Den Menschen in der Stadt wurden die Stimmen gestohlen. Nun sind sie stumm und kommunizieren über Wörter, ähnlich wie Zwischentitel in Stummfilmen. Oder Sprechblasen in Comics. Der Medienmogul Mr. TV allerdings „besitzt“ eine Sängerin die eine Stimme hat, und mit ihrer Hilfe zwingt er die Menschen der Stadt seine Produkte zu kaufen. Bei der Übertragung eines Boxkampfes will er alle Menschen durch die Stimme der Sängerin einschlafen lassen und ihnen dann die Worte stehlen. Der blinde Sohn der Sängerin allerdings kann ebenfalls sprechen, weswegen Mr. TV ihn töten lassen will. Mit Hilfe der kleinen Ana und ihrer Eltern gelingt die Flucht in die Berge, wo eine alte Antenne steht. Eine Übertragungsanlage, mit deren Hilfe die Stimme des Jungen in die Stadt gesendet werden soll. Doch die Schergen von Mr. TV sind dem kleinen Grüppchen hart auf den Fersen.
Ein Wundermärchen für Erwachsene, ein Kaleidoskop an Ideen und irrsinnigen (im Sinne von: kreativen) Umsetzungen. Ich habe Méliès gesehen, Dr. Mabuse war dabei, natürlich Alex Proyas’ DARK CITY, Lotte Reiniger, SOYLENT GREEN, Jan Svankmajer, SIN CITY, Alfred Hitchcock (die Augen aus ICH KÄMPFE UM DICH), einiges an Stummfilm-Ästhetik und –Stil, und es gibt bestimmt noch unendlich viel mehr was ich nicht kenne oder was einfach gut versteckt ist. Auch die Schergen, mit Gesichtsmaske, Kommandomütze und Rattenschwanz, mit den langen Mänteln und den automatischen Pistolen kenne ich, und zwar aus irgendeinem Comic. Na, vielleicht komme ich noch drauf. Es könnte Moebius gewesen sein …
Also auf der künstlerischen Seite ist alles in trockenen Tüchern. Zweikämpfe finden auch mal als Scherenschnitt vor dem Hintergrund gigantischer Pendel statt, das Gebirge besteht aus alten Zeitungen (also quasi aus den Überresten alter Worte), und die ganze Stimmung ist überhaupt sehr liebevoll und mit Sinn fürs Detail gemacht. Umso mehr schmerzt es dass leider kaum Spannung vorhanden ist, und sich der Film vor allem in der ersten Stunde ziemlich zieht. Es ist schön, wenn die Menschen Wörter „sprechen“ und diese dann anschauen oder mit den Händen zerschlagen (wobei mir nicht ganz klar ist, wie der blinde Junge „hören“ kann, den er kann die Wörter ja nicht sehen), und genauso schön ist es, wenn die handelnden Personen sich regelmäßig bedeuten ruhig zu sein: Es dürfen keine Wörter produziert werden. Nur, der Effekt nutzt sich irgendwann ab, und bei aller technischen Raffinesse und aller erzählerischen Verspieltheit muss ich leider festhalten dass der Film oft … langweilig ist. Dass man sich als Zuschauer gewaltsam an den Details der Bilder festhalten muss anstatt an einer fesselnden Geschichte, und dass LA ANTENA zwar problemlos als Dystopie definiert werden kann, dafür aber die zwingende Paranoia von Filmen wie BRAZIL oder DARK CITY fehlt. Mr. TV ist ein böser Schurke und richtig gemein, aber er ist so gnadenlos überzeichnet dass er nicht finster wirkt sondern grotesk, genauso wenig wie der Scherge mit dem Rattenschwanz. Und dass die nahtlose Überwachung durch die Fernsehanstalt aussieht wie Méliès DIE REISE ZUM MOND macht es nicht besser.
Weniger wäre hier bestimmt mehr gewesen. So ist der Film nett, aber er nutzt seltsamer- und bedauerlicherweise nicht die Möglichkeiten des Mediums Film, in dem er mit das Wichtigste vergisst: Die großartigen Bilder mit einer packenden Narration zu versehen. Erst in der letzten halben Stunde, wenn Mr. TV seinen schändlichen Plan umsetzt und sich gleichzeitig die Ereignisse an der Antenne zuspitzen, erst dann kommt Spannung auf, aber da ist es leider schon zu spät. Schade um die verpassten Möglichkeiten, denn technisch und optisch ist LA ANTENA wie erwähnt ein Füllhorn an Spaß für jeden Filmliebhaber.