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Kaum entwickelt sich das heimische Triadengenre wieder, sei es auch bloss in der Rekonstruktion des Mythenmarktes in neuer Optik, so setzt hiermit bereits der nächste Bruch ein.

Wie in einem stetigen, kapitalistisch orientierten Kreislauf bildet A Mob Story die Gattungsregeln nach, um sie gleichzeitig zu vergegenwärtigen, wiederherzustellen, zurückverfolgen und auseinanderzunehmen. Er erzählt die Geschichte eines Verbrechers, teilt sie in mehrere Episoden, wechselt die Perspektiven, nimmt die Chronologie auseinander, stellt so dieselben Ereignisse aus unterschiedlichen Blickwinkeln zusammen, ändert und bestätigt sie dabei und führt den Zuschauer auf eine anstrengende Reise durch Menschen, Land und Regelwerk. Dabei muss er allerdings in Kauf nehmen, dass es direkt nach der erneuten rückorientierenden Integration von Infernal Affairs, Colour of the Truth, Colour of the Loyalty, Jiang Hu, Wo Hu und auch den beiden Elections noch zu früh für derart wirres Experiment mit Legende und Stil ist und die Gangart zwischen Hommage, Satire und Drama hiesig mehr abschreckt als verführt. Anfangs noch eine Wiederaufnahme der lonesome killer Attitüde aus den 80ern, die mit dem Einblick in einen aufkommenden gangwar unterschnitten wird, alsbald aber eine ironische Distanz einschlägt, um auf demselben Weg zur Biographie zweier gescheiterter Männer zu gelangen. Und im Nirgends zu enden.

Als Hitman Seven [ Julian Cheung ] wieder in der Stadt auftaucht, macht diese Meldung schnell seine Runde. Er bekommt auch sofort wieder einen Auftrag, rettet allerdings die Zielperson und legt stattdessen auf Triadenboss Fatt [ Hugo Ng ] an; der nach einem erst überstandenen Attentat gerade frisch aus dem Krankenhaus entlassen erneut ins Ruhebett geschickt wird. Seine rechte Hand Sing [ Raymond Wong ] befiehlt die Verfolgung von Seven. Dieser setzt sich nach Taiwan zu seinem alten Freund Goblin [ Cheung Tat-ming ] ab. Auch dort lassen die Schwierigkeiten nicht lange auf sich warten; vor allem die Hure Chi-ling [ Yin Shin ], die nur ihren Körper und nicht ihr Herz verkauft, bringt die alten Freunde durcheinander.

Eine immer wieder erzählte Geschichte, deren Originalität sich nur durch die Erzählweise erzielen lassen würde und in der einzig der Zyklus von Mord und Totschlag getreu seiner Spezies gleichbleibt; incl. einigen unerwartet detaillierten, nichtdestotrotz optisch raffinierten Gewaltausbrüchen.
Schnell merkt man, dass Regisseur Herman Yau mehr vorhat als nur die xte konventionelle Fassung einer überhöhten, aber ebenso sattsam bekannten Fabel über endloses Töten und eine unmögliche Liebe. Was anfangs als idealisierend verschönertes Recycling und damit visuelle Reproduktion der Triadenfilme anmutet, verwandelt sich durch mannigfaltige Schnappschüsse in einen interessanten, aber nicht automatisch aufwühlenden Fehlschlag, der sich abseits mehrerer momentaner Situationen keinen Raum für entfaltende Entwicklung erlaubt. Nach einigen ungewohnt kinetischen Action-Choreografien und der Flucht Sevens aus der Großstadt hinaus alterniert der Film zwischen betriebsamen, aber unreflektiertem Handeln und Eskapismus. Analog zu seinem bisherigen Hauptdarsteller werden auch die üblichen Bild- und Wortverbindungen isoliert, geradezu entfremdet und verlieren dabei die aufgebaute Dramatik in ein An- und Abschwellen widerstreitender, zunehmend abschreckender Stimmungslagen.

