Seine Abschiedsarbeit lieferte der Regisseur John Guillermin (Bankraub des Jahrhunderts, Die Brücke von Remagen, El Condor, Flammendes Inferno, King Kong, Tod auf dem Nil) mit einem Western nach dem Buch von Kevin Jarre für die HBO TV Produktion Der gnadenlose Jäger. Damit hat er es sich in einer Zeit weit hinter den Erfolgen amerikanischer und auch der folgenden europäischen Genreproduktionen, die schon Jahre zuvor ihr letztes Lebenslicht mit belanglosen Veralberungen ausgeblasen hatten, nicht leicht gemacht, sich noch ein finales Denkmal zu setzen.
Im Western ging es schon immer verstärkt um Gerechtigkeit und Moral, ob diese nun umgangen oder eingehalten wurde. Während ein Karl May diese Thematik immer tiefst religiös mit menschlicher Stärke und dem Willen zu Verzeihen abhandelt, stellt Der gnadenlose Jäger einen erfahrenen Westmann in seiner neuen Funktion als Vorbild unter dem Druck von Bildung, ja man mag fast deuten Aufklärung, konfrontiert mit dem eiskalten Überlebenswillen in den unendlichen Weiten Amerikas im neunzehnten Jahrhundert, auf die Probe.
Der von Johnny Cash entdeckte Countrysänger, Songwriter und später auch ins Schauspielfach vorgestoßene Kris Kristofferson (Pat Garrett jagt Billy the Kid, Convoy, Blade) ist eine ideale Verkörperung dieses Mannes, Noble Adams, der für die Armee einst Indianer aufgespürt hatte und nun zurückgezogen auf seiner Farm lebt. Eine Bande von durchgeknallten Mormonen angeführt vom Fanatiker John Stillwell (Scott Wilson, Kaltblütig, Das Schloß in den Ardennen, Die Grissom Bande, Der große Gatsby) terrorisiert mit Mord und Vergewaltigung die Gegend und so ruft Sheriff Crawford (David Huddleston, Rio Lobo, In schlechter Gesellschaft, Is' was, Sheriff?) seinen Freund Adams mangels Personal zur Hilfe. Dieser nimmt widerwillig auf die Mahnung an einen alten Freundschaftsdienst bereit die Fährte aufzunehmen seinen alten, per Plakettengravur Nemesis getauften Hinterlader von der Wand. Adams Sohn Tom (Mark Moses, Platoon, Desperate Housewives) hat gerade sein Jurastudium in Philadelphia beendet und ist mit der Botschaft zurückgekehrt, daß er in der Anwaltskanzlei seines Onkels die Arbeit aufnehmen wird. Sein Vater glaubt nicht an die Richtigkeit der Entscheidung ihn mitzunehmen, stimmt jedoch unter Vorbehalt zu.
Bald zeigen oft noch eher komisch anmutende Szenen, daß Tom zwar schon das Kämpfen im Sinne eines geregelten Boxkampfes versteht, jedoch nicht den nötigen Killerinstinkt besitzt, den sein Vater für unabkömmlich hält. Dieser sieht das Gesetz des Stärkeren als oberste Direktive und hält eine Waffe in der Hand seines Sohnes für nutzlos, wenn dieser einen Gegner, der seine Pistole zu ziehen droht, nicht sofort tötet, sondern ihn nur mit einem Warnschuß daran hindert. Was in der heutigen Zeit hauptsächlich und meist im übertragenen Sinne Video - und Pokerspieler sowie eiskalte Kapitalisten befolgen, war in der Zeit vom Gesetz unmöglich überwachbarer, spärlich besiedelter US Gebiete eine Lebensversicherung. Nutze die Gelegenheit deinen Gegner zu töten, wenn du sie hast. Läßt du ihn am Leben, verschaffst du ihm eine weitere Chance dir in den Rücken zu fallen. Und das demonstriert Noble Adams seinem Sohn in Der gnadenlose Jäger dem deutschen Titel entsprechend zwar nicht ausschweifend grafisch, aber eindeutig genug, wenn er aus dem Handgelenk ganze Horden von Kopfgeldjägern umnietet.
Filmkenner riechen die in der Luft liegende Tragik bereits, als Tom Adams den eine Geisel als Schutzschild nutzenden Ganoven entkommen läßt. Vater Noble sinnt den Konflikt zu beenden und das Mädchen zu retten, läßt den Sohn zurück und zwingt den Schurken zur Aufgabe. Zum vielleicht ersten Mal in seinem Leben läßt er die Waffe sinken. Wer hier den moralischen Sieg davontragen wird, darf der Zuschauer entscheiden.
Besonders für seine Entstehung in den späten Achtzigern und dazu noch als TV Film kann Der gnadenlose Jäger auch im ausgelutschten Westerngenre mit altbekannter Menschenjagdsthematik überzeugen. Wacker kämpft der Film gegen den Untergang in einer unzählbaren Vielzahl früherer Produktionen an. Wer insbesondere aus dem europäischen Bereich Härteres gewohnt ist, wird allerdings Schwierigkeiten haben, die Intensität der Geschichte nachzuvollziehen.
Trotz solidem bis begeisterndem Schauspiel erschwert insbesondere die Filmmusik von Sylvester Levay (Scarface, Die City Cobra, Airwolf) mit einer Mischung aus Synthesizern und Akkustikgitarren die Entwicklung eines wirklich stimmigen Gesamterlebnisses. In diesem Bereich eher untypisch, kann weder die majestätische Epik noch nervenzerreissende Spannung der großen Klassiker aufgebaut werden.
Der gnadenlose Jäger deshalb nur auf dem Niveau eines durchschnittlichen B - Movies abzustempeln wäre töricht. Zuviel guter Wille steckt in diesem Film, zu grandios heben sich insbesondere Kristofferson und Stillwell hervor. Kein Meisterwerk, aber für Genrefans absolut sehenswert, zumal Western dieser Klasse in jüngeren Jahren rar gesät sind.