Die Grenze zwischen Selbstjustiz und Verteidigung ist naturgemäss sehr schmal, wenn man voraussetzt, dass der Ausführende nicht ohne Grund aktiv wird. Zum Beispiel nimmt sich Bruce Willis in seinen "Die Hard"-Filmen seit je her die Freiheit heraus, seine Gegner je nach Situation und Notwendigkeit zu killen, ohne das ihm das Etikett "Selbstjustiz" angeheftet wird. Durch die überdimensionale Bedrohung unterliegt jeder Kampf dem Motto "Selbstverteidigung" und befreit den Helden damit von moralischem Ballast. Allerdings unterstützt das gesamte Szenario noch diesen Eindruck, indem es gar nicht erst behauptet, realistisch zu sein, und erhebt damit die gesamte Action in den Rang der Coolness und Stilisierung.
Begibt man sich in die Niederungen des Alltags und damit zu den sogenannten "Durchschnittsmenschen" entsteht schnell das Risiko einer ernsten Auseinandersetzung oder der Belanglosigkeit, weshalb sich Regisseur James Wan, bekanntlich für die "Saw"-Filme verantwortlich, gar nicht erst darauf eingelassen hat. Die gesamte Konstellation, die hier zum Drama aufgebaut wird, riecht meilenweit nach Konstruktion.
Kevin Bacon, der schon viele abgefahrene Typen gespielt hat, wird hier eine bürgerliche Spießigkeit angedichtet, die bis ins Detail gestylt und damit schon wieder plakativ ist. Allein in den Fahrzeugen, die sich in der Gewalt auslösenden Szene gegenüber stehen, wird dem Betrachter mit dem Holzhammer vermittelt, dass hier gegensätzlichste Gesellschaftsschichten aufeinander treffen. Nick Hume (Kevin Bacon) ist mit seinem Sohn Brendan (Stuart Lafferty) in einer braven Ford Limousine unterwegs, die jeden Preis für das langweiligste Auto in einem Hollywood-Film gewinnen würde (und später konsequenterweise auch verschrottet wird), während die bösen Jungs in aufgemotzten Muscle-Cars über die Straßen driften.
Dazu noch ohne Licht, worauf sie durch den aufmerksamen Familienvater hingewiesen werden, was ihm schon die erste Aggressionsattacke einbringt. Trotz dieser kurzen Erfahrung hält er unmittelbar danach an einer Tankstelle und muß mit ansehen, wie sein begabter Sohn, der das Zeug zum Profi-Sportler hatte, von einem Bandenmitglied getötet wird. Der Täter wird kurz danach von einem Auto überfahren, weshalb er schnell dingfest gemacht werden kann, aber für Humes Sohn kommt jede Hilfe zu spät.
"Death Sentence" täuscht hier nur "Normalität" vor, denn tatsächlich ist in diesem Film nichts normal. Weder die amerikanische Familie mit Kelly Preston als passiver Ehefrau und Jordan Garrett als jüngerer benachteiligter Sohn Lucas, deren Charaktere über Abziehbilder nicht hinauskommen (weswegen es ihnen letztlich nicht viel besser ergeht als dem Ford), noch die Verbrecher-Gang, die mit Nazi-Optik und Drogenwahn einen besonders furchterregenden Eindruck machen soll.
Wer hier noch an Realität glaubt, sollte spätestens nach der Gerichtsszene, in der der Mörder verurteilt werden soll, eines Besseren belehrt sein. Der Film versucht gar nicht erst ein glaubwürdiges Szenario aufzubauen, sondern erfüllt nur die gängige Erwartungshaltung an ein marodes Justizsystem, dass nicht in der Lage ist, seine Bürger zu schützen. Angesichts unzähliger US-Filme, deren Ausgangssituation davon geprägt ist, daß jugendliche Straftäter wegen Mini-Delikten nur auf Grund eines mageren Verdachts für Jahre in den Knast wandern, ist das Verhalten des Staatsanwalts zutiefst unglaubwürdig, genauso wie die Seelenruhe, mit der sich die Polizei das plötzliche Nichterinnern des einzigen Zeugen Hume gefallen lässt (zufällig befanden sie sich nämlich in der einzigen Tankstelle Amerikas ohne Videoüberwachung - und das in dieser miesen Gegend). Kein Protest und kein Zweifel erhebt hier die Stimme. Bacon muss sich nicht einmal Vorwürfe seiner Frau gefallen lassen, so dass er sich in Ruhe auf die Verfolgung des Täters machen kann.