Yau zitiert, manipuliert und filtert im ästhetizistischen Wahrnehmungsmuster. Er hält die Zeit in Standbildern fest, dreht sie nach Belieben zurück und vor, verzichtet auf eine ordnende Von - A - nach - B Instanz und gestaltet statt einer durchgängigen Handlung mehrere voneinander abgesetzte Textpartien. Innerhalb einer medial-selbstreflexiven Etikette. Dabei liefert er dem Betrachter Hinweise auf Kommendes, mehr aber noch auf die Basis vergangener Ereignisse, die aber erneut nur stammelnd zum Vorschein gelangen. Personen, die sich scheinbar zur selben Zeit am selben Ort befinden, sprechen und handeln getrennt voneinander. Eine gestörte Stabilität, die die von gesellschaftlicher Bindung Entwurzelten in einer Art Durchgangsstation zeigt. Plötzliche Einflüsse von aussen kommen und gehen ohne Vorwarnung.

Generell werden Informationen hinsichtlich Ursache und Wirkung wie in einem weitflächig versteuten Puzzle zögernd und dann auch nur in verkürzten Zusammenhängen bereitgehalten und verwirren so öfters die Erwartungen. Anfangs clever und überraschungsreich verkommt diese Erzählmethode über die Fortdauer zu einem bestimmenden Selbstzweck, der die Filmemacher in die Position der absoluten Gönner und den Zuschauer nicht als unmittelbar Beteiligten, sondern als Bittsteller hinstellt und ihn so zeitweise geradezu vergrätzen muss. Der Reiz der Diskontinuität, der dem tradierten Material erst die Effekte verleiht, verliert sich durch die materielle und vor allem auch motivielle Sinnlosigkeit; ausserdem werden die Grundsätze dieser Schaffensmethode von willkürlichen Assoziationsbildungen zu offenkundig. Der Vermittlungsprozess stockt und die Faszination verliert sich in polemischer Irritation und hoffärtigen Chaos statt in packender Inspiration. Das groteske Naturell der mittlerweile zur Absurdität gewordenen Fabel wird ausgebeutet, ohne eine Botschaft oder einen Hintergrund für diesen Bilderfluss aus Parallen, Überlappungen, Farbschwankungen, Veränderungen des Filmmaterials von 35mm zu DV, von aalglatt zu grobkörnig und unorthodoxen Schnitte zu liefern. Eine imponierend recherchierte Enzyklopädie filmsprachlicher Möglichkeiten, aber ohne logisch konstruiertes Register. Und immer noch mit den Stereotypen der Vergangenheit, die einzig in Momentaufnahmen ohne psychische Tiefe beobachtet werden.

Yau, der sich zuvor als solider Handwerker und vielbeschäftigter Akkordarbeiter bewährt, aber seine bisherigen Filme zum Grossteil nur notdürftig in das Mittelmass gehievt hat, schien sich die letzten Jahre als Regisseur mit eigener Seele und persönlichen Anliegen zu entpuppen. Ein Wanderer zwischen den Welten, der sich mit soliden Arbeiten ein kleines, aber sicheres Renomee als Techniker verschafft und mittlerweile gar für positive Verblüffungen wie das Independentwerk From The Queen to the Chief Executive gesorgt hat. Gerade sein letztjähriger On the Edge hat die Verbindung von einem finanziell proper aussehenden Ausstellungsstück mit einem ergreifend herausgearbeiteten Innenleben seiner Charaktere erreicht; eine Kombination durchaus luxuriöser Schauwerte, die dem gemeinen Genrewerk mehr Intimität und Gefühl als sonst zugesteht und die üblichen Klischees in wahre Empfindungen und Emotionen umwandeln konnte. Hier ist trotz der zeitweise überwältigenden äusserlichen Schale, dem scheinbar identischen Themenbereich und der vorherrschend kreativen Unabhängigkeit nichts mehr davon über. Ausser einer beinahe quälerisch anmutenden Spielerei, die sich mehr und mehr als rhythmische Unaufmerksamkeit demaskiert und wegen seiner eigenen strapaziösen Künstlichkeit zwischen Mär und Aufklärung um jegliches Interesse für die Figuren geradezu kämpfen muss.

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