"Titus Andronicus" ist ein leider fast unbekanntes Werk vom guten William S., das viel zu selten auf die Bühne kommt. Ich kenne kein Werk Shakespeares, dass vergleichbar hart und perspektivenlos ist wie eben dieses. Es schreit gerade nach filmischen Umsetzungen, wobei eine rein historische Adaption des Stoffes sicherlich etwas langweilig wäre.
Die Geschichte ist schnell erzählt: Titus besiegt als römischer Feldherr die Goten und nimmt ihre Königin sowie sowie deren drei Söhne als Geisel. Soweit noch kein Drama. Leider kommt er auf die folgenschwere Idee, einen der Gotenbuben zu opfern, um seinen eigenen, im Kampf gefallenen Sohn zu ehren (er hat mehrere Kinder, auch eine Tochter - ist aber trotzdem über den Verlust leicht betrübt). Das ruft natürlich die Gotenmama auf den Plan, die nur darauf wartet, sich angemessen an Titus zu rächen. Ihre Zeit ist gekommen, als Sie durch Heirat die neue Kaiserin von Rom wird. Sie ruiniert Titus ziemlich gründlich und baut ein dichtes Netz aus Verrat und Intrige auf. Aber unser Feund Titus ist Stoiker. Er verliert nur seine Fassung, als die verbleibenden Gotenbuben, Verzeihung, jetzt natürlich Prinzen, seine Tochter vergewaltigen und ihr, damit sie die Täter weder benennen und ihre Namen aufschreiben kann, die Zunge herausreißen und die Hände abschneiden. Aha, der Gorehounde wacht auf! Titus schnappt sich die Missetäter, bringt sie um die Ecke und serviert sie der stolzen Mutter als Pasteten (hey, wir kennen die Szene doch aus "Theater des Grauens", nur waren es dort Pudel). Selbige befällt schweres Unwohlsein, nachdem Mama gesagt worden ist, was sie gegessen hat. Darauf hin bringen sich alle um, wobei der letzte verbleibende Sohn von Titus der finale Überlebende ist. Vorhang!
Die gesamte Geschichte ist ein Hohelied der Schuld und des Hasses. Super! Und sprachlich ein Traum. Dazu phänomenale Schauspieler, wobei Sir Anthony alle überragt. Mir gefällt er als Titus deutlich besser denn als Hannibal. Und das will was heißen.
Der Film bemüht sich um eine progessive Kameraführung, ein herrliches Mischmasch an Ausstattung und einer intensiven Nutzung von Farbe und Licht. Dadurch wird er wie ein Traum, der aber leider durch die Überzeichnung dieser Effekte in einigen Szenen ins Groteske abfällt. Man hätte ohne diese Überzeichnungen einen Klassiker zum Filmklassiker machen können. Mir hätte eine gröbere Umsetzung auch gefallen, die dann aber mit Sicherheit FSK 18 geworden wäre. Der Stoff gibt es her.
Dieser Film sein all denen ans Herz gelegt, die Adaptionen klassischer Dramen mögen. Selten wird wie hier soviel Anspruch des Bühnenstückes in einen Film herübergerettet. Dieser Film ist ein Schätzchen, das völlig zu unrecht in vielen Läden seinen Weg auf den Wühltisch gefunden hat. Wohl am Intellekt der normalen Verbraucher vorbei...
Fazit: Unbedingt billig kaufen und genießen. Mein Urteil 9 von 10.