Die Kritik beruht auf der ungeschnittenen Langfassung!
Mit den beiden Filmen "Das Geheimnis der grünen Stecknadel" und "Das Rätsel des silbernen Halbmonds" wurden innerhalb der "Wallace"-Reihe neue Wege beschritten um der schwächelnden Kinoserie zu den Erfolgen aus alten Tagen zu verhelfen, doch die Frischzellenkur entwickelte sich zum Todesstoß, denn das deutsche Kinopublikum konnte der ernsten Mischung aus Sex und Gewalt nichts abgewinnen.
Und so stellt Umberto Lenzis klassischer Giallo die 38. und letzte "Wallace"-Adaption dar, die im Vergleich zur "grünen Stecknadel", nicht einmal mehr durch englisches Flair punkten konnte - da der Film ausnahmslos in Italien gedreht und die Handlung dort angesiedelt wurde.
Umberto Lenzi, der im gleichen Jahr mit "Mondo Cannibale" den Grundstein für das Subgenre des Kannibalenfilms legen sollte, inszeniert von Beginn an mit ungeheurem Tempo und sorgt in den ersten 15 Minuten für einen dramatischen Anstieg des Bodycounts: Drei Todesopfer - allesamt Frauen unterschiedlichster Gesellschaftsschichten - die auf bestialische Weise von einem unheimlichen Killer ermordet werden, der stets am Tatort ein Amulett in Form eines silbernen Halbmonds hinterlässt.
Ein weiterer Mordanschlag kann zwar vereitelt werden, doch die Mordserie reißt nicht ab.
Uschi Glas, die ein Jahr zuvor noch den letzten deutschen "Wallace"-Krimi "Die Tote aus der Themse" mit ihrem talentfreien Mimenspiel veredelte, spielt das Opfer, das dem mysteriösen Unhold entkommen konnte.
Böse Zungen kritisieren, dass sie es lieber hätte erwischen sollen - doch Autor und Regisseur Lenzi reduzierte ihre Rolle auf ein halbwegs erträgliches Minimum.
Ihre Teilnahme und einige Hunderttausend Mark sind dann auch die einzigen Indizien, die auf eine deutsche Beteiligung hinweisen. Der Rest der Besetzung wird von italienischen Mimen angeführt, wobei Antonio Sabato in dem Genre zumindest beheimatet ist und seinen Part gut zum Ausdruck bringt.
Und auch der Rest des Films hat nichts mehr mit dem Charme der früheren "Wallace"-Verfilmungen zu tun. Während die Verfilmung der "grünen Stecknadel" allein durch ihre englische Kulisse, die vielen deutschen Stammdarsteller der "Ur"-Reihe und das Szenario an einer Privatschule noch ansatzweise an "Wallace" erinnerte, bleibt Lenzi mit seiner Inszenierung den bekannten Versatzstücken des Genre treu und liefert einen soliden und spannenden Beitrag zur Giallo-Welle ab.
Wie oft in diesem Genre stehen weniger die polizeilichen, sondern die privaten Nachforschungen einer im Zentrum der Mordserie stehenden Person im Vordergrund der Handlung. Antonio Sabato überzeugt dabei in der Rolle von Uschis Ehemann Mario, der Stück für Stück ein Puzzle zusammen setzt und der furchtbaren Wahrheit hinter den Verbrechen gefährlich nahe kommt.
Die Mordsequenzen sind teilweise sehr stimmungsvoll inszeniert. Lenzi schafft es sogar ihnen eine bedrohliche und unheimliche Atmosphäre einzuhauchen, die nur noch von der gnadenlosen Härte, der graphischen Darstellung und dem wirkungsvollen Score von Riz Ortolani übertroffen wird.
Spannung und Tempo beherrschen Lenzis Inszenierungsstil und einige überraschende Wendungen sorgen bis zur endgültigen Auflösung für Abwechslung im Handlungsverlauf.
Da sich der "silberne Halbmond" trotz viel nackter Haut nicht zu sehr auf seine Nuditäten konzentriert wie zuvor die "grüne Stecknadel", ist Umberto Lenzis Frühwerk insgesamt minimal besser, zumindest wird die Handlung nicht durch unnötige Sexszenen ausgebremst und auch das Finale ist schlüssig und clever konstruiert.
Für eingefleischte "Wallace"-Fans der ersten Stunde sicherlich ein unwürdiger Abgesang, für Giallo-Freunde aber eine kleine Sternstunde des Genre.
7,5/10