Angesichts dieser Geschehnisse könnte man "Death Sentence" genüsslich in die Riege der comicartigen, unrealistischen Thriller einordnen und damit das Thema "Selbstjustiz" zu den Akten legen. Doch irgendwie haben sich die Macher in den Kopf gesetzt, das Thema direkt anzugehen. Immer mal wieder reibt sich Bacon schuldbewusst den Kopf, verfällt - nachdem er kurz vorher bei einer Verfolgungsjagd seinen Häschern erfolgreich entkam und dabei noch Einen erledigte - wieder in kleinbürgerlich zweifelndes Verhalten zurück und vertraut sich fast weinerlich der im gesamten Film grotesk unfähigen Polizei an, deren Kompetenz auch im selbstbewusst, attraktiven Auftritt von Detective Jessica Wallis (Aisha Tyler) ohne Wirkung bleibt.
"Death Sentence" arbeitet ausschliesslich mit Stereotypen und ist nie in der Lage eine stimmige Geschichte zu erzählen. Doch scheinbar genügen Großraumbüros mit Krawattenträgern, die sich mit Versicherungen auseinandersetzen, und Gangs, die mit Drogen und Waffen herum hantieren, um dem Betrachter das Gefühl zu vermitteln, an der us-amerikanischen Realität teilzunehmen. Anders sind auch die vielen banalen Fehler nicht zu erklären, die den Film schlampig wirken lassen.
So ist das dünne Geländer, dass der Ford bei der Hochgarage trotz langsamen Tempos durchschlägt, nicht einmal Spielplatz geeignet, wie es auch ein schöner Zufall ist, dass Humes Auto ausgerechnet einen der zwei Parkplätze inne hatte, von dem aus der Wagen überhaupt ins Rollen geraten konnte.
Natürlich erschießen die Killer sämtliche Personen, auf die sie es abgesehen haben, mit brutaler Konsequenz, nur bei Freund Hume belassen sie es bei einem lauen Schüsschen in den Brustkorb (dem sie trotz viel Zeit keinen finalen Todesschuss folgen lassen), so dass dieser sich quasi im Eiltempo wieder erholen kann.
Und warum spricht Vater Darley (John Goodman) Hume erst auf seinen Sohn an, um diesem später zu erzählen, dass er sich für ihn eingesetzt hätte ? - Hume wusste doch gar nichts von dieser Verbindung und hat auch nicht gefragt.
Die gesamte "Selbstjustiz"-Thematik geht in diesem kruden Geschehen vollkommen unter und spielt letztlich keine Rolle mehr. Man kann sich zurecht darüber aufregen, dass Humes Verhalten immer unreflektierter dargestellt wird und das seine plötzlichen Fähigkeiten als Super-Kämpfer unglaubwürdig sind, aber das reiht sich nur in den gesamten Film ein, der von Anfang bis Ende einfach schlecht ist. Eine der letzten Szenen verdeutlicht noch einmal das durchgehend niedrige Niveau :
Bacon entkommt der Polizei aus dem Krankenhaus, rüstet sich auf, sucht die Gang und kämpft, um völlig fertig wieder nach Hause zurückzukehren. Er setzt sich vor den Fernseher, um Videos mit alten Familienaufnahmen anzusehen. Gefühlte 12 Stunden waren für diesen Kraftaufwand mindestens notwendig - und was macht die Polizei ? - Sie trifft erst jetzt bei ihm ein, damit der Zuschauer Zeuge von Bacons innerem und äusseren Prozess wird. Hat die Polizei stundenlang Pause gemacht oder ihn im Krankenhaus gesucht ? - Gut, dass Irgendwann einer von ihnen auf die Idee kam, mal zu Hause bei Hume nachzusehen...
Viel idiotischer kann man einen Film nicht mehr inszenieren und man fragt sich, was noch bemerkenswerter ist ? - Das der Zuschauer angesichts turbulenter Action die vielen Fehler gar nicht bemerkt oder warum ein sehr guter Schauspieler wie Kevin Bacon bei einem solchen Machwerk mitmacht ? (2/10)