Review

I Hurt Myself Today
To See If I Still Feel
I Focus On The Pain
The Only Thing That’s Real
*

Helden - ein Wort, das in “Live Free Or Die Hard” mit Beharrlichkeit wiederholt wird. Wir kennen viele Helden aus dem Kino. Für eine spezielle Generation, die hier mit zuschauen wird, stammen die Helden aus den Achtzigern und frühen Neunzigern. Anno 2007 sind das aber schon alte Männer, die auf der Überholspur längst den Atem der Jungspunde spüren - oft nur noch deren Heck, als sie davonbrausen. Doch in den Achtzigern beherrschten verflucht zähe Haudegen die Erde. Klar, dass sie auch im Lebensherbst niemanden an sich vorbeilassen wollen. Eines hat die hippe Generation X längst gemerkt: diese verdammten Mistkerle aus der Steinzeit wollen es noch immer wissen. Die setzen sich dem Schmerz freiwillig aus, um zu fühlen, ob sie noch am leben sind.

Als Bruce Willis “Stirb Langsam” drehte, war er noch jung und unbekannt. Anfang 30, nur Insidern aus einer TV-Serie mit Cybill Shepherd und vielleicht noch aus einer Komödie mit Kim Basinger bekannt. Er hatte noch Haare und bei den Dreharbeiten lief er eigener Aussage nach “einfach nur rum” - so habe er es wenigstens in Erinnerung.
Heute ist er das Synonym für den cineastischen Weltenretter, denn kaum ein anderer Schauspieler hat die blaue Kugel so oft und so imposant vor dem Untergang gerettet. Ein Image, das eigentlich seiner Lebensrolle, dem John McClane, zuwiderläuft - denn McClane ist bekanntermaßen ein Gegenentwurf zu den unbesiegbaren Kampfmaschinen um Schwarzenegger und Stallone. Er blutet, er hat Schmerzen, und hier schließt sich wieder der Kreis: Welche Rolle wäre besser geeignet als diese, um es im Alter noch ein letztes Mal richtig wissen zu wollen? Denn eines ist mal klar: Ein “Die Hard”, in dem McClane keine auf die Fresse kriegt, ist kein “Die Hard”.

Angeblich auf verzweifelte Bitte von Willis’ Tochter hin wurde “Underworld”-Regisseur Len Wiseman ins Spiel gebracht, um das vierte Abenteuer des New Yorker Cops zu inszenieren. Der Name hat bei Anhängern der Reihe vorab für viele Sorgenfalten gesorgt, denn immerhin fühlt sich Wiseman seinen bisherigen Arbeiten nach zu urteilen pudelwohl in einem möglichst großen Schwimmbecken voller CGI. Gift pur für eine Old School-Actionreihe, zumal der Mann womöglich nicht mal durch die Altersfreigabe gekommen wäre, als “Stirb Langsam” 1988 in den Kinos lief - er war damals 15.

Und nun stellt sich heraus: Die Bedenken sind wenigstens in Ansätzen berechtigt. Dabei liegt das weniger an dem übermäßigen Einsatz von Special Effects (obwohl man sich die Spider-Man-Nummer hätte sparen können), dafür aber an einem viel fataleren Mangel: “Stirb Langsam 4.0" ist der erste Film der Reihe, der nicht mehr über das typische “Stirb Langsam”-Flair verfügt. Es handelt sich um einen neumodischen, mit Aufwand realisierten Actionfilm mit Bruce Willis in der Hauptrolle. Mehr nicht. Weniger nicht.

