Berlin, Mitte der Achtziger, in schwarz-weiß: Die Engel Damiel (Bruno Ganz) und Cassiel (Otto Sander) begleiten unbemerkt den Alltag der geteilten Stadt - sie beobachten die Menschen, nehmen neben diesen Platz, können aber nicht physisch eingreifen. Lediglich spirituell vermögen sie durch die Hand auf der Schulter der/des Betreffenden etwas Lebensmut zu vermitteln - sei es in einer Bibliothek, einer kleinen Wohnung, der U-Bahn oder auf der Strasse. Stets lächelnd wünscht sich speziell Damiel (Bruno Ganz, der hier mit dem kleinen Zopf wie ein junger Falco wirkt) diese Unwirklichkeit durchbrechen und als Mensch aus Fleisch und Blut am Leben teilnehmen zu können - ganz besonders, nachdem ein kleiner französischer Zirkus in der Stadt gastiert und sich Damiel in die Seiltänzerin Marion (Solveig Dommartin) verliebt...
Die Filme von Regisseur Wim Wenders gelten allgemein als künstlerisch besonders gelungen, der 1987er Himmel über Berlin zum 750. Geburtstag der seinerzeit geteilten Stadt wird dabei als Meisterwerk gehandelt. Unter filmhistorischen Gesichtspunkten mag dies auch zutreffen, bezüglich der Parameter Handlung, Spannung und Aussage konnte ich an dem gefeierten Werk jedoch nichts Außergewöhnliches entdecken. Wenders bedient sich einerseits bereits bekannter Schauspieler, wozu neben Ganz, Sander und Curt Bois auch Peter Falk gehört, der als Hauptakteur der Krimi-Serie Columbo auch damals schon Sympathieträger war; daneben läßt er die französische Kamera-Legende Henri Alekan drehen (im Film erwähnt durch den gleichnamigen Zirkus) und verschafft auch seiner Lebensgefährtin Solveig Dommartin in der Rolle der Seiltänzerin Marion einen großen Auftritt. Zwischen die Szenen ist immer mal wieder das Handke-Gedicht "Als das Kind Kind war..." eingeflochten, was dem Film einen artifiziellen Touch gibt und mit den zeitgenössischen New Wave-Klängen von Nick Cave and the Bad Seeds bei deren Clubauftritten in Berlin kontrastiert. Seine melancholisch-friedliche Grundstimmung bezieht Der Himmel über Berlin durch die oftmals verwendeten Bildpanoramen von oben, seine ruhigen Bilder und die stets huldvoll lächelnden Engel Ganz und Sanders. Hätte man es dabei belassen! Denn im letzten Viertel des Films wird der Engel Damiel dann doch zum Menschen - und zerstört damit den Zauber, den der Film zuvor aufgebaut hat. Gerade noch im Gespräch mit Cassiel, findet sich Damiel mit einem Brustharnisch einer alten Ritterrüstung am Boden wieder - vor einem kahlen, nicht bemalten Stück der Berliner Mauer. Ab diesem Zeitpunkt läuft der Film in Farbe ab - Damiel (Ganz) spaziert durch die Strassen und ist nun auch physisch ein Teil der Stadt geworden. Im erstbesten Laden tauscht er den Harnisch gegen eine bunte Jacke, die ihn fortan reduziert erscheinen läßt, und spaziert lächelnd weiter. Sein Menschsein läßt ihn einem Buben eine komplizierte Auskunft nach einer Strasse geben (die dieser nicht versteht) oder auch "Scheiss-Bullen" murmeln, als er bei einer Absperrung nicht eingelassen wird. Bezüge zu seinem früheren Dasein als Engel kann er nur ein einziges Mal knüpfen, als er durch einen Maschendrahtzaun Peter Falk erblickt und dessen zuvor oft geäußertes "Compañeros" erwidert, sehr zu Freude des einsam auftretenden Filmstars. Später trifft er dann wie gewünscht die Tänzerin Marion, deren Zirkus abgebaut und deren Kollegen abgereist sind. Beim tête-à-tête an einer kitschigen roten Bar wirkt Bruno Ganz dann schon sehr irdisch (um nicht zu sagen schmierig), als er vergeistigte Texte rezitiert - und viel mehr passiert dann auch nicht.
Der Himmel über Berlin ist im schwarz-weißen Teil ein sentimentales Rührstück über zwei stets milde lächelnde Engel, das den Zuseher vor allem durch seine dokumentarischen Sequenzen einer längst baulich veränderten und nicht mehr geteilten Stadt in seinen Bann zieht - ein Umstand, der kraft der Bilder auch über die völlige Ereignislosigkeit hinwegtäuscht. Leider ändert sich dies auch nicht als der Engel dann Mensch wird, denn außer Belanglosigkeiten zieht diese Fleischwerdung keinerlei Konsequenzen nach sich. Für Berlin-Nostalgiker sicher ein Fest, wer sich jedoch eine Handlung oder gar Dramatik erwartet, sollte um den Film einen großen Bogen machen. 4 Punkte.