Mit INSIDE untermauert Frankreich wieder einmal seinen Ruf, mit die atmosphärischten & packendsten europäischen Horrorfilme der Neuzeit zu fabrizieren. Ich wage gar mal zu behaupten, dass der - wenn auch zu Recht -hochgelobte HAUTE TENSION gegen INSIDE wie ein moderater Tagesalptraum wirkt, bei dessen Aufwachen man zwar ein leicht mulmiges Gefühl hat, jedoch nach kurzem Augenreiben wieder die schönsten Farben sieht. Hier bleibt nach dem Aufwachen die die purste Finsternis, hier will man förmlich nach Licht schreien. Doch niemand ist da um den Schalter zu betätigen. Wahrlich: Selten wurde so intensiv das Thema "Gut gegen Böse", "Schwarz gegen Weiss", "Leben gegen Tod" interpretiert wie hier.
Bei INSIDE wird eines der letzten Tabus im Horrorfilm thematisiert: Hochschwangere Frauen als Opfer. Fast nur sind das abschlachten von Babys oder Kindern - ob sichtbar oder nicht - für den Zuschauer unerträglicher und stellen ihn auf eine harte Gewissensprobe vielleicht vorzeitig abzuschalten. Das ist hier kaum möglich, da der Spannungspegel so hoch ist, das man förmlich in seinen Sessel gepresst wird. Bis endlich der Abspann kommt vergehen gut 75 Minuten, die in ihrer Straffheit des Drehbuches auf das Nötigste reduziert, trotz oder gerade ob ihres begrenzten Handlungsraumes eine dermaßen klaustrophobische Atmosphäre schaffen, das es für Hauptperson und Zuschauer kein Entkommen gibt.
Unsere Protagonistin heißt Sarah, welche kurz vor der Geburt ihres Sohnes bei einem Autounfall ihren Mann verliert und bei selbigem nur leicht verletzt samt Baby überlebt. Es ist Winter, ein Tag vor Weihnachten, ein Tag vor ihrer Entbindung. Zusammen mit ihrem Arbeitgeber - seines Zeichens Chefredakteuer einer rennomierten Zeitung & Freund der Familie - und ihrer Mutter möchte sie dennoch das Beste aus dem Moment herausholen und mit ihnen Weihnachten feiern. Traurig und glücklich zugleich sehnt sie sich noch nach etwas Ruhe, die durch ein jähes Klingeln der Haustür unterbrochen wird. Eine Unbekannte bittet um Einlaß, will telefonieren. Doch Sarah wehrt ab; es herrscht Krieg auf den Straßen, Jugendgangs wüten und Terror regiert. Im Haus ist sie sicher, im Haus ist sie geborgen. Doch wie lange? Denn die Unbekannte versucht mit allen Mitteln einzudringen; das was sie will ist im Haus. Doch egal wo Sarah auch wäre: Das was die Unbekannte will ist viel geschützter als in Mauern: Es ist in Sarah, es ist ihr Baby...
Als ich INSIDE das erste Mal gesehen habe war es soweit: Ich brauchte Nervennahrung; Licht, Zigarette, ein Fenster wo ich mich rauslehnen konnte um tief durchzuatmen. Was das Regieduo Alexandre Bustillo & Julien Maury hier abgeliefert haben ist das derzeitige Nonplusultra was packende Horrorthriller anbelangt. Kein Wunder das beide für das HELLRAISER Remake verpflichtet wurden. Jetzt muss man keine Angst mehr haben, nicht bei den beiden. Aber zurück zu INSIDE. Dramaturgisch ist er ziemliich straight aufgebaut; nach einer knappen Einführung (Unfall, kurze Schilderung der momentanen Situation) spielt sich das Zentrale Thema des Films in Sarahs Haus ab, welches in seiner kühlen Ausleuchtung des farblichen Grundtenors eine Welt symbolisiert, die rein und unbfleckt ist, in der noch das Leben reingeboren wird um es mit Farbe zu füllen. Oh ja, es wird, es wird. BLUTROT!
