Originaltitel: Peeping Tom
Besetzung: Karlheinz Böhm (als Carl Boehm), Anna Massey, Moira Shearer, Maxine Audley u.a.
Regie: Michael Powell
Drehbuch: Leo Marks
Genres: Drama, Thriller
Länge: 101 min
Es erscheint heute seltsam, dass dieser Film von den Kritikern gehasst wurde, als er 1960 herauskam. Für mich ist Peeping Tom ein perfekter Film, in jedem Aspekt!
Vielleicht war er zu kühn für seine Zeit. Vielleicht waren die Kritiker auf politischere Themen aus, da der "kitchen sink"-Realismus in Großbritannien zu jener Zeit immer beliebter wurde.
Wir werden nie erfahren, was in sie gefahren war, wenn wir verbale Injurien lesen wie "Die einzige wirklich zufriedenstellende Art und Weise, Peeping Tom zu entsorgen, wäre, ihn in die nächste Kanalisation zu spülen."
Wahrscheinlich waren weder die Kritiker noch das Publikum bereit, den Standpunkt des Mörders einzunehmen und sich mit ihm zu identifizieren. Doch genau dazu drängen uns Regisseur Michael Powell und Autor Leo Marks.
Mark Lewis (Karlheinz Böhm), ein schüchterner junger Mann, hat einen Teilzeitjob als Kameraoperateur in einem Filmstudio; er verdient etwas zusätzliches Geld mit dem Fotografieren von Aktmodellen im Hinterzimmer eines Zeitschriftenladens. Niemand verdächtigt ihn, der Serienmörder zu sein, der bisher zwei junge Frauen erstochen hat und dem die Polizei auf der Spur ist. Mark bandelt mit einem Mädchen an, das im selben Wohnhaus wohnt, und als sich die beiden verlieben, enthüllt ihr Mark seine schreckliche Vergangenheit - durch alte Heimvideos, die sein Vater (Michael Powell) gedreht hat, während er die Wirkung von Angst auf das menschliche Nervensystem untersuchte, wobei er seinen Jungen als Testobjekt benutzte...
Peeping Tom macht uns zu Komplizen des Mörders und zwingt uns, selbst Spanner zu sein. Das Publikum weiß von Anfang an, dass Mark ein Mörder ist - das erste, was wir sehen, ist, wie er eine Prostituierte umbringt und ihre Angst-Reaktion auf Film bannt. Etwas später im Film wird die Geschichte seiner Kindheit entrollt, und wir beginnen zu verstehen und haben sogar Mitleid mit ihm.
Möglicherweise war es genau dies, was die Kritiker 1960 verärgerte: Mitleid mit einem Mörder? In die Kanalisation mit dem Film!
Die öffentliche Missbilligung war so gründlich und stark, dass sie Michael Powells Karriere als Produzent und Regisseur zerstörte. Der Film wurde bereits fünf Tage nach seiner Premiere aus den Kinos zurückgezogen, gekürzt und später in einer abgeschwächten Version veröffentlicht.
Glücklicherweise können wir "Peeping Tom" heute so sehen, wie er gedacht war. Es ist in jeder Hinsicht ein hervorragender Film, der in kein Genre passt.
Im Mittelpunkt steht Marks Beziehung zu seinem Wissenschaftler-Vater, dessen Forschungsmethode der Seele seines Sohnes immensen Schaden zugefügt hat. In dem Film ist der Mann fast abwesend. Wir erhaschen nur einen zwei Sekunden langen Blick auf ihn, als Mark seiner Freundin Helen (Anna Massey) einige Heimkinofilme zeigt. Die Wissenschaftler in diesem Film scheinen alle verrückt zu sein - es gibt auch einen leicht abgedrehten deutschen Psychiater (Martin Miller); außerdem betont das Drehbuch den Schaden, den eine entmenschlichte Wissenschaft anrichten kann.
Peeping Tom zeigt auf, wie die wissenschaftlichen Methoden, die Marks Vater anwendet, im Kopf seines Sohnes weiterleben - allerdings in einer Form, die von ihrem wissenschaftlichen Zweck losgelöst und zu einer Gefahr für die Menschen um ihn herum pervertiert ist.
Gleichzeitig betonen Powell und sein Autor Mark's freundliche und sanfte Natur und stellen ihn als eine gequälte gespaltene Persönlichkeit dar.
Abgesehen davon, dass Peeping Tom eine hervorragend gearbeitete, fesselnde Geschichte bietet, erreicht er eine menschliche Tiefe, die in der Filmkunst jeiner Zeit selten ist.