Er hat es wieder getan. Ein viertes Mal schwingt sich Bruce Willis in ein Outfit, das im Laufe seines Daseins nach allen Regeln der Kunst zerfetzt und vollgeblutet wird. Älter ist er schon geworden, der John McClane, aber auch härter. Im Zuge der Renaissance des harten Actionfilms legt auch der Vorzeigebulle eine Schüppe drauf.
War das Rezept des ersten Teiles so einfach, wie genial, einen verletzbaren Polizisten (im Gegensatz zu den ganzen scheinbar unverwundbaren Schwarzeneggers und Stallones, die zu dieser Zeit das Sagen hatten) in einem Hochhaus auf eine Horde von Terroristen loszulassen, so schnell wurde das Konzept des Einzelkämpfers, der auf engstem Raum böse Buben niedermacht auch kopiert. So entstand im Fahrwasser „Alarmstufe Rot“, der das Geschehen auf ein Kriegsschiff verlegte (Kopie geglückt), oder auch später „Alarmstufe Rot 2“, bei dem Steven Seagal in einem Zug tut, was ein Koch eben tun muss (eher weniger geglückt). Die „Stirb Langsam“-Reihe versuchte recht schnell andere Wege zu gehen. War die direkte Fortsetzung noch nach ähnlichem Schema gestrickt (Einsatzgebiet war hier ein Flughafen), war der Spielplatz für John McClane im dritten Teil eine ganze Stadt. Im aktuellen vierten Teil gibt es keine räumlichen Beschränkungen mehr. Im Kampf gegen Cyber-Terroristen muß man auch als altmodischer Cop mobil sein. Doch trotz dieser endgültigen Befreiung aus dem Handlungskorsett kommt in „Stirb Langsam 4.0“ (der dämliche deutsche Titel wird an dieser Stelle mal einfach hingenommen, schließlich ist dieser den Machern nicht anzulasten) an einigen Stellen wieder das typische Stirb Langsam-Feeling auf. Es gibt Feuergefechte auf engstem Raum, die McClane nur durch höchsten körperlichen Einsatz und einer gehörigen portion Cleverness überlebt. Die erste Schießerei in der Wohnung des jungen Hackers Matt (Justin Long) ist so ein Beispiel, in dem der Zuschauer angenehm an die Action des ersten Teils erinnert wird.
Diese Actionsequenzen sind zu 100 % gelungen, verbinden sie doch eine dynamische, aber immer übersichtliche Kameraarbeit mit einem enorm atmosphärischen Setting. Doch Regisseur Len Wiseman („Underworld“) bietet noch mehr. Zu diesen klaustrophobischen Duellen, in denen Bruce Willis immer noch eine exzellente Figur macht, kommen nahezu gigantomanische „larger than life“-Sequenzen, die man in dieser Filmreihe noch nicht gesehen hat. Da kommen Harrierjets, Hubschrauber und Trucks zum äußerst beeindruckenden Einsatz. Das schönste dabei ist: auch hier wirken die Effekte wie aus einem Guss und machen einen handgemachten Eindruck. Das ist wohl die größte und angenehmste Überraschung, denn die Filme von Len Wiseman fielen eher (wohl auch themenbedingt) durch den massiven und sichtbaren Einsatz von computergenerierten Spezialeffekten auf. Wenn in „Stirb Langsam 4.0“ CGI im Spiel war, fällt es dem Zuschauer kaum auf. Das ist Actionkino auf der Höhe der Zeit. Zu einem aktuellen Actionfilm gehört auch eine gewisse Härte und Kompromisslosigkeit. Auch hier kann der Film punkten. McClane geht wesentlich ruppiger zur Sache, als in den vorigen Teilen. Dies fällt z.B. im Fight gegen eine asiatische Dame auf, die dem kernigen McClane mit ihren Kampfkunsttricks zunächst arg zusetzt, bevor er sie nach allen Macho-Regeln der Kunst verprügelt. Dass das Kinopublikum diese Szene und McClanes lockere Sprüche in diesem Zusammenhang sogar mit Beifall goutiert, ist sicherlich ein fragwürdiges Phänomen, das an dieser Stelle aber nicht diskutiert werden soll.
