und ihrem Ehemann Mak gewann Nonzee Nimibutr der Legende einen neuen Aspekt ab. Auch dadurch, daß er sich Liebes- und Geistergeschichte aus einer buddhistischen Perspektive näherte, wie sie bereits in seinem Debüt evident war, stellte er subtil weitere Elemente in Frage, die in der Legende auch aufgrund ihrer steten Reproduktion fest verankert schienen. Der Film bietet sogar die Möglichkeit an, der auf der Leinwand inszenierte Spuk, könne auch ganz andere Ursachen haben, als die Rückkehr Nang Naks von den Toten.
„Es ist ihr eigenes Karma, das sich gegen sie wendet“, gibt Nang Nak ihrem Mann zu verstehen, als sich dieser wegen der Todesfälle in seinem Freundeskreis besorgt. Tatsächlich schaffen plötzlich aufziehender Sturm, Regen und Gewitter eine gespenstische Atmosphäre und ein Gefühl der Bedrohung, auf einen Geist, der Menschen attackiert, aber hat der Regisseur verzichtet. Vieles, durch was sich die Dorfbewohner bedroht fühlen, mag ganz natürliche Ursachen haben. Ihr Aberglauben ist etwas, worauf Nonzee Nimibutr schon in der Eröffnungssequenz verwies. Als sich der Mond vor die Sonne schiebt und es in der Mitte des Tages dunkle Nacht wird, bricht heillose Panik aus.
Nonzee Nimibutr integrierte sogar Ideen in den Subtext der Geistergeschichte, die die Vermutung reifen lassen, nicht der Geist Nang Naks sei Urheber der unerklärlichen Phänomene, sondern die angeschlagene Psyche des Witwers Mak. Dieser wird im Krieg schwer verwundet und deliriert mehre Wochen an der Schwelle zum Tode. Der buddhistische Abt, dem es schließlich gelingt Mak zu heilen, rät dem jungen Mann, ein Kernprinzip des buddhistischen Glaubens stets zu befolgen, sonst würde er großes Leid verursachen. Nicht an irdische Dinge solle er sich hängen. Nach buddhistischer Auffassung ist auch die Liebe nur eine Illusion, die von der wahren Erkenntnis ablenkt. Mak lehnt das Angebot des Mönches ab, sofort zu ordinieren, und kehrt zurück in sein Dorf. Vor dem Haus wartet Nang Nak. Auf dem Arm trägt sie Dang, den gemeinsamen Sohn. Das gemeinsame Glück jedoch ist nicht von Dauer. Die Nachbarn und Freunde vermeiden jeden Kontakt. Als Mak eines Tages im Wald Holz schlägt, überrascht ihn Um, ein alter Freund. Um ist völlig verängstigt und was er da erzählt, ist die gemeinste Lüge, die Mak je gehört hat. Nang Nak sei bei der Geburt des Kindes gestorben, beschwört Um: Nang Nak und das Kind seien Geister. Aufwachen solle er, der Geblendete, solle sehen, daß er mit den Geistern lebe.
Auch diese Bemerkung erlaubt wenigstens zwei Interpretationen. Die erste ist natürlich, es leben Geist und Mensch unter einem Dach. Man kann aber auch annehmen, der Satz sei an jemanden adressiert, der sich nicht von der Vergangenheit lösen kann, der mit den Toten spricht, als seien sie noch am Leben. Und nur er kann sie sehen. Fern läge diese Mutmaßung nicht, wenn man nur bedenkt, wie der psychisch und physisch angeschlagene Mak schließlich heimkehrt, doch nur um zu erfahren, daß die geliebte Frau gestorben ist. Mehr Evidenz für diese Theorie offenbart sich, als auch der Abt des lokalen Klosters Mak in dessen Hütte aufsucht, um ihn zur Einsicht zu bewegen. Das Haus macht plötzlich einen schmutzigen, verfallenen Eindruck. Wenn Nang Nak und Mak alleine sind, sieht es wesentlich gepflegter aus. Zudem bietet Mak dem Abt völlig vergammeltes Trockenobst an und schaukelt beständig eine Wiege, in der der Abt beim besten Willen nichts erkennen kann. Abgesehen von dichtgewebten Spinnennetzen.
Der Konflikt wird im Finale schließlich dadurch gelöst, daß sich Mak am Grab von Nang Nak endgültig verabschiedet. Der Geist kehrt in den verwesenden Leichnam zurück und wird dort durch einen hohen Mönch gebannt. Eine Mission, an der ein Schamane zuvor kläglich gescheitert ist und mit dem Leben bezahlte. Mak wird ordiniert und verbrennt Nang Naks Leichnam. Nun hat er sich von den Versuchungen des Samsara, des irdischen Jammertals und ewigen Kreises der Wiedergeburten, losgesagt.
Dem Unterhaltungswert von Nang Nak ist die Ambivalenz seiner Handlung nicht abträglich. Neben den wunderbaren Bildern und dem hinreißend elegischen Soundtrack ist es gerade diese Mehrdeutigkeit, die dem Film auch nach mehrmaliger Ansicht immer wieder interessante Momente abgewinnen läßt. Es ist bei weitem also nicht nur großspurige Promoprahlerei, wenn Nonzee Nimibutr behauptet, er hätte der Legende ganz neue Aspekte abgewonnen. Das hat er. Die Geschichte ist nicht nur originell und in einer beeindruckenden Ästhetik neu erzählt, sondern durch die Option für eine andere Sicht auf die Beziehung von Nang Nak und Mak auch des etwas faden chauvinistischen Beigeschmacks entledigt worden. Es ist nicht länger zwangsläufig Nang Nak, die aus Liebe und Devotion von den Toten aufersteht. Zeitgleich hat Nonzee Nimibutr auch die Variante erzählt, daß es Mak war, der aus Sehnsucht nach ihrer Liebe und Fürsorge, Nang Nak zumindest in seinem Geiste nicht sterben lässt.

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