Review

Sieben Jahre nachdem die legendären Produktionswirren um „Heaven’s Gate“ seiner Karriere das Genick brachen, kehrte Michael Cimino („The Deer Hunter“, „The Sunchaser“) wieder in die Kinos zurück. Zwischenzeitlich hatte er nun den harten „Year of the Dragon“ gedreht, den ich persönlich für seinen besten Film halte.
Viel gelernt hatte er seitdem leider trotzdem nicht und so blieb auch für „The Sicilian“ der große Erfolg aus. Zwar fügte dieser ambitionierte Streifen seiner Karriere keinen weiteren Schaden zu, aber der dringend benötige Hit sollte es auch nicht werden. Für ihn war es dann auch die letzte Chance ein größeres Projekt in Angriff zu nehmen. Anschließend musste er deutlich kleinere Brötchen backen.

Ich möchte mich nicht unbedingt als Cimino-Fan outen, denn dafür offenbaren die meisten seine Werke einfach zu viele inhaltliche Schwächen, aber er beherrscht eine Bildsprache, die mich immer wieder in ihren Bann zieht. Auch in „The Sicilian“ weicht er nicht von seiner verschwenderischen Inszenierung ab, die so unnachahmlich in gewaltigen Kompositionen schwelgt, als wolle der Regisseur eigentlich viel lieber seine Geschichte beiseite räumen und unentwegt in Panoramen versinken. Diese versierte Ästhetik prägt, mal schön, mal hässlich, nahezu jeden Film Ciminos und machen sie allein deswegen sehenswert.

Umso auffallender sind dafür die inhaltlichen Defizite, wenn die Kamera von Alex Thomson („Alien³“, „Cliffhanger“) sich nicht in ekstatische Bildfluten stürzen kann, sondern die Geschichte des legendären sizilianischen Volkshelden Salvatore Giuliano (Christopher Lambert, „Highlander“, „Mortal Kombat“) wiedergegeben oder besser erzählt wird, denn das Drehbuch weicht von der (angeblichen) Wahrheit schon ein Stück ab und schweift, noch schlimmer, auch immer wieder ab. Eine typische Schwäche Ciminos, die „Heaven’s Gate“ schon zuteil wurde und ihn hier nun erneut wieder eingeholt hat. Er kommt einfach nicht auf den Punkt, erzählt zu viel an der Figur vorbei und ist dann noch nicht einmal in der Lage Giuliano tatsächlich näher zu analysieren. Das sollte man bei einem Film, der sich hauptsächlich mit dieser Figur beschäftigt bei einer Laufzeit von 140 Minuten aber eigentlich erwarten dürfen.

Gefeiert als der Robin Hood Siziliens nahm die Legendenbildung 1942 ihren Lauf als Salvatore Giuliano heimlich Weizen schmuggelte. Sein Karren wurde auf einem Feldweg von der Polizei unter die Lupe genommen. Die Situation eskalierte und ein Feuergefecht entbrannte, in dem Giuliano zwar schwer verletzt wurde, aber entgegen aller Erwartungen überlebte. Nun auf der Flucht, floh er in die Berge, um von dort eine Guerillaarmee zu gründen, die gegen die Regierung und die Mafia kämpfte und dafür die Armen unterstützte. Seine später politischen Ambitionen eines unabhängigen Siziliens und die Bemühungen politischer Größen ihn als Unterstützer anzuwerben, auf den das Volk zu hören pflegte, behandelt der Film nur noch rudimentär. Giulianos eigene Ansprüche wuchsen gemächlich von simplen Forderungen nach mehr Nahrung bis hin zu politischen Zielsetzungen.
Sein Niedergang kam erst später, als er fallen gelassen wurde, Verrat in den eigenen Reihen sein Leben bedrohte und er als resignierender Mann, der für sich auch keinen Platz mehr in der Welt fand, ermordet wurde.

