Review

Die Erwartung war ein Max Payne mit mehr Betonung auf das Familienleben und einem Helden, den das Abenteuer mehr in den Dreck zieht als noch Remedys Videospielakteur.
Im Großen und Ganzen wird beides erfüllt, der Platz dazwischen jedoch um so einige Facetten erweitert.

Death Sentence beginnt, anders als die meisten Rachethriller, mit einer Einleitung, die sich durchaus Zeit lässt, den Zuschauer ob netter Stilmittel wie dem leicht dokumentarischen Intro aber selten langweilt. Lediglich so manches Schöne-heile-Welt-Gerede zu Beginn zieht Schmalz aus der Klischee-Wunde; diese 08/15-Unterhaltungen stehen nach den knapp zweieinhalb Stunden, die James Wans (Saw) Werk dauert, jedoch in einem anderen Licht als es zu Beginn den Anschein hat. Denn unter der Oberfläche brodelt es.
Und diese eine Aussage zieht sich durch den gesamten Film.

Nicolas Hume ist Vater und Ehemann in einer zufriedenen Familie und erfolgreicher Architekt. Dieses felsenfeste Konstrukt fängt an zu bröckeln, als Gangmitglieder seinen ältesten Sohn töten und die Justiz versagt, bis am Ende kaum mehr steht als das nackte Fundament.

Bis dahin ist es, anders als z.B. in The Punisher, The Mechanik oder Wake of Death, aber ein weiter Weg, denn Hume ist kein Spezial-Agent, kein Krimineller, der geschult ist im Umgang mit Waffen und Toten. An dieser Stelle sei Hauptdarsteller Kevin Bacon gelobt, mit dem ich am wenigsten in solch einer Rolle gerechnet hätte. Den Wandel vom liebenswerten Großstadtnormalo zum rächenden Wrack nimmt man ihm ab. Das liegt zum Einen an der wirklich überzeugenden Charakterzeichnung (auch äußerlich ein Anblick, den man nicht so schnell vergessen wird), zum Anderen an den Aufeinandertreffen mit dem Feind, die nie ohne Verluste verlaufen. Beide Seiten betreffend.
Erheblich überraschte mich hierbei die Exekution im Wohnzimmer; damit hätte ich wirklich nicht gerechnet.

Optisch schließt sich der Kreis zum Anfang des Reviews, da James Wan viel Gewicht auf eine zunächst humane, durchaus farbenfrohe Kulisse setzt, die später zunehmends dreckigen, düsteren, fast bedrohlichen Umgebungen (hier zeigt sich die gewonnene Erfahrung im Horror-Genre) weicht und den Nerv von Max Payne-Liebhabern wie mir trifft.

Death Sentence ist aber auch Action.
Autos fliegen mehrere Stockwerke in die Tiefe, Menschen Treppen hinunter, Gliedmaßen werden abgeschossen und Transporter zweigeteilt.
Wenn es kracht, dann gewaltig. Und auch, wenn es danach klingt, wie reden hier nicht über ausufernde Effektorgien der Marke "Stirb Langsam 4.0" und "Terminator 3" oder Requisitenfresser wie "Hard-Boiled", sondern bodenständige, dennoch oder gerade deswegen weitaus erbarmungslose Auseinandersetzungen.
Denn hier ist nichts lustig.
Kaum ein Spruch, der das Prädikat "Oneliner" tragen sollte, kein blödelnder Quotendepp, keine Situationskomik (von einer Szene im Finale abgesehen, wobei auch hier der Ernst die Oberhand gewinnt).

Ist letzter Absatz nicht als Negativpunkt zu rechnen, sei es die Auswahl der Musik an einer Stelle. Diese macht zwar kaum drei Minuten aus, ist aber in ihrer Funktion als Schlusspunkt für einen Thriller dieser Art derart wichtig, dass sie Einiges zerstört, was zuvor (und während des Abspanns wieder) aufgebaut wurde. Ich weiß nicht, wer das Lied, das zeitgleich mit dem letzten Bildmaterial gespielt wird, ausgesucht hat, aber damit hat man einen Großteil der düsteren Atmosphäre des wirklich denkwürdigen Schlusses zunichte gemacht.
Punktum: Es lässt einen Film, der in seiner Entwicklung so düster und brachial ist, einfach zu entspannt und hoffnungsvoll ausklingen. Ähnlich der Rockgurke am Ende von The Mechanik.

Alles in allem ist Death Sentence aber der Selbstjustizthriller geworden, den man sich gewünscht hat: düster, hart, mit einem überzeugenden Rächer und viel Charakter.

8/10

Details
Ähnliche Filme