Einen gewaltigen Anteil an diesem unersetzbaren Verlust haben die Drehbuchautoren, denen nichts besseres einfällt als einen Allerwelts-Post-2001-Terroristenplot auf die Beine zu stellen, der mit Klischees und anderweitigen Vorhersehbarkeiten nur so zugepflastert ist. Ein Hacker wird zum Spielball einer Verschwörung von Vaterlandsverrätern - wie originell. Gerade im direkten Vergleich mit dem strukturell ähnlich gelagerten “Die Hard With A Vengeance” muss das lahme Skript von Mark Bomback dem oft vor Einfallsreichtum zu platzen drohenden Vorgänger jeglichen Tribut zollen. Zum Vergleich: Was war das für ein Granatenauftakt, als zu Joe Cockers “Summer in the City” im heißen New York ein Gebäude in die Luft flog und sich McClane kurz danach mit dem berühmten Schild mitten in Harlem aufstellen musste. Und jetzt? Ein Anschlag auf einen Hacker (Justin Long), der von McClane im letzten Moment noch verhindert werden kann. Die erste Actionszene, aus Sicht des B-Action-Fans wäre sie ein Leckerbissen, weil es dem B-Action-Fan nur noch auf Variation ankommt, und die ist solide. Aber wir spielen hier in der Profiliga, und will man nicht gleich in der ersten Runde rausfliegen, braucht es Originalität.

Was nun im Folgenden geschieht: Die Story wird auf diesem niedrigen Niveau stagnieren, bis der Abspann eintritt. Und wann immer Handlungsszenen auf der Leinwand zu sehen sind, erinnern sie durch die Einfallslosigkeit an ungewollte Reminiszenzen für zwanzig Jahre Actionkino: Lethal Weapon, 16 Blocks, Last Action Hero, True Lies, The Italian Job, Speed, Jurassic Park 2, Independence Day - man könnte die Liste endlos fortsetzen. Leider ist das keine Huldigung von Vorbildern, sondern pure Ratlosigkeit, wie man heute noch eine neue Geschichte erzählen kann.

Derweil werden die Actionszenen mit jeder verstreichenden Minute besser, größer, origineller, unverwechselbarer, und am Ende ist da ein Finale, das sich seinen Platz in den ewigen Annalen sichern wird. Ein wenig Over the Top-Attitüde lässt sich in diesem Moment nicht verleugnen, aber wer in der Vergangenheit per Schleudersitz aus einem mit Handgranaten gefüllten Flugzeugcockpit genau vor die in der Luft hängende Kamera gesprungen ist (“Die Hard 2") und gar auf einem LKW surfen durfte (Die Hard With A Vengeance”), der darf sich über ein wenig Irrsinn nicht beklagen. Vergesst die Autobahnsequenz aus “Matrix Reloaded” und Michael Bays Verfolgungsjagden aus “Bad Boys II” und “Die Insel” - was Wiseman hier mit einer Autobahnspur, einem LKW und einem Kampfjet anstellt, sollte man mit eigenen Augen gesehen haben.

Das zunehmende Ungleichgewicht aus dem banalen Plot und den immer besser werdenden Actionsequenzen wirkt sich auf die Stimmung aus: Die Storyabschnitte gehen zunehmend mehr auf den Keks. Weder von den ermittelnden Behörden noch - und das ist ganz schlimm - von den Bösewichtern um Timothy Olyphant und Maggie Q möchte man allzu viel sehen. Cliff Curtis muss sich als Polizeichef mit einer nervend ignoranten Klischeefigur abgeben (hat man denn gar nichts aus dem einzigen Makel des Originals, den sich komplett dämlich verhaltenden Cops vor dem Nakatomi Plaza, gelernt?) und Olyphant hat doch eigentlich richtig diabolische Fratzen auf Lager - warum zeigt er davon nichts?

Ganz anders zum Glück das Buddy-Gespann Willis / Long, obwohl man gerade hier ein Desaster hatte erwarten können. Das bleibt aus, weil Long seine Hacker-Figur, nicht weniger klischeehaft geschrieben als alles andere um das einzige Original McClane herum, überraschend gut mit Leben füllt. Sicher hätte man McClane auch mal wieder ganz gerne alleine auf Tour gehen sehen, obwohl das Zusammenspiel mit dem kongenialen Sam Jackson im dritten Teil ausgesprochen gut funktioniert hatte. Aber es klappt mit Long - weiß Gott wie. Gleiches gilt für die Szenen mit Kevin Smith als Nerd, vermutlich aber auch nur deswegen, weil der Hintergrund um Smiths eigene Vita in diesem Zusammenhang so gut zündet.

