kurz angerissen*
Engel, die auf eine Stadt hinabblicken, zur Körper- und Tatenlosigkeit verdammt. Einer, der sein Engeldasein aufgibt, um als irdisches Wesen Dinge ertasten und die Erwiderung von Liebe erfahren zu können. Nicht einmal dem jungen Wim Wenders gelingt es, die Esoterik aus diesem Stoff zu prügeln, auch wenn er sie mit technischer Brillanz zu überdecken weiß. Gemeinhin gilt die Annahme, das US-Remake "Stadt der Engel" habe den Kern der Vorlage für eine kitschige Hollywood-Romanze geopfert. Vielleicht hat es ihn aber einfach nur freigelegt.
Dennoch ist "Der Himmel über Berlin" aus einer rein cineastischen Wahrnehmung heraus ein Ausnahmewerk, reich an Facetten, mit dem Alter nur wertvoller geworden. Es zeigt ein Berlin, das so heute nicht mehr existiert. Eine Erkenntnis, die sich weit über den Fall der Mauer erstreckt. Abgesehen vom Stadtbild, dem sich das aus dem Off gesteuerte Blickfeld meist aus der Vogelperspektive nähert, lässt Wenders direkt auf die Straßen und in die Wohnungen zoomen. Eine Stadt als Definition nicht nur über seine Gebäude, sondern vor allem über den Charakter seiner Bewohner und Besucher, vom Mieter einer Baracke über den Passanten am Fenster, vom Zirkusnomaden über den Schauspieler am Set bis zum Musiker auf der Bühne. Das Gemurmel Einzelner wird gefiltert und in einen konsensuellen Bewusstseinsstrom geladen, der sich wie ein Fluss seinen Weg durch die Häuserreihen bahnt. Kinder auf der Straße und Alte in der Bahn; ein Unfallopfer, dem niemand hilft, ein Selbstmörder, dem niemand mehr helfen kann.
Henri Alekans Kamera ist immer nah an den Geschehnissen, zieht aber meist virtuos in der Luft ihre Bahnen. Sie könnte auch von einem Naturfilmer geführt worden sein, der sich von einem Berghang aus einer Jagdszene nähert und im Bemühen um eine einzigartige Perspektive darauf bedacht sein muss, selbst unsichtbar zu bleiben, um nicht in die Natur einzugreifen. Die Kinematografie alleine ist den ganzen Aufwand wert.
Die zusätzliche Farbcodierung (Schwarzweiß aus Perspektive der Engel, sonst in Farben getaucht wie aus Nachkriegsruß zusammengemischt) mag die visuelle Komponente artifiziell wirken lassen, beflügelt aber auch die Bereitschaft, sich in Andere hineinzuversetzen und unterstützt somit eines der Hauptanliegen des Films. Bruno Ganz setzt das in der Hauptrolle erfreulich nüchtern, untheatralisch und bisweilen sogar mit einem Schuss trockenen Humors um. Der dichterische Singsang, mit dem er den Film eröffnet, mutet als Mischung aus melodischen und narrativen Passagen an wie erste Flugversuche eines Vogeljungen, oder, aus Perspektive der Himmelsbewohner, erste Versuche, mit den Füßen den Boden zu erreichen.
Während also das traurige Auge des sakralen Beobachters auf der monochromen Stadt ruht und sich das Chiaroscuro in seiner Pupille spiegelt, ist die Melancholie fortwährend spürbar und gerät in diesem Fall zum Pfad ins Prätentiöse. Dem entgegen steht aber eine einzigartige Momentaufnahme einer Großstadt, die seither längst ihr Gesicht verändert hat.
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