Im Auftrag eines amerikanischen Medienkonzerns heuern dessen Vertreter Kathy Lukas [ Barbara Carrera ] und ihr Bruder Michael die Söldner John Haddad [ Scott Glenn ] und Alex Faulkner [ Edward Fox ] an, den seit Kriegsende in Spandau einsitzenden Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess [ Laurence Olivier ] zu befreien.
Um an ein Interview zu kommen...
„Wir hoffen, mit dem Film nicht nur erregende Spannung und verwegenen Nervenkitzel in die Kino – Theater zu bringen, sondern auch einen Denkanstoss über Konflikte und Probleme in ähnlichen Zusammenhängen zu geben.“
So lautete die Pressemitteilung des Verleihers, allerdings zum ersten Die Wildgänse kommen – Film; der mit seiner grobschlächtigen Gangart ohne Rücksicht auf Verluste plus Starbesetzung einen Nerv traf und zum Vorreiter einer Handvoll Trittbrettfahrer wurde. Die dann natürlich für den Verkaufseffekt auch ähnlich klingen [ Häutet sie lebend Unternehmen Wildgänse, Einsatzkommando Wildgänse, Unternehmen Wildgänse, Geheimcode Wildgänse, Die Rückkehr der Wildgänse ] und auch die Machart zu kopieren versuchen; die bemüht offizielle Fortsetzung Wildgänse 2 - Sie fliegen wieder geht einen etwas anderen, aber nicht unbedingt besseren Weg.
Den marktschreierischen und galant – dummdreisten Spruch des Erstlings hätte man hier auch bringen können und damit sogar mehr Wahrheitsgehalt getroffen; zumindest der Denkanstoss wäre aufgrund eines realen Zielobjektes und aktueller Tatsachen ja weitaus näher dran gewesen als die vorherige Befreiung eines von Rebellen gefangengehaltenen Präsidenten eines zentralafrikanischen Staates. Wo dort eh nur Anonymität herrschte und sich der Rest im wirklichkeitsfremden Niemandsland bar jeder ernstzunehmenden politischen Deutung abspielte, befindet man sich im Hier und Jetzt und hat dazu noch eine entscheidende Verbindung zur Vergangenheit.
Es werden direkte Namen genannt und in einer Gedächtnisauffrischung auch die geschichtlichen Bezüge aufgezeigt: Heß als Stellvertreter des Führers und aktiver Organisator der Judenverfolgung wurde 1941 als Kriegsgefangener in London interniert, nach Kriegsende im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozeß wegen Planung eines Angriffkriegs und Verschwörung gegen den Weltfrieden zu lebenslanger Haft verurteilt und trotz Zweifel an seiner Zurechnungsfähigkeit in das alliierte Militärgefängnis Berlin-Spandau überführt.
Soweit die Fakten, von denen auch der Film ausgeht und sie uns noch einmal vorstellt – falls sie jemand vergessen haben sollte –, der Rest ist Fiktion. Die Prämisse der Befreiung ist von der Grundidee wegen des durchaus Anlass zum Nachdenken gebenden Gedankenganges auch gar nicht verkehrt.
So scheiterten zahlreiche Bitten der Familie Heß, verschiedener Politiker und Kirchenvertreter sowie ein offizielles Gnadengesuch der Bundesregierung auf Freilassung trotz massiven Dafürhaltens am Veto der Sowjetunion und schufen aus humanitäter, politischer und medizinischer Sicht brisante Diskussionen.
Derartiges findet hierbei erwartungsgemäss nicht statt; hinsichtlich diesen und weiterer Punkte sträubt sich der Film auf eine klare Ansage und zeigt zudem erstmal alles andere ausser Ausführung des Befreiungsplanes. Das ist sogar durchaus clever durchdacht. Da ist man von den Produzenten zumindest so schlau gewesen, sich für das Sequel mit dem Roman „The Square Circle“ nicht nur eines vom gleichen Vorlagenlieferanten wie für den Vorgänger zu benutzen, sondern auch mit einer Grundidee aufzuwarten, die automatisch für mehr Aufmerksamkeit sorgt.
Das man letztlich den Schwanz einkneift und Heß wirklich erst auf die letzten Meter bringt und eigentlich auch jeden anderen hätte befreien hätte können – man redet ja nicht einmal über ihn -, sollte den Zuschauern in der “erregenden Spannung und dem verwegenen Nervenkitzel” des Kintopps wohl nicht auffallen. Tut es aber; weil das Drumherum nichts davon bietet und dann wirklich nur die Idee neugierig macht. Die damit möglichen Optionen werden so zwar freilegt, aber sich gar nicht darum gekümmert.
Wenigstens hat man sich für die Story das schwerste Zielobjekt und damit den gefährlichsten Aufhänger herausgesucht: Heß war nach der Entlassung weiterer sechs Hauptkriegsverbrecher ab 1966 der einzige Gefangene und steht dabei
unter der gemeinsamen Kontrolle der vier Besatzungsmächte. Dazu kommt die Berliner Polizei. Und dazu kommt noch eine ganze Menge mehr, denn die ewiglange narrative Anlaufphase baut einen Stolperstein über dem anderen auf; nur um am Ende dann doch so leicht wie ein Kinderspiel zu werden.