Die Komplexität der historischen Figur wird „The Sicilian“ leider nicht einmal ansatzweise gerecht und begnügt sich mit einzelnen wichtigen Episoden seines Lebens, die anfangs noch ausführlicher und später immer hastiger wiedergegeben werden, ohne von Ciminos Stil abzuweichen. Neben seinen traditionell ausufernden Bildern gehört auch die harsche Inszenierung brutaler, unbeschönigter Gewalt zu seinem Repertoire. Dementsprechend sterben auch alle, die Giuliano im Laufe der Jahre verraten und auffliegen auf drastisch bebilderte Art und Weise.

Christopher Lambert hatte gerade als „Highlander“ seinen Durchbruch gefeiert und schlägt sich in der Hauptrolle ganz solide, kann sie aber auch kaum interessanter gestalten, weil das Drehbuch ihm dafür zu wenige Möglichkeiten gewährt.
Seine Ziele und Vision werden nicht richtig ausformuliert, die Hintergründe bleiben fragmentarisch kurz erwähnte Randnotizen und selbst seine Beziehung zu Mafioso Don Masino Crosco (sehr gut: Joss Ackland, „Lethal Weapon 2“, „The Hunt for Red October“) erfährt zwar viel Aufmerksamkeit, dringt aber nicht ins Detail vor.
Stattdessen verliert die Handlung ihre Orientierung driftet in nebensächliche Passagen (u.a. die Beziehung zu Camilla (Barbara Sukowa)) ab, die auch ihren Zweck erfüllen (seine Frau als mahnendes Gewissen und ärgste Kritikerin) aber eben nicht die wichtigsten Momente wiedergeben, die diesen Mann letzten Endes zu seinem legendären Ruf verhalfen.

Als Zuschauer harrt man deswegen nur halbinteressiert der Dinge, die da kommen mögen und muss schon Großzügigkeit aufbringen, um die Längen zu ignorieren oder sich ganz von den Bildern gefangen nehmen, die aber auch unmöglich ständig über die Brillanz eines Perfektionisten verfügen können.
An einer Aussage über Salvatore Giuliano schrammt Cimino als vorbei, obwohl gerade er es eigentlich verstehen müsste so einen Stoff richtig anzugehen. Der erneut zum Scheitern verurteilte Versuch einen definitiven Film zum Thema zu drehen, ließ den begnadeten Filmemacher dann auch zunächst wieder innehalten. Mehr als zwei Filme folgten bis heute dann auch nicht mehr und für „The Sunchaser“ ließ er sich bekanntlich viel Zeit. „The Sicilian“ mag zwar erneut typisches Terrain für Cimino sein, weil er, wie fast immer, Sympathien für Randgruppierungen und Unterdrückte ergreift, ohne sie zu glorifizieren, aber genauso findet er sich hier erneut nicht zu recht oder wird wieder nicht verstanden. Schade eigentlich, dass er seine großen Ambitionen nie dem Publikum zugänglichen machen konnte.


Fazit:
„The Sicilian“ ist Cimino in Reinkultur und das hat bekanntlich seine Vor- und Nachteile. Seine Regie erweist sich als perfekt durchkomponiertes Zusammenspiel von Bild und Ton mit rüden und wunderschönen Momenten, die man nicht missen möchte. In dieser Hinsicht bewahrt sich das gescheiterte Genie auch hier seine Brillanz.
Inhaltlich versagt er indes. In 140 Minuten kratzt er nur an der Legende anstatt sie zu durchleuchten und ihren Werdegang in den wichtigsten Momenten festzuhalten. Das Verlangen immer mehr als nötig zeigen zu wollen und über den Hauptcharakter hinauszugehen, erweist sich schon früh als eklatanter Fehler, der nicht mehr auszubügeln war. So kann „The Sicilian“ lediglich nur als ehernes Vorhaben gewertet werden, das nicht über die nötige Substanz verfügt der historischen Figur gerecht zu werden.

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