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Angesichts des derzeitigen Bestrebens, sich im kantonesischen Kino gegenseitig in Ausmaß und Kraft überbieten zu wollen und die Stars auch in entsprechende Großprojekte statt in die nächste Romcom zu packen, nimmt es schon Wunder, wieso der geneigte Zuschauer derartig lange darauf warten musste. Während man sich dieses Jahr noch auf den gerade gestarteten Blood Brothers sowie die noch in Bälde anlaufenden The Triangle, The Warlords, Three Kingdoms - Resurrection of the Dragon und The Brothers angespannt euphorisch freuen darf, galt die Aufmerksamkeit während den Sommermonaten vor allem den modern day actionern Invisible Target und Flash Point. Beide vom ersten Augenblick der Ankündigung heissbegehrt und sich gegenseitig mit public relation Tricks übertreffend, Flash Point dazu noch zusätzlich von der Querverbindung mit Sha Po Lang profitierend.

Dabei ließen die ersten Informationen auf eine Art Fortsetzung hindeuten. Ein anti-sequel sequel, dass aus bekannten Gründen eben nicht die Geschichte im direkten Sinne anknüpfend spinnen kann, sondern einen anderen Weg der Weiterführung geht. Während dieses Vorhaben – sowie ein vorweg nehmendes Prequel, dass den extensiven Fokus auf Sammo Hung und Jacky Wu Jing legen sollte – immer noch in der überlegenden Entwicklung ist, kristallisierte sich ein drittes Projekt heraus, dass außer Regisseur Wilson Yip und dem Drehteam des Originals auf Bezüge verzichtete und sich einem neuem Stoff ebenfalls im cop / crime milieu zuwandte. Neben Donnie Yen als neuerdings kommerziellem Zugpferd in der Hauptrolle wurde auch in der ergänzenden Besetzung stark darauf geachtet, sich eng an den Traditionslinien entlangzuhangeln und in durchgängig festen Ritualen einzubetten.
Schauspieler wie Ray Lui, Ngai Sing, Ben Lam, Kent Cheng, Austin Wai waren besonders in den Achtzigern und frühen Neunzigern gefragt, haben sich in dem Zeitraum vermehrt um den zeitgenössischen Martial Arts Film verdient und parallel dazu auch ihre einschneidenden Erfahrungen mit den Gegebenheiten der rudimentären B-movies gemacht.
In dieser Gesinnung konzipiert legte man sich mit fortgeschrittener Produktionsphase ab November 2006 und der Arbeitsnennung City without Mercy den jetzigen Titel zu:
Flammpunkt. Spannungsgebiet. Unruheherd.

Macau, 1997.
Inspector Ma Jun [ Donnie Yen ] wird nach mehreren Verfehlungen wegen Amtsmißbrauch in die Polizeikapelle versetzt und erst zurückgeholt, als Inspector Wong [ Kent Cheng ] schlagkräftige Hilfe gegen die vietnamesischen Räuber Tony [ Ngai Sing ], Zha [ Ray Lui ] und Tiger [ Xing Yu ] benötigt. Der von den skrupellosen Brüdern betrogene Drogenhändler Shan [ Ben Lam ] möchte nach mehreren Drohungen eine Aussage vor Gericht abliefern; auch der eingeschleuste Polizist Wilson [ Louis Koo ] kann mit Informationen dienen. Doch schnell wendet sich das Blatt.

Ab dem ersten Moment an brodelt es unter der kühl-glänzenden Oberfläche der klassischen Genreerzählung. Eine mühsam gebändigte Aggressivität, die auch im scheinbaren Stillstand, Minimaldramaturgie und zurückgehaltener Passivität ständig Spannung, Tension und Stimulanz produziert. Der Bildraum vollständig mit Streitbarkeit, Zanksucht, Angriffslust verhetzt.
Eine untergründige, nervöse Fassade, die sich nicht lange mit Mutmaßungen bezüglich des weiteren Verlaufs aufhält und im offensiven Handlungsstakkato vorwärts treibt. Ein angenehm druckvolles Schlingern über dem Umweg einer Undercover- sowie Zeugenschutzgeschichte, die zusammen mit dem Einer-gegen-Alle und Cops VS Robbers so alt und gleichzeitig praktikabel wie das Kino selber ist. Mit einer bereits gewalttätigen Einführung, die in der aufs Nötigste dezimierten Vorstellung der Kombattanten die Betriebstemperatur schon spürbar anheizt und sich nicht viel Mühe gibt, erst ausgiebig gefühlvolle Momente zu etablieren.