Die Story bei diesem Actionfeuerwerk gerät eindeutig zur Nebensache. Sie ist aber immerhin intelligent und clever genug, um den Zuschauer auch bei den Verschnaufpausem bei Laune zu halten. Gerade Filme, die den Cyberspace zum Thema haben, wirken bei dem heutzutage höchst technikaffinen Publikum schnell unglaubwürdig. „Stirb Langsam 4.0“ begeht diesen Fehler nicht. Er wirkt realistisch und baut eine durchaus denkbare Schreckensvision auf. Versierte Hacker werden an der einen oder anderen Stelle vielleicht mit dem Kopf schütteln, doch für das Durchschnittspublikum ist das gezeigte völlig überzeugend.
Auch schauspielerisch kann der Film überzeugen. Bruce Willis macht sowohl in den Actionszenen, als auch in den schauspielerischen Szenen (ok, nicht so viele) eine gute Figur. Man kann sich mittlerweile keinen anderen John McClane vorstellen. Wenn man sich Willis’ physische Präsenz anschaut, dann muß man dies auch nicht. Ein oder zwei weitere Teile mit Willis sind auf jeden Fall drin! Wie schon im dritten Teil bekommt Willis in „Stirb Langsam 4.0“ einen Sidekick an seine Seite gestellt. Statt Samuel L. Jackson ist es diesmal Justin Long („Jeepers Creepers“), der einen eher schüchternen Computerhacker gibt und mit großen Augen den unglaublichen Geschehnissen rund um seine Person folgt. Das Gespann funktioniert sehr gut. So ergeben sich in den Ruhepausen immer wieder amüsante Wortgefechte. Eine schöne Entwicklung der Handlung ist es auch, wenn McClane, der bei den beiden fast immer die Hosen anhat, den jungen Hacker um Rat fragen muß, wenn es um technische Fragen geht. Denn mit der Technik steht der Haudegen auf dem Kriegsfuß. Dies ist zwar nicht ganz klischeefrei, doch funktioniert im Zusammenspiel mit den beiden sehr gut. Als sich dann auch noch Long mittels Wumme als Retter des Tages auftut, sind die Buddy-Movie-Gesetze nach allen Regeln der Kunst erfüllt. Der Bösewicht wird diesmal von Timothy Olyphant verkörpert. Er macht seine Sache durchaus gut, spielt er doch immer auf der Grenze zwischen verschmitzt und abgrundtief böse, doch die Qualitäten seiner charismatischen Vorgänger (Alan Rickman, Jeremy Irons) erreicht er zu keiner Zeit. Dies tut seiner durchaus guten Leitung dennoch keinen Abbruch. Ein lustiger Gastauftritt von Kevin Smith als Hacker-Guru rundet die insgesamt sehr hochwertige Besetzung positiv ab.
Len Wiseman hat es tatsächlich nicht nur geschafft, Schwung in die „Stirb Langsam“-Reihe zu bringen, sondern auch das gesamte Actiongenre belebt. Er verbindet mit seinem Beitrag typische „Die Hard“-Action mit der Gigantomanie von früheren Schwarzenegger-Produktionen, wie „True Lies“. Für diese Leistung möchte man dem jungen Regisseur auf die Schultern klopfen und gratulieren. Ein ebensolches Lob gebührt Bruce Willis, der seine Paraderolle zwar deutlich gealtert, aber immer noch zu 100 % überzeugend ausfüllt. Eine intelligente Produktion, bei der es zudem ordentlich rummst und im Kino betrachtet werden sollte. Denn DAFÜR wurde dieser Film gemacht.
Fazit:
8,5 / 10