Und Willis selbst ist der einzige Fels in der matschweichen Brandung voller fragiler Charakterzeichnungen. Er klopft Sprüche, er verletzt sich, er steht immer wieder auf, mit seiner Tochter (Mary Elisabeth Winstead) wird ihm eine verletzliche Seite zugewiesen (allerdings ist auch das wieder ein alter Hut), he’s just the fucking Man. Die imposanteste Szene schenkt ihm die erneut eindrucksvolle Maggie Q, die mit dem Glänzen beginnen darf, sobald sie die Zentrale der Bösewichter verlassen darf, um selbst aktiv zu werden. Ihr Kampf mit dem ramponierten Cop fühlt sich endlich mal wieder nach “Stirb Langsam” an, nachdem letztendlich leider das Gefühl, in einem herrlich altmodischen Film dieser Franchise zu sitzen, über weite Strecken unter dem modischen Schnitt- und Farbfilterstil begraben wird. Doch hier kriegt McClane endlich mal wieder Dresche und muss ebensoviel einstecken wie er austeilt. In den Interviews zum Film sagte Willis gerne: “Mir gefällt, dass McClane ein analoger Cop in einer digitalen Welt ist”. Ein Satz, für den ich als Rezensent töten würde, dürfte ich meinen Namen darunter setzen. Denn wenn das alte Feeling hier und da mal raufbeschworen wird, dann durch diesen Sachverhalt. “Ich hab genug von diesem Karate-Scheiß”, sagt McClane entnervt und spielt auf den seit Ende der Neunziger andauernden Erfolgstrend asiatischer Actionfilme an - ohne zu verschleiern, dass auch dieser Film nicht ohne Martial Arts auskommt.
Wirklich neue Seiten kann Willis sich oder seinem langjährigen Wegbegleiter John McClane allerdings nicht abgewinnen. Die Rolle wirkt schlussendlich zu routiniert für einen Mann, der letztmalig in “The Sixth Sense” (1999) versucht hat, seinem Image als ewig “smirkender” (so der Ausdruck der Amerikaner für Willis’ unvergleichliches verschmitztes Lächeln), cooler Bastard zu widersprechen. Natürlich erwartet man das in dieser Rolle auch nicht, aber zumindest ein wenig mehr Anspielung auf das fortgeschrittene Alter hätte man erwarten können. Der McClane von 1996 war wesentlich mehr am Ende als derjenige von 2007.

Fazit: Sehenswerter Actionstreifen, dessen Schauwerte sich äußerst abwechslungsreich gestalten und die auf eine beinahe “asiatische Art” besser werden, je mehr Zeit vergeht. Ein waschechter “Die Hard” ist “4.0" aber leider nicht mehr, da Len Wiseman, obgleich er gerade die CGI-Effekte überwiegend ordentlich einsetzt, einfach nicht den Ton der Serie trifft. Das Drehbuch ist indes übel genug, um Wisemans Arbeit endgültig zu einem gewöhnlichen Genrefilm zu machen, der nur wegen seines hohen Aufwandes, seines Stars und der Franchise-Geschichte nicht in den Untiefen des B-Films versinkt. Willis hat nicht nur seine eigene Schmerzgrenzen ausgetestet, sondern die empfindlichen Nerven der Hardcore-Fans möglicherweise auch ein klein wenig gekitzelt.

The Needle Tears A Hole
The Old Familiar Sting
Try To Kill It All Away
But I Remember Everything...
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*Nine Inch Nails: Hurt

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