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Der neue Skandalfilm aus dem Hause Wan. Eine vermeintlich archaische Erfahrung im Sinn der Selbstjustiz. Genau genommen umfasst "Death Sentence" ein Stufenmodell von Todesurteilen, die eine Gewaltspirale aus roher Brutalität und Rachegelüsten forciert. Inmitten als tragischer Protagonist vollzieht Architekt Nick Hume (Kevin Bacon) progressiv einen Wandel vom Paulus zum Saulus – Auge um Auge, Zahn um Zahn. So einfach trivial ist die Geschichte letztendlich aber doch nicht erzählt

Ausgangspunkt ist wie so oft das Bild der heilen Welt, die von einem sinnbildlich weißen Gartenzaun umrandet wird. Zwei Söhne, eine fürsorgliche Mutter und der hart arbeitende Vater, dem seine beiden Kinder sehr am Herzen liegen. Das konservative Klischee feiert ein plumpes Revival. Hier kündigen sich schon die bösen Mächte, welche die Bastion des familiären Friedens bedrohen, an.

Ein neues Bandenmitglied muss sich beweisen und trifft mit seinen Kollegen Hume und dessen Sohn, der seinem Vater kurz zuvor noch die eigenen Zukunftsträume als Eishockey-Profi näher bringt, an einer Tankstelle. Hier beginnt das Drama mit dem Tod des Sohnes. Die Justiz versagt, das Genre lebt. Die traumatisierte Familie ist am Boden zerstört, Hume wirkt desillusioniert und fasst einen folgenschweren Entschluss.

An diesem Punkt gelingt es Wan überraschend, der festgefahrenen Vorstellung eine neue Facette hinzuzufügen. Es bricht keineswegs die pure Anarchie aus. Die Ereignisse münden schrittweise in ein Drama, das als letzte Konsequenz der Verzweiflung die Selbstjustiz hervorruft. Bacon wird auf glaubwürdige Art und Weise vom fürsorglich spießigen Vater zum Mörder, der das zerstörte Familienglück nicht verarbeiten kann.

Es ist ein Prozess, der zum diesem Vollzug führt. Todesurteile werden gefällt, weil die Protagonisten mit persönlichen Verlusten nicht umgehen können. Das Gangmitglied war der kleine Bruder des Bandenführers, das erste Opfer war Humes geliebter Sohn. Die Kreise schließen sich und der Protagonist erliegt immer mehr den niederen Instinkten. Es wird überdies auch deutlich, dass Rache eigentlich nur persönlich sein kann.

Die ehemals schöne Welt wird dunkel und atmosphärisch dreckig. Als Betrachter dieser Ereignisse verspürt man aber keineswegs Sympathie für den Richter, Hume wird zu sehr zu dem, was er niemals sein sollte. Der Bandenführer bringt es am Ende auf den Punkt. Sehe dich an, du bist jetzt einer von uns. "Death Sentence" ist vielmehr ein knallhartes Drama als das klassisch zweifelhafte Genre-Werk, welches Auge-um-Auge-Rache in irgendeiner Weise glorifiziert.

Keiner möchte jener Mann sein, der gebrochen mit sporadisch rasierten Haaren schwer angeschlagen auf seinem Sofa hockt und sich in Erinnerung schwelgend alte Familienvideos zu Gemüte führt. Die Rachegelüste sind gestillt, aber keinem hat die Gewaltspirale genutzt. Die Todesurteile führen zu einem schwarzen Film, nicht unbedingt im charakteristischen Sinne des noir, aber am Ende gibt es hier genauso wenige Gewinner. Verlierer werden durch selbst gefällte Todesurteile in einem langen Prozess geboren. (6,5/10)

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