Endlich kommt mal eine Naturdokumentation daher, die in Zeiten von Klimaerwärmung eben nicht auf den moralischen Zeigefinger setzt, bei der in jeder Einstellung „… und du bist schuld!“ mitschwingt. Die Kraft der Bilder spricht eine eigene Sprache und dreht daraus seine Schlussfolgerung, - es könnten in absehbarer Zeit die letzten ihrer Art sein.
Anhand von drei im Vordergrund stehenden Mutter/Kind Episoden werden die Veränderungen der Erderwärmung verdeutlicht: Die Eisbärenmutter, die kurz nach der Polarnacht mit ihren Jungen die Höhle verlässt, die Elefantenkuh mit Nachwuchs auf der beschwerlichen Reise durch die Kalahari und die Buckelwale, die, hinaus aus den tropischen Gewässern, einen weiten Weg beschreiten müssen.
Der Stoff, der in rund fünf Jahren mit vierzig Kamerateams über 1000 Stunden Rohmaterial einbrachte, ist sein Aufwand in jeder Einstellung anzusehen.
Modernste Logistik war im hohen Maß gefordert, um die Tiere in ihrem uneingeschränkten Lebensraum aus der Distanz zu filmen und somit Szenen zu liefern, die dem Betrachter lange im Gedächtnis haften werden.
Die Karibuherde, die rund 3000 Kilometer durch die Tundra zieht, die Jungvögel, die erstmalig ihr Nest verlassen und in Zeitlupe im Laub landen, Blüten, die sich im Zeitraffer öffnen, ebenfalls im Zeitraffer färbt sich ein Waldgebiet, eine Wahnsinns-Kamerafahrt an den Abgrund eines Wasserfalls, dazu Kraniche in Tibet einen Schneesturm trotzend, ein Riesenvieh vom weißen Hai, der sich eine Pelzrobbe angelt, Polarlicht, badende Elefanten, - die Vielzahl an Blickwinkeln scheint unendlich dehnbar in Höhe in Weite zu sein und liefert Eindrücke, die rein visuell nicht zu toppen sind.
Dabei werden auch emotionale Situationen erzählerisch gut verteilt, Jagdszenen und putzige Momente ausgewogen montiert, nach der Jagd des Wolfes folgt das skurrile Balzverhalten des Paradieskragenvogels, nach dem Angriff von mehreren Löwen auf einen Elefanten folgen die Affen, die durchs Wasser waten wie eine Badenixe, die beim Gang ins Meer ihre Frisur intakt halten möchte. Eingebettet wird das Ganze in einen überwiegend orchestral wuchtigen Klangteppich von George Fenton und dem angenehm zurückhaltenden Off-Kommentar von Ulrich Tukur, wobei mir da eine tiefere Stimme wie die von Thomas Fritsch insgesamt besser gefallen hätte.
Trotz atemberaubender Bildgewalt finden sich jedoch auch kleine Makel, denn Fressszenen werden dezent ausgeklammert, als würden solche in der Natur nicht zum Alltag gehören und auch den Tod in Vollendung bekommt man nicht zu Gesicht. So werden die ganz jungen Zuschauer zwar zu keiner Zeit schockiert, zeitgleich aber gewiss mehrfach nachhaken „Ist der jetzt tot?“.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Wahl der Schwerpunkte, die unter einem so globalen Motto gewiss problematisch zu setzen ist, doch für mein Empfinden schwimmen da etwas zu lange Zeit Wale und werden der Regenwald, Australien und Südamerika zu sehr ausgeklammert. Zeitweise erfolgen Schnittwechsel etwas beliebig, anstatt einem strukturierten Konzept nachzugehen, setzt der Ablauf auf Wechsel der Jahreszeiten und springt ein wenig fahrig von einer Klimazone zur nächsten.
Das alles beeinträchtigt die Pracht der wunderbaren Naturaufnahmen im Gesamtbild jedoch nur geringfügig. Denn in so bestechender Schönheit sprachen Bilder selten so stark für sich.
Da ist keiner im Off-Kommentar, der über die Strapazen und Gefahren während des Drehs jammert, nein, die Momentaufnahmen lassen diese lediglich erahnen, die Ereignisse, die man in außergewöhnlichen Kamerafahrten zu Gesicht bekommt, sprechen jedoch eine ganz andere Sprache, - einfach mal wirken lassen.
Und allein für diese Wirkung sollte man sich Zeit für einen Kinobesuch nehmen, denn er stabilisiert die Lebensgeister wie ein ausgedehnter Spaziergang in abgelegener Natur, begleitet von einem Lächeln in einer Mischung aus Respekt und Verzauberung.
8,5 von 10