Ein mechanistischer Plot wie aus dem Lehrbuch, bestechend in seiner ehrlichen Haltegriff-Stringenz, der aufrichtigen Entschiedenheit auf das Wesentliche und damit auch dem Verzicht auf die Argumentationsnöte. Derartig stoisch, dass man hier und da an den schmalen Grat zur Parodie gerät. Mit einigen wenigen Erweiterungen gesegnet, die beim näheren Hinsehen schon den Blick auf mehr Details sowie etwaige Tiefe eröffnen könnten, sich aber nicht weiter in die nachdrückliche Dringlichkeit des Geschehens schieben und stattdessen erfreulich unauffällig an den Rand positionieren. Getragen vom Leitmotiv einer Familienzusammenführung, der Stadtflucht, um den verrohten Brutalitäten zu entfliehen und Schutz zu suchen und der bevorstehenden Rückgabe des Gebietes an die Volksrepublik China im Dezember 1999 begibt man sich ohne großartige Umschweife und verbale Entgleisungen in die unverzügliche Kampfhaltung. Gebremst anfangs nur durch den strukturellen Überschuss der Polizeimarke. Ma Jun würde ja gerne sofort durch die Mauern brechen, wird aber durch seinen eigenen Job in der inneren Berufung gehemmt. Das Festsitzen in der staatlichen Kommandokette lässt ihn auf konkrete Zeugenaussagen und Beweise ebenso untätig ausharren wie sie den Verbrechern einen ständigen Vorteil verschaffen. Bis diese es zu bunt treiben, unschuldige Bürger terrorisieren und die koloniale Halbinsel mit entfesselter Furie und blutigen Auseinandersetzungen überziehen.

Die by-the-book Charaktere müssen sich dabei wie das gesamte halbintellektuelle hardcore-Skript grundsätzlich natürlich nicht den Vexierfragen von moralischer Legitimität oder gesellschaftlicher Probleme erwehren. Die Illusion, die Gerechtigkeit auf gesetzlich erlaubten Wegen einzuholen stellt sich für Ma und seine Kollegen schon von Beginn an nicht; in einem Land, indem darüber diskutiert wird, das Beschwerdesystem einfach einzustellen. Derlei kritische Bilder und das Schwelgen in der späteren Selbstjustiz werden durch die explosiv geladene Atmosphäre des Überlebenskampfes gerechtfertigt oder ganz einfach durch immer wieder neue Geschwindigkeitsmodifikationen überspielt. Eine obsessive Wiederkehr spezieller gleichartiger Momente, Phasen, Zustände, die sich im intensiven Rhythmisieren der Tätigkeiten steigert und nach zwei künstlichen Verzögerungen zu heftig pulsierenden Höhepunkten führt. Eindrucksvoll untermalt von einem minimalistisch angelegten Score [ von Comfort Chan Kwong-wing ], der in seinen perkussiv herzschlagartigen Tönen mit kurzem Einschwingverhalten schon für sich gesehen ein autarkes hochdramatisches Werk darstellt.

Dieser eher subtil als heftig stampfende Bewegungschor funktioniert auch ausgezeichnet als Massenmobilisierung, wenn es denn an die lang erwartenden Actionszenen und deren visuelle Ausbeutung geht. Anders als landläufig beschieden wird sich nicht erst im letzten Drittel bekriegt, aber das Augenmerk liegt nach mehreren Kurzeinsätzen incl. Autoeinlagen schon auf dem ausschweifenden wall-to-wall Showdown in der provinziell-idyllischen Wildnis, in der wie im Paradies fern von Regeln und Befehlen nur Kampf, Schmerz und Sieg zählen. Statt einem förmlichen Technik-Feuerwerk voll akrobatischem Wushu ein erbarmungsloser fistfight mit überwältigenden Durchschlägen. Auch kommen wie bei SPL bereits angerissen nun die erprobten Stand- und Bodenfertigkeiten der Judoka sowie artverwandt auch des Ringens und Wrestling zum Einsatz, incl. dem engen Oberkörperkontakt im ersten Vormarsch, dem Gleichgewichtbrechen, der Hüft-, Schulter- und Beinwürfe. Eine rapide Abfolge taktischer Handlungen aus freiem Angriff und freier Abwehr. So bereichsübergreifend wie im wildesten Selbstverteidigungsrandori. Und so mühelos, atemberaubend, grausam wie die physische Instrumentalisierung des Körpers nur sein kann.
Die Befriedigung der Sensationslüste und kindlichen Freude an der zeigefreudigen Zerstörung aus eigener Kraft, ohne sich auf Vortäuschung mit Spezialeffekten, überhand nehmenden Materialschlachten und Manipulationen in der Nachproduktion zu verlassen.

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