Die Fernsehserie "Flipper" gilt heute als typisches Beispiel der gediegenen, familientauglichen Sonntagnachmittagsunterhaltung der 60er Jahre, der gerne Attribute wie traditionelle Familienstrukturen, heile Welt und Harmlosigkeit angeheftet werden. Scheinbar einzig noch als sentimentale Reminiszens an vergangene Zeiten geniessbar. Angesichts der gerade einmal 36 Folgen um den Delfin "Flipper", Porter Ricks und seine Söhne Sandy und Bud, erstaunt deshalb der hohe Bekanntheitsgrad der Serie bis zum heutigen Tag, was darauf verweist, dass es den Machern gelungen sein muss, innerhalb der meist 25minütigen Folgen nicht nur eine hohe Identifikation mit den Protagonisten, sondern auch einen ausreichenden Spannungsbogen aufzubauen.
Für Anhänger der Serie war deshalb die Ansicht des ersten "Flipper"-Films von 1963, den die meisten erst nach der 1964 entwickelten Fernsehserie zu sehen bekamen, da dieser deutlich später im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde, eine gewisse Enttäuschung. Statt des gewohnten Serienhelden Brian Kelly als Porter Ricks, der zudem mit seinem Schnellboot für die Küstenwache unterwegs war, spielte hier Chuck Connors den Fischer Porter Ricks, der ein eher ärmliches Dasein auf einer Insel führt. Nur Sandy (Luke Halpin) und der Delfin sind schon dabei, während hier noch seine später als verstorben geltende Mutter (Kathleen Maguire) existiert, dafür aber sein kleiner Bruder Bud fehlt.
Die Gründe für diese Veränderungen sind nachvollziehbar, denn der erste "Flipper"-Film hatte keineswegs die Funktion eines heute üblichen Pilotfilms, sondern widmete sich konzentriert der ungewöhnlichen Freundschaft zwischen einem 12jährigen Jungen und einem Delfin. Nicht ohne Grund wird zum Schluss eingeblendet, dass der Delfin zuvor 13 Jahre trainiert worden war, denn die sensationellen Leistungen des Delfins waren der Aufhänger für die Vermarktung des Films. Um so mehr erstaunt heute, wie zurückhaltend und thematisch sensibel, dazu noch in ein realistisches Umfeld eingebettet, diese Story entwickelt wurde, die gerade in ihrem Verzicht auf konstruierte Spannungsmomente als Kinderfilm überzeugen kann.
Vielmehr bezieht der Film seine Spannung aus dem Lebensraum der Protagonisten, die gleich zu Beginn mit den Folgen eines Taifuns zu kämpfen haben. Gut zu erkennen ist die Verzahnung von dokumentarischen Aufnahmen mit der Spielfilmhandlung, was trotz der Farb- und Bildschärfeunterschiede einen authentischen Eindruck hinterlässt. Genauso wie Zerstörung und Tod in der Konsequenz eines solchen Naturereignisses nicht ausgespart werden, auch wenn das kindgerecht nicht übertrieben dramatisiert wird. Um die Reparaturen an seinem Fischerboot bezahlen zu können, ist Porter Ricks darauf hin gezwungen, eine Zeitlang auf dem Festland zu arbeiten, weshalb er seinem Sohn die Reparaturarbeiten an ihrem Haus überträgt.
Chuck Connors ist hier trotz seines meist gezeigten nackten Oberkörpers kein Held, sondern einfach nur Vater und Ehemann, der noch am ehesten, wenn er seine Frau küsst, seinem Prototyp entspricht. Als er einmal den freundlichen Umgang mit seinem Sohn vergisst und autoritäre Töne anklingen lässt, weil dieser nicht die ihm aufgetragenen Arbeiten erledigte, wird er von der liebevollen Mutter gebremst. Das Familienbild ist natürlich zeitgemäss traditionell, verfällt aber dank des realistischen Umfelds nicht in Kitsch.
Was Porter Ricks nicht ahnen konnte, war der Umstand, dass Sandy sich in der Zwischenzeit um den Delfin "Flipper" kümmerte, der von der Harpune eines schnöseligen Tauchers verletzt worden war. Typisch für den Charakter des Films ist der Fakt, daraus keine große Sache zu machen. Der Harpunist taucht nicht weiter auf, seine Entschuldigung aus dem Off wird von Sandys Freundin Kim übermittelt, und wirklich wichtig ist nur, dass Flipper wieder gesund wird und genug Nahrung erhält. Damit kommt der zweite, wesentliche Aspekt des Films ins Spiel - der Respekt vor der Umwelt und die Gefahr von Verschmutzung derselben. Natürlich verfällt der Film nicht in konkrete Kritik an Industrialisierung oder Überfischung, aber er vermittelt kindgerecht die Wichtigkeit eines Gleichgewichts in der Natur und ein massvolles Zusammenleben des Menschen mit der Tierwelt.
Aus der heutigen Sicht vermittelt der frühe "Flipper"-Film im Vergleich zur späteren Fernsehserie einen zeitlosen Eindruck. Der Zwang zum Spannungsaufbau, der schon dem zweiten Langfilm 1964 mit einer konstruierten Verbrechergeschichte schadete, und der auch die meisten Folgen der Fersehserie bestimmte, fehlt hier noch. Stattdessen wird eine ruhige, nachvollziehbare Geschichte innerhalb eines stimmigen Lebensraum erzählt, die nichts von ihrer Wirkung verloren hat - als Kinderfilm sehr empfehlenswert (7,5/10).