Review

Sie alle kommen zurück. Rambo, Rocky und jetzt auch John McClane. Bei ihm kann es sich auch am besten vorstellen, der legendäre New Yorker Cop lebt nicht von seiner frischen Adonis-Statur. Der Mann, mit dem „Stirb Langsam“ lebt und fällt, ist bodenständig, kompromisslos, verletzbar und politisch unkorrekt. Er steckt ein und teil jede Menge aus. Schläge, Kugeln, lakonische Sprüche. Im Gesicht und an seinem Feinripp-Unterhemd steht in blutiger Sprache geschrieben, welche Höllenpfade er gehen musste.

Filmisch geboren wurde der Antiheld 1988, als seinerzeit in L.A. das Kammerspiel auf engstem Raum begann. Begrenzt im Sinne von einem Hochhaus, das Terroristen besetzen. Sukzessiv erweitert sich die Aufgaben-Dimension des Normalo-Cops. Aus dem Flughafen wurde eine Stadt und nun muss McClane (Bruce Willis) die vereinigten Staaten vor Cyber-Terroristen retten. 4.0 spricht eigentlich Bände. Old School in einem modernen Kontext.

McClane hat sich nicht verändert, aber die Welt. Vordergründig das Genre, in dem es heutzutage oftmals nur auf den Effekt ankommt. CGI ersetzt Handarbeit – und die Trümmer fliegen explosiv in die Luft. Man muss nicht in der Vergangenheit schwelgen, Übertreibungen sind keine Erfindung der Moderne, aber der sterile Bombast-Look zerstört mitunter das Hirn und erreicht nicht ansatzweise den Flair jener Filme, die wir heutzutage als Klassiker bezeichnen. Es gibt aber auch zwei Variationen, die belegen, wie unterschiedlich man die Digitalen-Werkzeuge einsetzen kann. Michael Mann – Blaufilter, dokumentarisch glasklare Bilder und Schüsse, die aufgrund des realen Sounds ein kriegerisches Konzert anstimmen. Man(n) hat Stil. Nicht zu vergessen annehmbare Charakterzeichnungen und relevante Storys, die weder Staffage noch aufgesetzt Intellektuell sind.

Nun nähern wir uns dem Abgrund – der Kehrseite. Michael Bay – Fachidiot und Pyrotechniker erster Güte. Wenn dann mal eine Story im einfachsten Sinne (siehe „Die Insel“) fabriziert wird, explodiert Herrn Bay spätestens nach der Hälfte des Films der eigene Schädel und es endet alles wieder wie gehabt - in einem effektvollen Feuerwerk. Das ist traurig und färbt ab. Action ist teilweise nur noch ein Ausdruck des technischen Fortschritts.

John McTiernan prägte 1988 das Genre, indem er den Superhelden Schwarzenegger und Stallone einen Cop von nebenan vor die Nase setzte. Es ging nicht um Effekte oder besondere Inszenierungen, sondern um den Typus von Mensch. Bruce Willis stand für den neue Welle, die einen Tsunami auslöste.

Verändert hat sich seitdem aber nicht nur die Action, sondern auch der Terrorismus. Bei einem Cop des NYPD im Jahre 2007 ist es natürlich schwer möglich, dass 9/11 keine Spuren hinterlassen hat. McClane wird zum Leben erweckt, weil Thomas Gabriel (Timothy Oliphant) den großen „Firesale“ umsetzt. Sämtliche computergesteuerte Infrastrukturen der USA werden mit Hackerangriffen fehlgeleitet. Der neue Bösewicht, seines Zeichens deutlich blasser als der deutsche Hans Gruber und Nachfolger Jeremy Irons, rächt sich mit einer internen Verschwörung, weil er wegen seiner Theorie und den nachfolgenden Post-9/11-Warnungen in Regierungs- und Behördenkreisen belächelt und letztendlich gefeuert wurde. Die Vendetta ist sauer, der Schaden groß – die Anarchie gedeiht. Damit die Schäden irreparabel werden lässt Gabriel sämtliche bekannte Hacker-Größen, die in dem Chaos noch nicht Licht finden könnten, ermodern. So kreuzen sich die Wege von McClane und Matt Farrell (Justin Long), der in das FBI-Hauptquartier eskortiert werden soll.

