Das Genre war tot, die Franchise war tot, der weiße Hai war auch schon dreimal tot und trotzdem kam jemand auf die irrwitzige Idee dem gefräßigen Fisch noch einen vierten Auftritt zu spendieren, der endgültig bewies, dass der Carcharodon carcharias keinerlei Kinotauglichkeit mehr besaß.
Bis Renny Harlin mit seiner Actionvariante „Deep Blue Sea“ wieder Kasse mit den Großen Weißen machte, sollte es 12 Jahre dauern und bis Jan de Bonts überdimensionalen „Meg“ wird man wohl auch weiterhin auf gute Hai-Filme warten, zumal etliche Billigproduktionen seit Ende der Neunziger diesem Subgenre einen denkbar schlechten Ruf einbrachten.
Was genau Joseph Sargent („The Taking of Pelham One Two Three”, „MacArthur”) mit „Jaws: The Revenge” eigentlich vor hatte, wird wohl für immer sein Geheimnis bleiben. Er ignoriert den aus der Reihe losgelösten dritten Teil, holt wieder die Brodys an Bord, schwankt unentschlossen zwischen Hommage und Erneuerung und kämpft dabei mit einem der miesesten, unglaubwürdigsten Drehbücher, das Hollywood jemals hervorgebracht hat.
Roy Scheider („Blue Thunder“, „2010“) wusste nur zu gut, warum er dankend abwinkte und die Produzenten deshalb dazu zwang Lorraine Gary nach achtjähriger Leinwandabstinenz mit einem entsprechenden Scheck noch ein letztes Mal aus dem Vorruhestand zu holen. Sichtlich mitgenommen vom tödlichen Herzinfarkt ihres Mannes Martin muss die Witwe auch noch den Verlust ihres Sohnes Sean hinnehmen, der gleich eingangs im Hafenbecken von einem weißen Hai gut durchgekaut und für die Obduktion ausgespuckt wird.
Um den schmerzlichen Verlust hinter sich zu lassen, folgt sie ihrem verbliebenen Sohn Michael (Lance Guest, „Halloween II“, „The Last Starfighter“) auf die Bahamas, wo das Ungetüm auch bald auftaucht und auf den verbliebenen Nachwuchs bei seiner meeresbiologischen Arbeit ein Auge wirft.
... und sich zum Ziel gesetzt hat, die ganze Brody-Sippe anzuknabbern. Nun, was das Drehbuch dem Zuschauer so alles an Ideen auftischen will, ist der reinste Schwachsinn und deshalb kann man auch gut verstehen, warum einige Cameos nicht zustande kamen und Michael Caine („The Black Windmill“, „The Eagle Has Landed“) hinterher kein positives Wort über die Produktion verlauten ließ. Fragt sich nur, ob er das Drehbuch vorher nicht gelesen hat.
Denn dies legt dem Hai tatsächlich eine persönliche Motivation zugrunde. Gerade so als ob er die explodierten Artgenossen der Vorgänger krumm neben würde, knöpft er sich bei seiner Vendetta tatsächlich nur die Brody-Sippe vor und lässt den Rest links liegen. Telepathisch (!!!) verbunden mit Ellen schwimmt er dann auch mal eben zu den Bahamas rüber, um sein Werk zu vollenden. Dass es dazu nicht kommt, ist ja klar.
Die dilettantische Tricktechnik, die den nicht sonderlich eindrucksvoll ausschauenden Fisch immer gerade aus dem Wasser schießen, senkrecht abtauchen oder auf gewasserte Flugzeuge robben lässt, schießt dabei aber beileibe nicht den Vogel ab. Es ist die sich auf Daily Soap – Niveau bewegende Story um Ellen, die nur vergessen möchte und in dem adretten Piloten Hoagie (Caine) einen Freund findet, der sie ablenkt, während Sohnemann Michael schon längst auf den Hai gekommen ist und von seinem ewig sabbelnden Kumpel Jake (Mario Van Peebles, „Heartbreak Ridge“, „Full Eclipse“) dazu überredet wird dem Vieh einen Peilsender anzuheften, damit man einen besseren Aufhänger für die Doktorarbeit hat. Was für eine glorreiche Idee...
Thrill gibt es eigentlich nur marginal und spätestens das ultraschäbig getrickste Ende (Warum explodiert der Hai eigentlich?) schlägt dem Fass den Boden aus.
Angesichts des totalen Dilettantismus der Verantwortlichen muss man sich schon fragen, ob „Jaws: The Revenge” wirklich ernst gemeint war, machen teilweise doch sehr abrupte Wechsel von Handlungsorten eher den Eindruck, als wäre noch einiges im Schneideraum geblieben, wofür man aber dankbar sein sollte. Oder sollte es etwa doch eine Komödie werden?
Kann man sich über einen grummelnden und grunzenden Hai noch soweit amüsieren, stößt die sogenannte Rahmenhandlung auf viel Missgunst beim Zuschauer. Ellens Albträume brauchen sich nämlich genauso schnell auf wie die ständige Panikattacken, die Sorgen um ihre Familienmitglieder in Wassernähe, die Bewältigung der Verluste oder die keimende Romanze. Dann doch lieber den Hai in Aktion als dieser pseudodramatischen Seifenoper weiter beizuwohnen. In diese Richtung dachten wohl auch die durch die Bank weg blassen Darsteller, von denen zumindest Michael Caine die Sache mit resignierendem Humor nimmt.
Obwohl sich der vierte Teil mit seinem exotischen Schauplatzwechsel ein paar Sympathiepunkte einfängt, bleibt er insgesamt ein deutlich unwürdiger Abschluss der Reihe. Vor allem die Maßnahme den Hai unter Wasser bei Tauchgängen in Aktion zu erleben, ist ein folgenschwerer Fehler, lebten speziell die beiden ersten Teile doch genau davon nie unter die Wasserkante blicken zu können.
Fazit:
Was für ein Humbug. Joseph Sargent, ohnehin kein begnadeter Filmemacher, setzt die Franchise endgültig auf Grund und dreht mit „Jaws: The Revenge” ein gänzlich überflüssiges Sequel mit unglaublichen Irrwegen des Drehbuchs, das wohl mal so richtig ungewöhnlich sein wollte und mustergültig versagt. Von der mittelprächtigen Tricktechnik und den blassen Darstellern bis hin zur traurigen Geschichte, die viel mehr mit Ellen Brodys Schicksal als mit dem Hai selbst beschäftigt ist, einfach nur grausam. Nicht ganz so schlimm wie die amateurhaften B-Movie-Auswüchse der jüngeren Vergangenheit, aber deutlich vom Original distanziert. Wer die Serie komplett braucht, mag hier noch Interesse dran haben, der Rest winkt wohlwissend ab.