Die Hinführung auf den 77er Kassenhit erfolgt neben der gleichen literarischen Quelle durch die Einbringung von Allen Faulkners kleinem Bruder Alex. Dieser ist ebenfalls Söldner und ahmt seinem blutsverwandten Vorbild mit Geschick nach; bei seiner Anheuerung durch die Fernsehfritzen verweist er auch auf dessen blutiges Afrikaabenteuer und dass sie sich in ihm wohl den Falschen geholt haben. Brüderchen wäre besser geeignet. [ Burton sollte seine Rolle wiederholen, aber starb vorher. ]
Er lehnt ab, empfiehlt aber John Haddad. Dieser hält sich sowieso grad in London auf und beseitigt palästinensische Beschatter auf der Toilette; ein Ausflug ins geteilte [ und recht heruntergekommene und farblose ] Berlin auf Spesen könnte ihn aus der Schusslinie derer Kommandoeinheiten bringen. Und dass sich die potenziellen Arbeitgeber keinen Kopf über Geld machen verlockt auch.
In Tegel angekommen
- joggt er erstmal entweder um das gesamte Gefängnis herum oder gleich menschenseelenallein durchs Olympiastadion,
- lässt sich von dem zu den Sowjets übergelaufenen Ex – BNDler Heinrich Stroebling [ Robert Freitag ] entführen und befreit sich wieder daraus,
- legt die sinnfrei nachfolgende Kathy Lukas flach und verliebt sich in diese
- knüpft Verbindungen zum britischen Offizier Col. Reed-Henry [ Kenneth Haigh ]
- und lässt sich einen IRA in die Mannschaft unterjubeln.
Viel zu tun also und auch vieles, was den Film in Richtung der Operation nicht so wirklich oder gleich gar nicht voranbringt, aber zumindest die Zeit stopft. Das man gleich mehrere Parteien aufweist, die zusätzlich zum militärischen Wachpersonal und den grün / khaki uniformierten Gesetzeshütern noch mehr Scherereien machen, ist durchaus löblich und sollte die Geschichte auch abseits ihres eh nicht berücksichtigten Ursprunges über die Runden bringen können. Damit ist nichts. Sicherlich ist das Heckmeck um Stroebling, der auch Interesse an Heß hat und deswegen verschiedene Methoden an Haddad ausprobiert [ die Entführung, Mordanschlag, Verhandlungen, Geiselnahme von Kathy ] ganz erbaulich für den Moment, aber das bringt das Geschehen nicht von hierhin nach dorthin, wirft keinerlei Dramatik an und eröffnet selbst für Actionszenen kaum Raum.
Man hat auch öfters bloss das Gefühl, man will um jeden Preis die Lauflänge strecken anstatt endlich mal Tacheles zu reden. Dehnt das Sujet nur nach allen etwaigen Seiten aus; wahrscheinlich um es über die Masse standfester und glaubwürdiger zu machen, erreicht aber das genaue Gegenteil davon. Alle lassen sich diverse Leute einfliegen und tauscht auch mal untereinander aus, zwischendurch läuft der Kommandant des russischen Sektors für 2sec durchs Bild; den man überhaupt nicht beachten würde, wenn er nicht von Patrick Stewart gespielt wäre.
Und als es dann endlich kurz vorm Showdown an den ersten Drill geht – normalerweise passiert dies im ersten Viertel und stellt die Vorstellung samt Charakterisierung dar – liegt das alleinige Augenmerk nur auf korrekter Kleidung, richtiges Strammstehen und Gleichschritt Marsch.
Dann geht plötzlich alles schnellschnell; als dem Skriptautoren die Ausreden ausgehen und Bond - Spezialist Peter Hunt mit seinem wenigen inszenatorischen Latein am Ende ist, werden die Knarren herausgeholt.
Wer nun grosses Feuerwerk erwartet, schaut aber ebenfalls in die Röhre; schliesslich soll man anfangs sowenig Aufmerksamkeit wie möglich erregen und lässt sich deswegen nur auf kleinere Hits ein. Dieses sind soweit ordentlich umgesetzt, aber doch sehr rar und dünn gehalten; bekommen allerdings die Prise Eleganz extra durch die Tatsache, dass mit Edward Fox Der Schakal schlechthin aus weiter Entfernung am Abzug sitzt.
Fox ist sowieso viel zu gut hierfür, auch Glenn gehört in einen besseren Film, obwohl er kaum etwas macht. Carrera ist zumindest hübsch wie immer, aber ihre Rolle ist komplett nutzlos und sollte wie die zwischenzeitliche substanzfreie Episode im Bayrischen Wald nie den Schneideraum verlassen.
Olivier ist mittlerweile über alle Zweifel erhaben, aber was gerade ihn geritten hat, hier mitzuwirken ?!
Und Stewart hätte man lieber viel öfters gesehen.
Der Knaller kommt aber erst zum Schluss: Nachdem man Hess während eines vorgetäuschten Krankentransportes befreit und ihn mitsamt österreichischen Schlachtenbummlern – "Also. Von jetzt an sind wir glücklich und besoffen !” – über die Grenze bekommen hat, will der alte Mann gar nicht reden. Er ist müde, kennt nur seine Zelle, hat Angst vor der neuen Welt und will deswegen nur zurück.
Angesichts des schwachen Filmes kann man das durchaus verstehen.