Das ist die Ausgangslage, nun geht es darum, was Underworld-Regisseur Len Wiseman daraus macht. Der Film kann nur funktionieren, wenn die legitim moderne Story nicht in den Action-Kontext der Bay Area gerückt wird. Zentraler Punkt ist natürlich immer noch McClane - und Bruce Willis ist ganz der Alte. Sein junger Partner macht ihn noch älter, aber er verliert nicht sein Profil, das man kennen und schätzen gelernt hat. Es beginnt alles wunderbar, wenn sich Tochter Lucy (Mary Elizabeth Winstead) mit ihrem Freund bzw. Nicht-Freund im Auto vergnügen möchte und Daddy etwas dagegen hat. Die ersten Highlights sprießen aus der alten, aber nährstoffhaltigen Die-Hard-Erde.

Die Freude geht weiter. Ein Streit beendet die Chose und nun kommt der Auftrag ins Spiel. Nach ein paar Minuten dröhnen die MPs und Pistolen auf engstem Raum. Das alte Kammerspiel erlebt eine Renaissance in einem Wohnblock. Die Flucht vor dem Ungewissen steht an. Nach und nach wird klar, was hinter dem Terrorakt steckt. McClane versteht von dem technischen Hintergrund genauso viel bzw. wenig, wie der Großteil aller Betrachter, aber er hat ja Farrell. Zwischen beiden entwickelt sich eine Vater-Sohn-Chemie mit all dem zwischenmenschlichen Wahnsinn, den die Beziehung mit sich bringt.

Alt und jung konkurrieren, aber nicht so, dass McClane wie ein T-Rex in einer neuen Welt wirken würde. Das technische Gedöns muss man auch nicht kapieren, wenn man ein paar Jahre vor dem Ursprung der Filmreihe das Licht der Welt erblickte. Willis behält alles, was ihn auszeichnet. Er ist so herrlich unkorrekt und geradlinig, dass man ihm im liberalen und kompromissbereiten Hier und Jetzt mit offenen Armen empfängt. Nichts steht ihm im Weg und wenn, dann wird es eliminiert. Natürlich beinhaltet der Grundsatz auch jede Menge Fragwürdigkeiten. Wiseman kann sich nicht vollständig dem Sog der Moderne entziehen. Action bleibt phasenweise ein Spektakel, das bis zum Erbrechen forciert wird. Der ungleiche Kampf gegen einen Militär-Jet und unsinnige Autofahrten, um die rumwirbelnde Geliebte des ultimativen Cyper-Hacker-Terroristen zu töten, bleiben nicht aus. Karate ist Scheiße, McClane hat schon Recht, aber hirnlose Effekthascherei auch.

Trotzdem bleibt man weitgehend am Boden. Man sieht den neuzeitlichen Blaustich im Bild, aber auch altbekannte Charakteristiken. Die Pläne sind simpel. Duelle finden, obwohl die Protagonisten sehr mobil sind, überwiegend in bedrohlich engen Räumen statt. Man stirbt im wahrsten Sinne des Wortes langsam und immer mit einem knackigen Spruch auf den Lippen. Herausragend ist dabei McClanes Auftritt bei dem Hacker-Guru Warlord, den Regisseur Kevin Smith höchst amüsant und persönlich spielt. Mit seinem Star Wars Unwissen beweist der NYPD-Cop dann nicht nur, dass er in der Gegenwart noch nicht angekommen ist. Ob man ihn aus den Vorgänger-Filmen kennt oder nicht – der Protagonist ist ein Amüsator, auch oder erst recht wenn das Messer an der Kehle platziert ist. Zynisch kommentiert McClane das Geschehen und bringt den kleinen Partner auf den Geschmack des wahninnigen Heldenmuts, auch wenn er selbst das Klischee des Heros demontiert. Die Konstellation funktioniert und im weitesten Sinn liefert Wiseman Die-Hard-Retro-Action. Wenn über die Strenge geschlagen wird, dann wirkt der explosive Mist wenigsten real.

Im Kern hört man jedenfalls trotz 4.0 immer noch folgenden Satz: „Yippee-ki-yay, motherfucker!“

Details
Ähnliche Filme