Großartiger Genremix von Carpenter!
Nachdem ich den Film gesehen hatte und dann einige Reviews dieser Seite durchlas, fiel mir auf: irgendwie wurde das Grundkonzept des Films missverstanden bzw. eine ganz andere Art von Film erwartet.
Was nämlich bei diesem Film auffällt, ist der spielerische, ungezwungene Wechsel zwischen verschiedenen Genres: Zunächst so etwas wie ein Sozialdrama, entwickelt sich der Film bald zu einem Verschwörungsthriller, daraufhin zu einem Buddyactionfilm, zwischendurch wird ein Quentchen Horror eingestreut, und schlussendlich laufen alle Genres zusammen. Gerade weil es nicht möglich ist, diesen Film einem Genre zuzuordnen, finden sich einige mit diesem Streifen nicht zurecht. Horrorfans, die beim Namen "Carpenter" sofort aufhorchen, werden hier ebenso enttäuscht, wie die, die einen sozialkritischen und dabei bierernsten Thriller erwarten - wenn sie sich nicht auf den Film einlasssen.
Und tatsächlich kann so ein Genrespagat auch schief gehen, sobald das ganze nämlich gezwungen oder aufgesetzt wirkt. Doch gerade hier punktet "Sie leben", weil er sich an der Hauptfigur John Nada orientiert, der den ruhigen Pol und Orientierungspunkt darstellt, um den sich das Chaos entfaltet. Zuerst noch staunend und irgendwie verloren in der großen Stadt (auch wenn so ein Pfundskerl das nicht zeigen möchte...) muss er miterleben, wie die Welt um ihn herum zerfällt. Die slumartigen Anlage, in der er mit seinem zukünftigen Buddy Frank unterkommt, wird während einer großangelegten Razzia vollkommen zerstört. Mitglieder einer mysteriösen Untergrundgesellschaft werden festgenommen und es ist klar: John kann nur sich selbst trauen, die Welt um ihn herum scheint feindlich.
Doch mit dem Fund einer der vom Untergrund hergestellten Brillen (eine zugegebenermaßen recht platte Metapher) ändert sich Johns Wahrnehmung: Er erkennt nun, wer ihm feindlich gesonnen ist, Freunde hat er trotzdem noch nicht: der Verschwörungspart des Films. Die überall prangenden unsichtbaren Botschaften sind eine gut umgesetzte Idee, die zum Glück auch nicht so inflationär eingesetzte wird, dass sie aufgesetzt wirkt (am besten gefielen mir die Geldscheine mit der Aufschrift "This is your god").
Aber da war doch noch eine aufkommende Freundschaft, die durch die neugewonnene Erkenntnis und somit Außenseiterschaft Johns vorerst auf Eis lag. Frank kommt zurück und während eines wirklich schweißtreibenden Kampfes wird die Einigkeit wieder hergestellt (eine Art Katharsis, wenn man denn so will), der Buddypart des Films kann beginnen. Der Untergrund ruft, fliegt jedoch bald auf. Gewonnen wird aus dem Blutzoll ein Weg, die Maskerade der Verschwörung aufzudecken: das Finale wird eingeläutet, das zum Glück nicht in übertriebenen Effektorgien oder Schmalz ertrinkt, sondern (auf Filmbasis) recht realistisch endet.
Die Genrewechsel sind sauber platziert, die Stimmung ist genial eingefangen, die Oneliner sitzen auch - nur mit einem sollte man nicht in vollem Umfang rechnen: Tiefgang über die Länge des Films. Da wir hier aber immer noch bei Carpenter sind, dürfte das ohnehin keiner erwartet haben. Bleibt also eine erfrischende Story mit gelungener Umsetzung und dem gewissen Etwas, das den Film deutlich aus dem Durchschnitt hebt. Also: WATCH THIS MOVIE!