Vom Zerfall einer Familie - 28.03.2008
Selbstjustiz darf man nicht gut finden. Auf deutschen Kinoleinwänden geht das sowieso gar nicht, wie zahlreiche Zensurschnitte und Indizierungen über die Jahre beweisen. Aber was, wenn einem tatsächlich ähnliches widerfahren würde wie dem Protagonisten von Herrn Wans neuestem Streifen? Würde man alles der Obrigkeit anvertrauen und den Dingen ihren Lauf lassen? Und könnte man mit einer subjektiv ungerechten Gerichtsentscheidung leben…oder würde man selbst auf Rache aus sein? In meinen Augen sind Filme immer dann etwas besonderes, wenn man nach dem Ende noch ein wenig länger nachdenklich ist und gerne über das soeben Gesehene diskutiert. Und egal, wie brutal und moralisch fragwürdig James Wans Film nun sein mag, er gehört ganz sicher in die Kategorie der diskussionswerten Streifen, von denen es derzeit so wenige gibt.
Nick Hume ist ein braver Bürger, hat einen normalen Job, eine liebe Frau und zwei gut geratene Söhne. Nichts durchbricht seine Tage, bis eines Tages der ältere Sohn bei einem Tankstellenüberfall en passant als Initiationsritual erstochen wird. Von nun an sind die Tage der Familie Hume so grau wie das körnige Filmmaterial, zumal der Täter zwar gefaßt werden kann, aber einer lächerlich geringen Strafe entgegensieht. Was tun, Herr Hume? Zunächst nicht viel, bis der Plan reift, das Gesetz in die eigene Hand zu nehmen und den Mörder umzubringen. Dumm nur, daß diese Tat eine Gewaltspirale auslöst, die unweigerlich zu weiteren Toten führt. Und am Ende dann, wenn sich der Staub der letzten Schießerei lichtet, fragt man sich, ob das Ergebnis den Aufwand wert war…und wie man selbst in dieser Situation reagiert hätte.
Der Film ist sicher ein Remake des ersten „Death Wish“ – Streifens mit Herrn Bronson, geht aber ein wenig weiter. Er funktioniert vor allem durch die Schauspielarbeit von Herrn Bacon, dem man dank seines ausgezehrten Gesichts den verzweifelten Familienvater bestens abnimmt. Die weiteren Darsteller bleiben nicht lange in Erinnerung, hier verankern sich vielmehr wirklich gut inszenierte und mit brutalen und schön handgemachten Effekten nicht geizende Actionsequenzen. Die Optik des Films ist düster und paßt sich der eh recht unerfreulichen Geschichte an – während Herr Bacon auch nicht plötzlich zur Ein-Mann-Armee mutiert, sondern sich Waffenkenntnisse erst aus Bedienungsanleitungen aneignen kann. Insgesamt ein sehr harter Streifen, weg von der aktuellen Weichspültendenz des PG-13 ratings, absolut sehenswert, moralisch fragwürdig aber durchgehend spannen, mit ein paar kleineren Längen zu Beginn - 9/10.