Harte Kost aus Frankreich, die die Staaten vor Neid erstarren lässt. Seit Alexandre Aja 2003 den kontrovers aufgenommenen 'High Tension' auf die Leinwand brachte, scheinen sich immer mehr Leute aus der Gegend zu trauen, was sie wirklich auf dem Kasten haben. Allerdings gibt es bis dato nur einen handwerklich ähnlich aufgebauten Film wie ebenda Ajas Werk - 'Inside' von Alexandre Bustillo und Julien Maury. Die weiteren Kandidaten reihen sich eher in die Sparte Folterfilme ('Frontier(s)'), Drama ('Martyrs') oder altbekannten Backwood-Horror ein ('Humans'). Die eigentliche Intensität und extreme Gewaltdarstellungen finden sich nur in den beiden oben genannten Werken wieder. 'Inside' ist im Gegensatz zu seinem Bruder 'High Tension' in Bezug auf graphische Gewalt sogar etwas radikaler, spart daher aber noch eher mit der Geschichte als es bereits Aja tat. Die Story ist um ehrlich zu sein purer Non-Sense, sie dient alleine dazu, ein optisch geniales Massaker zu fabrizieren. Aber bei Horrorfilmen gerät der inhaltliche Aspekt in der Regel eh etwas in den Hintergrund, da man keine tiefgründige Geschichte zu erzählen hat, lediglich dient sie dazu, Sympathieträger einzuführen, um dann einen groß Teil der goldenen Regel nach abzuschlachten. 'Inside' bedient sich im Grunde dem selben Muster, nur radikal reduziert.7
Die Geschichte mag arg lächerlich und teils auch beschämend klingen, da auch die Nebendarsteller in Form von Polizei und Ex-Ehemann (?) selten dämlich agieren und sich nicht zu wehren wissen, greift die Unbekannte sie mal an. Aber das macht überhaupt nichts, denn sie erfüllen regelrecht ihren Zweck - auf bestialische Art und Weise zur Strecke gebracht zu werden. Und das hat es wirklich in sich. Begleitet von einem monotonen, Großteil nur aus Soundeffekten bestehenden Soundtrack und einer schlichten, aber verstörend-wirkenden, sepia-ähnlichen Optik, die eine unglaublich ergreifende Atmosphäre hervor beschwört, versucht Sarah auf ängsten Raum sich zur Wehr zu setzen. Dass es trotz der sehr kurzen Laufzeit von knapp 70 ab und an logische Ungereimtheiten mit sich bringt, ist zu verkraften, denn dieser Werk lebt von dem, was ein Horrorfilm (ist es denn wirklich ein Horrorfilm?) auszeichnet - das ist der Akt an sich, und jener zieht sich durch den ganzen Film, wobei die Kamera uns nichts vorenthält - die Szene, in der sich Sarah versucht, in der Küche relativ am Ende Luft zu beschaffen, setzt ein verstörendes Highlight - nichts für schwache Nerven. Wer nur aus Zucker besteht, sollte generell einen großen Bogen um dieses Werk machen, denn nach einen relativ kurzen Einführung der Hauptdarstellerin beginnt der Albtraum auch schon - der in ein heftiges Finale mündet, dass sich gegen alle Konventionen des Horrorfilms stellt.
Anders als sein großer Bruder verzichtet dieser Film auf den psychologischen Schliff (mit dem 'High Tension' schlussendlich gefallen ist) und verweigert auf Grund der enormen Distanz zum Publikum jegliche Interpretationsmöglichkeit. Zwar gibt es am Ende eine Aufklärung, weswegen die Unbekannte die halbe Nachbarschaft und Polizeiwache niedergemetzelt hat, doch ist das nicht der Kern des Films. Es setzt dem Ganzen vielleicht das Sahnehäubchen auf, aber nicht die Krone. Der geheime Star sind hier die graphischen Gewaltszenen, mit denen der Film punkten und von der Masse hervortreten möchte - und das ist ihm sehr gut gelungen. Mit netten Kameraperspektiven und gewagten Close-Ups lässt dieses Werk besonders Gore-Hounds das Herz schneller rasen. Da es nicht sonderlich viel Personal kommt, zeigt sich auch keine Repetition noch Langwierigkeit auf, selbst wenn man die ein oder andere Unwahrscheinlichkeit in Kauf nehmen muss. Die zügige Inszenierung und die solide aufspielenden Hauptdarsteller verleihen dem Film noch eine besondere Note, mit der man etwas produzieren wollte, was es so bisher noch nicht gab. Zwar sind solche Art von Filme keine Neuerung des Genres, aber selten werden sie so konsequent durchgeführt ohne nun auf eine moralische Schiene zu gelangen, die dem Zuschauer irgendetwas beweisen muss.
Terror-Kino. Das ist ein passender Ausdruck für diese Art von Film. Schon Tobe Hoopers 'The Texas Chainsaw Massacre' war ultimatives Terror-Kino - Alexandre Aja hat dieses Subgenre wieder aufgenommen und radikal modernisiert, das Regisseuren-Duo Bustillo & Maury hat danach die Messlatte gesetzt - schade, dass danach nichts mehr Nennenswertes gab. 'Insides' ist pures Terror-Kino, bei dem es keinen Platz für Grenzen, Charaktere oder eine Geschichte gibt - man möchte das Publikum verschrecken, verstören und in den Wahnsinn treiben - und dieses Ziel haben die beiden Franzosen keineswegs verfehlt.
Trotz des minimalen Settings und kaum Dialog unterhält (sofern man das hier so sagen kann) dieses Werk blendend, es bringt frischen Wind in das Horrorfilm-Genre. Für die Amerikaner scheint diese Art wohl noch etwas zu hart - das exotische Europa hat so manche Filmperlen parat und das in nahezu jedem Genre. Als wahrer Filmkenner sollte man sein Augenmerk ohnehin mehr auf Europa legen - das es sich nun lohnt, auch dem Horrorfilm eine Chance zu geben, bewiesen ein weiteres Mal die Franzosen. 'Inside' und 'High Tension' haben das Terror-Kino nachhaltig beeinflusst, die ihren Fokus auf das richten, was dieses Genre eben ausmacht. Verstörung in medialer Vollkommenheit. Darüberhinaus sieht 'Inside' auch noch ziemlich gut aus, optisch einwandfrei, handwerklich solide Arbeit - nur die Zusatzhappen agieren etwas zu dumm. Andererseits hätte eine aktive Abwehr der Opfer den Film nur unnötig in die Länge gezogen. Als kleinen, heftigen Happen für zwischendurch funktioniert dieser Film jedenfalls allemal, selbst wenn die Geschmäcker dort verschieden sein können. Ganz besonders bei dieser Art von Film.