Review
von Cineast18
Der Kellner Jeremy (Jude Law) begegnet eines Abends der vor Liebeskummer verzweifelten Elizabeth (Norah Jones). Durch seine offene und sympathische Art entwickelt sich eine tiefe Freundschaft zwischen ihnen. Auch Elizabeth ist Barkeeperin, die an den Schicksalen ihrer Gäste regen Anteil nimmt. Um wieder zu sich selbst zu finden, unternimmt sie eine Reise quer durch das US-amerikanische Festland - und findet auch hier neue Bekanntschaften und Lebensweisheiten.
So viel zum Inhalt dieses Film gewordenen Hollywood-Blues-Stücks von Wong Kar-Wei, einem der wenigen fernost-asiatischen Regisseure, die es nach Hollywood geschafft haben. Es ist ein wenig schwierig, diese Story zusammenzufassen, denn der episodenhafte Reigen rund um die melancholische Elizabeth - passend zur Grundatmosphäre verkörpert von der Sängerin Norah Jones - wirkt alles in allem weniger stringent und zielgerichtet als die meisten von Kar-Weis sonstigen Filmen.
Vor allem, wenn man „My Blueberry Nights" mit seinen frühen Werken vergleicht, fällt ein deutlicher Qualitätsverlust auf: Weder erreicht er hier die tieftraurige Tristesse eines „Fallen Angels" noch die Intensität im Charakterporträt etwa von „Happy together". Viel mehr plätschert hier alles gemütlich vor sich hin, ohne in echte Höhepunkte auszubrechen, und der Episodenaufbau der Handlung bringt nicht nur immer wieder auf leicht verwirrende Art neue Figuren ins Spiel, er verdirbt auch die Identifizierung mit den bereits bekannten - kaum hat man etwa ein tieferes Interesse an der von Jude Law mit der ihm typischen Eloquenz verkörperten Figur entwickelt, verschwindet er bis kurz vor Schluss aus dem Film. Auch die Gastauftritte von Rachel Weisz oder Natalie Portman fallen zu kurz und willkürlich aus, um ein wirklich intensives Bild von ihnen zeichnen zu können.
Das ist wirklich schade, denn grundsätzlich schimmern in den Einzelschicksalen durchaus faszinierende und potenziell mitreißende Lebensgeschichten durch - mit viel Gespür für die Entgleisungen ganz gewöhnlicher Leben berichtet Kar-Wei hier von gescheiterten Ehen, zerrütteten Vater-Tochter-Beziehungen und Menschen auf der Flucht vor sich selbst. Mit den angerissenen Themen werden sich viele Zuschauer identifizieren können, aber zu mehr als einem bloßen Einblick kommt es leider nicht - zu kurz die Episoden, zu künstlich und um Alltäglichkeit bemüht die Darstellerleistungen. Keiner der sonst so hervorragenden Schauspielerinnen gelingt es in „My Blueberry Nights", ihrer Figur authentisches Leben einzuhauchen, und auch Jude Law bleibt zu sehr Jude Law, um einen wahrhaftigen Charakter zu imitieren.
Das passt durchaus zur Inszenierung des Films, der sich viel mehr als bei früheren Filmen Kar-Weis in bloßer Oberflächlichkeit ergeht. Der massenhafte Einsatz von Zeitlupen, endlose Bilder von Großstadtlichtern und nächtlichen Straßen und ein tief melancholischer Blues-Soundtrack sollen wohl eine entsprechende Atmosphäre erzeugen (man denke an „As Tears go by" oder „Days of Being Wild"), bleiben hier aber zu sehr Selbstzweck, um ihr Ziel voll zu erreichen. Klar entsteht eine nachdenkliche Atmosphäre und viele der Bilder sind von seltener zärtlicher Großstadt-Poesie. Aber inhaltlich bleibt der Film zu flach, um wirklich zu überzeugen.
So gerät „My Blueberry Nights" zum prätentiösen Selbstzweck, der alle formalen Spielereien aus der Karriere Kar-Weis aufgreift, aber keine eigenständige Aussage hat und damit nicht annähernd so tiefgründig wird, wie er es gern sein würde. Hochkarätige Namen, atmosphärische Bilder und ein wirklich schöner Soundtrack allein machen eben noch keinen guten Film - man sollte auch irgendetwas zu sagen haben. Wer aber schon Kar-Weis frühere Filme mochte, wird wohl auch hier einige kleine Perlen entdecken können.