Review

Mark Lewis, ein schüchterner, zurückhaltender Fotograf, ist besessen von seiner 8mm Kamera und dem Vorhaben, seinen Dokumentarfilm zu verwirklichen. Ohne seine Kamera geht er nirgends hin.
Doch Mark hat ein dunkles Geheimnis. Er ist ein Voyeur und fängt mit seiner Kamera die schreckverzerrten Gesichter von Frauen ein, die er in jenem Moment tötet.
Als er sich mit der Hausnachbarin Helen anfreundet, ahnt diese nichts von Marks Doppelleben. Nur ihre blinde Mutter hat den Verdacht, das mit Mark etwas nicht stimmt...
Peeping Tom wird immer gerne als Gegenstück von Psycho angepriesen, allerdings finde ich, sind beide Film nicht so ganz Vergleichbar.
Regisseur Powell hat sich großräumig dem Thema Voyerismus angenommen, gepaart mit einem Protagonisten, der in der Kindheit als Versuchskaninchen bzgl. Furcht und Angst vom eigenen Vater mißbraucht wurde.
Während Psycho als Meisterwerk gefeiert wurde und sogar für den Oscar nominiert, verriss man Peeping Tom. Publikum und Kritiker waren geschockt und der Film wurde schnell aus den Kinosäälen verbannt, zu unrecht.
1960 war wohl niemand bereit, sich einen Film über einen voyeuristischen Frauenmörder anzusehen. Noch dazu einen, bei dem man bzgl. des Hauptdarstellers zwischen Abscheu und Sympathie schwankt (bei Psycho wird durch den Schlusstwist alles eher relativiert und man stempelt Norman Bates als total verrückten ab).
Bei Peeping Tom wohnt der Psychopath auch noch "unter uns", dazu auch noch grandios von Karlheinz Böhm verkörpert. Der Liebes- und Heimatfilmstar wurde hier total gegen den Strich besetzt, was sich allerdings als Geniestreich entpuppt. Er spielt Mark eindringlich, immer zwischen naiv-schüchtern und zurückhaltend, was bei seinen Opfern aber schnell in kühl und berechnend umschwenkt.
Da Böhm so auf seine bisherigen Rollen festgenagelt war, versetzte ihm Peeping Tom einen heftigen Karriereknick. Niemand wollte wohl den Mann von Sissi als psychopathischen Fraunemörder sehen.
Der restliche Cast überzeugt ebenso, gerade die zarte Helen (Anna Massey), seine einzige Bezugsperson in der Realität oder ihre misstrauische blinde Mutter. Die Auswahl ist gelungen, wenn auch Böhm Dreh- und Angelpunkt ist.
Herausragend auch, wie Powell mit der Kamera arbeitet. Experimentell und wegweisend. Neben immer wieder gelungenen Kamerafahrten (vorzugsweise als Close-Ups auf die Darsteller endend), überzeugt er durch Perspektiven, stimmungsvollen Abblenden und dem Spiel mit Licht, Schatten und Kontrasten. Als Sahnehäubchen gibt es eine exzessive Farbdramturgie, die man später bei den italienischen Genregrössen wie Mario Bava oder Dario Argento wieder findet.
Unterstrichen wird die Stimmung durch einen hervorragenden, pianogprägten Soundtrack, der sicher nicht an Hermanns genialen Psycho Score heranreicht, aber die jeweilige Stimmung zusätzlich auf den Punkt bringt.
Die Story kommt gleich zu Beginn in Fahrt, wo auch schon der erste Morde geschieht. Der Film macht keinen Hehl daraus und es wird sofort klar, wer der Mörder ist.
Warum er es ist, wird allerdings langsam in Rückblenden und Erzählungen herausgeschält und verleihen der Figur des Mark Lewis eine tragische Komponente.
Der geschickte Einsatz der subjektiven Sicht durch Marks Kamera, macht den Zuschauer selbst zum Voyeur, was noch zunimmt, wenn man Mark dabei beobachtet, wie er seine eigenen Werke auf der Leinwand zelebriert.
Den Anspruch, seinen Dokumentationsfilm zu drehen, führt Mark dann auch am Ende konsequent durch, indem er
*ACHTUNG SPOILER*
seinen eigenen Tod auf Foto und Film festhält.
*SPOILER ENDE*
Die Auflösung am Ende, wie er seinen Opfern die Angst in ihre Gesichter "zauberte", ist heftig. Powell hat mit Peeping Tom im Grunde den sogenannten Snuff-Film vorweg genommen.
Abschliessend kann man sagen, das hier ein wunderbar ruhiger, aber verstörenden Film über einen Psychopathen gedreht wurde, der zu unrecht verrissen wurde (man sieht im Grunde nicht einmal groß Blut oder die Morde, da vieles im Off passiert - mal ausgenommen das Ende).
Neben Powells meisterhaften Inszenierung, gebührt Karlheinz Böhm Respekt gezollt, zur damaligen Zeit so einen Rolle gegen sein Image angenommen zu haben. Der Zuschauer wird dafür mit einer meisterhaften Leistung belohnt.
Powell und Böhm hatten durch diesen Film einen ganz schön heftigen Karriereknick erlitten. Hier zeigt sich, wie weit der Film seiner Zeit voraus war.
Man muss auch Regisseur Martin Scorsese danken, der es geschafft hat, den Film Jahre später zu rehabilitieren und ihm endlich den Stellenwert zu verschaffen, der ihm gebührt.

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