INSIDE hätte es auf jeden Fall verdient im Kino aufgeführt zu werden; eine Schande das der Jugendschutz dem einen Strich durch die Rechnung gemacht hätte. In Zeiten von dummen & plumpen Folterdreck wäre INSIDE nun wirklich mal wieder ein ECHTER Horrorfilm im Kino geworden. Aber Achterbahn/Senatorfilm brachten es nicht fertig ihr "Kind" so zerschnitten in die großen Kinos zu bringen. Aber dort wird er am meisten wirken - Abmarsch zu den FantasyFilmNights! Doch auch ohne große Leinwand und Sorroundsound wird er seine Wirkung nicht verfehlen. Selten wurde so ausgeklügelt Spannung durch Sound, Schnitt und Sympathie erzeugt wie hier. Wenn auch die Charakterisierung nur sehr oberflächlich ist: Das tolle Schauspiel von Alysson Paradis läßt einen gewiss nicht kalt. Die Herzenswärme & der Wille zu Überleben um ihr Kind zu gebähren strahlt förmlich aus dem TV heraus, ganz im krassen Gegensatz zu Beatrice Dalle, die hier intensivt(!!!) das Böse mimt. Ja ich sagte es bereits: "Gut gegen Böse", "Schwarz gegen Weiss" - nicht nur Klamottentechnisch unübersehbar. Die Frau strahlt eine solche Boshaftigkeit, solch eine Diabolität aus - es macht Angst. Wirklich. Wenn bei einem ihrer ersten Auftritte - sie steht vor dem Fenster im Schatten, zündet sich eine Zigarette an und man sieht schemenhaft ihre funkelnden Augen - ihr Anlitz sich entnebelt, dann weiss man: Der Teufel ist da!
Und es gibt viele solcher Szenen; absolut unvorhersehbar gestaltet sich die Jagd durch das Haus, man weiß nie was als nächstes passiert. Und wenn dann kommt es mit dem Dampfhammer. Bamm. Mitten in die Fresse. Klanglich erst ein wenig an HAUTE TENSION erinnernd, offenbart sich der Soundtrack als ungestümes Etwas, das sowohl sanfte Töne anschlägt, als auch an pochenden Kopfschmerz, ungezügelten Wahnsinn kurz vor dem vulkanartigen Ausbruch Klang verleiht. Zum Beispiel wenn Sarah sich im Bad verschanzt hat, die Unbekannte wie eine Irre gegen hämmert und man förmlich merkt: Gleich splittert die Tür. Aber dann...Ruhe. Unendliche Ruhe. Der Wahnsinn ist eben manchmal leise, manchmal ist es eben die Stille die Angst macht. Zusammen mit dem Schnitt und der Kameraführung ergeben sich so Szenen beispielsloser Ästhätik, eingebettet im vollkommenen Wahnsinn.
Dem wird oft Ausdruck verlieren; die Mordszenen sind schon ziemlich derbe gehalten und da man auch mit den Nebenfiguren mitfiebert tun die Szenen schon ziemlich weh. Ohne viel verraten zu wollen: Das meiste ist gute alte Handarbeit mit Schere, Stilett und anderem Klingenkram. Und wenn auch Frauen ob der Thematik am meisten die Zähne zusammenpressen werden: Wir bekommen auch unser Fett weg! Die eine Genitalverstümmelung dürfte da nämlich sehr wohl für das ein oder andere Stöhnen im Kinosaal sorgen. Das Blut spritzt hier wie da recht graphisch aus den Wunden, die Effekte sind bis einen nur leicht offensichtlichen CGI Flammeneffekt jedoch mehr als ordentlich in Szene gesetzt und verfehlen ihre Wirkung - gerade auch wegen der Unvorhersehbarkeit - nicht.
Eine Atmosphäre wie Stahlbeton, gleich nachdem Sarah im Haus ist ist man gepackt. Der Spannungsbogen dehnt sich von Minute zu Minute mehr. Anfangs will man das Sarah gerettet wird, später will man sie sich selber retten sehn. Man will Erlösung finden. Es muß doch einen Gott geben! Oder? Bis zur vielleicht etwas enttäuschenden Auflösung - ne war echt nicht sonderlich kniffig - fließt auf jeden Fall viel rotes Wasser die knochenbrechenden Mühlsteine runter; manch Logiklücke ob der straffen und dichten Inszenierung verschmerzbar. Insgesamt gesehen mit das beste was ich je aus Frankreich gesehen habe und vielleicht auch der intensivste Horrortrip meines Lebens.